Von den Schaulustigen ernten die Demonstranten vielfach entrüstetes Kopfschütteln. "Ihr Idioten", "Vollpfosten" oder "unglaublich" rufen einige Passanten in Richtung der Demonstrierenden.
Im Fokus der Kritik steht auch das neue Infektionsschutzgesetz, das die Corona-Maßnahmen auf eine neue rechtliche Grundlage stellt. Ein neuer Paragraf legt etwa fest, in welchen Bereichen die für die Umsetzung zuständigen Länder Corona-Einschränkungen verhängen dürfen. Das sind etwa Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebote, Maskenpflicht im öffentlichen Raum oder auch die Schließung von Geschäften. Auch die "Mainstreammedien" sorgen für Unmut, genauso wie die Regierung, die sich "allein auf die Aussagen des Virologen Christian Drosten" verlasse und zu wenig anderen Wissenschaftlern zuhöre. Ein Mann sagt, er trete gegen das ein, was er für den Beginn einer Diktatur halte.
Das erste Mal findet an diesem Samstag auch ein "Spaziergang" statt. Vier Polizeibusse begleiten den Demonstrationszug, der vom Kugelbrunnen über die Ludwigstraße Richtung Sigmundsgraben schreitet. Einige weitere Polizisten laufen nebenher. Außer ein paar Diskussionen mit Teilnehmern haben die Beamten nicht viel zu tun, die Veranstaltung verläuft friedlich. Der Kopf der Demo, Nino Schrepfer, führt den Zug an, die Teilnehmer halten Transparente in den Händen, auf denen Losungen prangen wie: "Wer jetzt noch schläft, hat die Diktatur verdient!", "Zurück zur Normalität in Altenheimen Schulen Kindergärten - unser Leben" oder "Es geht um mehr". Viele Menschen halten rote und weiße herzförmige Luftballons in den Händen, auf die sie mit Filzstift "Freiheit" oder "Liebe" gekritzelt haben.
Es sind junge und ältere Menschen dabei, Eltern, die einen Kinderwagen schieben. Ein Mann mit Aluhut kann den Hintergrund für seine Kopfbedeckung nicht erklären, wünscht sich aber eine "offene Auseinandersetzung" mit dem Thema. Schrepfer skandiert, "Regierung, Freiheitsentzug, Coronamaßnahmen, Isolation, Arbeitslosigkeit" seien "nicht gut für das Immunsystem". Im Chor wiederholen die Leute seine Parolen.
Ein Zwischenhalt findet am Altenheim am Unteren Tor statt. Der Ort ist bewusst gewählt: Der symbolische Akt mit Reden und Liedern am Vorplatz des Altenheimes soll "allen Pflegern und Bewohnern zeigen, dass auch in Krisenzeiten an sie gedacht und für ihre Rechte demonstriert wird", wie die Veranstalter in der Ankündigung erklären. Genau das findet aber ein Mann, der den Zug aus dem Fenster beobachtet, offenbar befremdlich: "Jetzt laufen die auch noch zum Altenheim!"
Am Vorplatz des Altenheimes tritt ein Sänger auf, der seinen Namen nicht nennen will, er begleitet sich auf einer Gitarre. Schrepfer hält eine Rede, die er dramaturgisch an die berühmte Rede von Martin Luther King „I have a dream“ anlehnt, die er im Jahr 1963 beim Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit vor mehr als 250.000 Menschen hielt und darin Rassentrennung und Ungleichheit anprangerte. Schrepfer hingegen träumt von einer Welt, in der die Menschen ihre Nachbarn nicht anschwärzen, in der Menschen sich umarmen dürfen und nicht krampfhaft auf eine erlösende Impfung warten müssen: "Wir brauchen keine Impfung, wir sind gesund", sagt er. Menschen würden unter Generalverdacht gestellt: "Kriminalisiert sie nicht!" Er sei kein Egoist, er mache sich nur Sorgen.
Zurück am Kugelbrunnen angekommen, spricht auch der Geologe Heiko Herold aus Rehau, der unter anderem die große "Anzahl der unnötigen Tests" für übertrieben hält. Das dafür investierte Geld solle man lieber für die Sanierung der maroden Sanitäranlagen in Schulen verwenden. Zu viele Gelder würden für den "Corona-Irrsinn" verschwendet. Auch "Ich bin nur der Jan" tritt ans Mikro – er zitiert Auszüge aus der Zeit oder der Tagesschau, die von "Zwangseinweisungen von Quarantäne-Verweigerern" oder von einem Netzwerk von Professoren berichten, das Forscher unterstützen soll, die aufgrund ihrer Thesen unter Druck geraten.
Die Demonstranten wollen nicht "Corona-Leugner" genannt werden, und auch nicht "Verschwörungstheoretiker", schon gar nicht "Radikale", "Nazis" oder "Menschen, die andere gefährden wollen". Es gehe ihnen darum, offen die Meinung sagen zu dürfen. "Wir haben Angst, dass Willkür und Angst unseren Alltag bestimmen", sagt Schrepfer.
Passanten in der Altstadt fragen sich gegenseitig, was da wohl vor sich geht. Auch Jörg Ogrowsky, der sich unter anderem beim Hofer Bündnis für Toleranz engagiert und die Demo aus einiger Entfernung beobachtet, kann die Intention der Demonstranten nicht richtig einordnen: "Ich bin entsetzt", sagt er. "Zu leugnen, was auf der Welt passiert..." Die Demo reihe sich in die Querdenker-Bewegung ein. Das sei aber für ihn eigentlich "schwer einzuordnen".