Bad Alexandersbad Bildungszentren im Wandel

Raimund Kirch

Einrichtungen wie das EBZ vermitteln heute Werte, für die sonst wenig Zeit bleibt. Dem Referenten Peter Buhrmann ist um ihre Zukunft nicht bange.

 
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Bad Alexandersbad - Dass nicht für die Schule, sondern fürs Leben gelernt wird, entspricht nicht immer der Realität. Für zwischenmenschliche Kompetenz, Haltung und Horizonterweiterung, Kreativität und Mitgefühl ist im Schulalltag selten Raum und Zeit.

Vom Wissen zum Tun

Die erste Heimvolkshochschule wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Dänemark gegründet. Der evangelische Theologe, Historiker und Pädagoge Nikolai Frederik Severin Grundtvig (1783 bis 1872) setzte sich für ein lebenslanges Lernen ein, das ohne Zwang in Internatskursen vermittelt werden sollte. In dieser Tradition ist Peter Buhrmann aufgewachsen, der jahrelang erfolgreich eine Landvolkshochschule in Dänemark geführt hat. Dem promovierten Germanisten ging es dabei vor allem darum, Jugendliche aus ganz Europa zusammenzubringen und sie grenzüberschreitend weiterzubilden. Ganz in der grundtvigschen Tradition hält er nicht das Wissen für das Wesentliche, sondern unser Handeln, das vom Wissen angeleitet ist.


Tagungshäuser und Bildungszentren im ländlichen Raum waren einst dafür eingerichtet, jungen Landwirten und Bäuerinnen in sogenannten Winterkursen Fachwissen und gleichzeitig Horizonterweiterung zu vermitteln. Mit der Spezialisierung im Agrarbereich und dem gleichzeitigen Höfesterben mussten sich die Bildungszentren auf dem Land umorientieren. Die Teilnehmerzahlen sanken. Nun vermitteln sie in erster Linie die oben erwähnten "soft skills" für ein breiteres Publikum.

Auch die Bildungseinrichtungen auf dem Land haben wegen Corona eine Durststrecke hinter sich; sie müssen sich wieder in Erinnerung bringen, vor allem aber um Gelder und Zuschüsse werben, die in den vergangenen Monaten ausgeblieben sind.
Im Rahmen der "Alexandersbader Gespräche" war diesmal Peter Buhrmann als Referent eingeladen. Der gebürtige Däne ist seit dem 1. Oktober Geschäftsführer des Bundesverbandes der Bildungszentren im ländlichen Raum. Er vertritt die Interessen und die Bildungsarbeit von 44 Heimvolkshochschulen in ganz Deutschland, wozu in Franken neben Alexandersbad auch die evangelischen Landvolkshochschulen am Hesselberg und in Pappenheim sowie auf katholischer Seite unter anderem die Landvolkshochschule Feuerstein zählen.

All diese Tagungszentren mussten sich in den vergangenen Jahrzehnten quasi neu erfinden. Sie setzen sich einerseits für die Entwicklung und Stärkung des ländlichen Raumes durch Bildungsangebote ein, die auf die Besonderheiten der jeweiligen Region abgestimmt sind. Sie müssen und sollen aber auch das oft gebrochene Verhältnis zwischen Stadt und Land überbrücken helfen. Ein Thema, das immer wichtiger wird. Buhrmann: "Wenn man weiß, was sich in den Schlachthöfen tut, und man tut nichts dagegen, nenne ich das ungebildet."

Das Ziel der Heimvolkshochschulen ist es auch, im Rahmen der Leitlinien der Deutschen Bundesstiftung Umwelt die nachhaltige Ernährung und den verantwortlichen Umgang mit Lebensmitteln zu fördern. So wird in den Küchen der Tagungshäuser beispielhaft gekocht: Tagungsteilnehmer erfahren hier, wie sich mit heimischen Produkten raffinierte und phantasievolle Gerichte zaubern lassen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Heimvolkshochschulen sind Wochenenden für Alleinerziehende und Familien, bei denen Gemeinschaft gepflegt, Persönlichkeitsbildung vermittelt und Natur erlebt wird. "Städter glauben, dass nur in den Zentren das pralle Leben herrscht", sagte Buhrmann. "Dieses Bild gilt es zu korrigieren." Für ihn geht es nicht nur um Wissensvermittlung, sondern vor allem um die Lust auf Wissen. Wichtig sei, "dass der Funke zündet". Nur so könne man ausloten, was man im Leben wirklich will.

Das Bildungs- und Tageszentrum Bad Alexandersbad hat sich diese Maxime schon lange zu eigen gemacht. Neben einem breiten spirituellen Angebot wird etwa auch ein Kurs für Auszubildende ausgeschrieben, bei dem über das Schulwissen hinaus Kritikfähigkeit, Eloquenz und Umgangsformen eingeübt werden, die bei Bewerbungen und beim Meistern des Lebens helfen können.

Um die Zukunft der Bildungszentren auf dem Land macht sich Peter Buhrmann weniger Sorgen: "Die Politik weiß, was sie an uns hat. Fehlt nur noch, dass dies auch eine breitere Öffentlichkeit zur Kenntnis nimmt." Foto: Raimund Kirch

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