Länderspiegel Hofer Kirchenvorsteher darf in Deutschland bleiben

Sarah Schmidt
Naser R. und Dekan Saalfrank bei einer Pressekonferenz. Foto: Uwe von Dorn

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann äußert sich zum Fall des von einer Abschiebung bedrohten Naser R. und beteuert: "Von Abschiebung kann keine Rede sein".

 
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Hof/München – Es ist der erste Pressetermin mit mehreren Medienvertretern, an dem der 28-jährige Naser R. am Montagvormittag teilnimmt. Seit Wochen drohte ihm die Abschiebung und er hatte Todesangst, denn er sollte in ein Land zurück, in dem er als konvertierter Christ zu einer Todesstrafe verurteilt worden wäre. Während des Gesprächs mit der Presse ahnte er noch nicht, dass er schon am frühen Nachmittag die langersehnte erlösende Nachricht von den Behörden erhält: Er darf in Deutschland bleiben.
R. ist kein Mann, der gerne im Mittelpunkt steht, das merkte man ihm bei dem Termin sofort an. Schüchtern und meist nur in knappen Sätzen antwortete er auf die vielen Fragen der Journalisten. Und doch war die Presse am Montagvormittag nur seinetwegen in das evangelische Dekanat am Hofer Maxplatz gekommen. Zu diesem Zeitpunkt lautete die Nachricht, die Dekan Günter Saalfrank nach den vielen Wochen voller Hoffen und Bangen verkünden durfte: „Vergangenen Donnerstag hat der bayrische Innenminister Joachim Herrmann auf unser Schreiben reagiert. In seinem Brief zeigt er einen Weg mit guter Bleibeperspektive für Naser auf“, sagte er. Doch die Freude war nicht ungetrübt: „Es ist ein sehr aufwendiger und risikoreicher Weg.“


Das bayrische Innenministerium schlug in dem Schreiben vor, dass der Flüchtling freiwillig ausreisen und sich anschließend bei einer deutschen Botschaft in einem Nachbarland Afghanistans um ein Visum bemühen soll, womit er dann in Deutschland auf Dauer hätte arbeiten können. Die Vertretung der Bundesrepublik in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, wurde 2017 durch einen schweren Anschlag zerstört und ist bis heute geschlossen. „Dieser Weg ist nur mit Unterstützung der deutschen Behörden denkbar“, meinte Saalfrank.


Der Druck, der seit Wochen auf dem jungen Mann lastete, schien allerdings auch nach dieser Nachricht, die eigentlich Hoffnung bringen sollte, nicht abgefallen zu sein. „Ich habe viele Gedanken, viele Bedenken und keine Vorstellung, wie es weiter geht. Ich habe Angst und will nur hier bleiben, arbeiten gehen und meinen Glauben frei leben“, sagte R. in gebrochenem Deutsch.
Schon ein paar Stunden später sollten sich seine Ängste und Bedenken in Luft auflösen. Um 16.15 Uhr schickte das Dekanat Hof eine Pressemitteilung an die Medienvertreter, in der es heißt: „Hofer Kirchenvorsteher muss nicht nach Afghanistan ausreisen.“ Innenminister Herrmann erklärte im Laufe des Montags gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: „Von Abschiebung kann keine Rede sein.“ Die bayerischen Behörden seien offen dafür, dass der 28-Jährige eine qualifizierte Ausbildung macht. „Wenn er eine entsprechende Lehre ergreift, gibt es für ihn auch eine Bleibeperspektive in Deutschland“, sagte Herrmann.


Der Fall von Naser R. hatte in den vergangenen Wochen bundesweit Aufmerksamkeit erregt. Er wäre der erste Kirchenvorsteher in Bayern gewesen, der nach Afghanistan abgeschoben werden sollte. „Die letzten Wochen waren alles andere als einfach. Vergangene Woche hat sich die Situation noch zugespitzt“, sagte Saalfrank am Vormittag. „Wir haben erfahren, dass bereits am nächsten Montag, den 16. November, nach monatelanger Pause, wieder ein Abschiebeflug nach Kabul gehen soll.“


Elisabeth Frisch, ehrenamtliche Flüchtlingsbeauftragte des Dekanats, betreut den Iraner seit seiner Ankunft in Hof. Sie war bis heute erschüttert darüber, dass der Asylantrag von R. abgelehnt wurde. „Ich beneide die Richter nicht, die die Ernsthaftigkeit des Glaubens bei Menschen beurteilen müssen“, sagte sie. Trotzdem könne sie bei Naser, der sich als Kirchenvorsteher außerordentlich für die Kirchengemeinde engagiere, nicht verstehen, wie es zu diesem Urteil kommen konnte.


Auch Stefan Reichel aus München von der Flüchtlingshilfsorganisation „Matteo“ war am Montag wieder in Hof. Er hatte sich zusätzlich an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gewandt, da er absolut nicht verstehen konnte, wie jetzt, während des Lockdown light, wieder ein Flug nach Afghanistan gehen soll. „Während sich alle an die neuen Corona-Regeln halten, fällt der Regierung nichts Besseres ein, als eine Abschiebung durchzusetzen. Das ist sehr schleierhaft“, sagte er.


Naser R. kommt aus dem Iran, wo er vor seiner Flucht lebte. Bei einem ersten Pressegespräch Ende September konnte R. aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen, deshalb erzählte Saalfrank die Geschichte des Flüchtlings: Die erste Begegnung mit Gott hatte Naser auf seinem Fluchtweg, als er in einem Boot nach Griechenland saß. Gott habe ihm beigestanden, ihm Kraft gegeben und ihn auf dem langen Weg zur Ruhe gebracht. Schon kurz nachdem er in Hof ankam, zeigte er Interesse an dem christlichen Glauben. Am 30. Oktober 2016 taufte ihn der Dekan. Seit Ende 2018 ist er im erweiterten Kirchenvorstand der Gemeinde St. Michaelis in Hof. Naser R. hat in den vergangenen Jahren viele Praktika in Handwerksbetrieben absolviert und half eine Zeit lang ehrenamtlich in einem Altenheim aus. „Er wurde stets gelobt“, berichtete Frisch damals. „Einige Betriebe wollten ihn sogar übernehmen, doch das Amt hat die Anträge abgelehnt.“

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