Stadtsteinach Auf geheimen Pfaden durch Stadtsteinach

Klaus Klaschka

Zwei Stadtführungen der etwas anderen Art stießen am Wochenende auf reges Interesse. Die Teilnehmer erfuhren von Bränden, Kriegswirren und anderen Katastrophen.

 
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Stadtsteinach - Die Stadtsteinacher Historie hat viele Gesichter. Die auch "unters Volk" zu bringen war im vergangenen Jahr eine Initiative des Stadtsteinacher Kultur-Mannes Wolfgang Martin. Zunächst als Experiment gedacht, gab ihm der Zuspruch allerdings Recht: Zwei Führungen von Nicki Lang im vergangenen Jahr auf den mittelalterlichen Spuren der Stadt an der "Steinaha" waren ausgebucht, ebenso die Führung von Heimatpfleger Siegfried Sesselmann, der unter anderem als Experte für Schulen im Umkreis einen weiteren Akzent setzte. Ebenso ausgebucht waren die beiden Führungen am vergangenen Wochenende.

Ausgehend vom Alten Schulhaus ging es diesmal nicht links herum durch das mittelalterliche Stadtsteinach, sondern rechts herum auf geistlichen, landschaftlichen und ökonomischen Pfaden. Sobald die Einschränkungen im Zug der Corona-Pandemie aufgehoben sind, soll es im kommenden Jahr dann in den Untergrund gehen, kündigte Wolfgang Martin an - in das System der Felsenkeller unter den Häusern im Stadtzentrum, die teilweise noch exzellent erhalten sind.

Von den Häusern aus den Anfängen der Stadt rund um den zentralen Marktplatz ist allerdings so gut wie nichts mehr übrig. Sie stammen allenfalls aus dem 19. Jahrhundert. Die alten Gebäude, in der Regel aus Holz gebaut, waren zwei Stadtbränden zum Opfer gefallen: Die Seite zwischen altem und jetzigen Rathaus 1798, die gegenüberliegende Seite 1864, denn: "Feuer hat für den Menschen zwei Nachteile", resümierte Nicki Lang. "Den einen, wenn es im Haus ausgeht, kann man nicht kochen oder heizen, und den anderen, wenn es im Haus um sich greift."

Den Flammen zum Opfer gefallen war später auch die dem heiligen Michael geweihte Kirche am Rand des Marktplatzes. Das jetzige, die Stadtsilhouette prägende Gotteshaus ist erst 115 Jahre alt. Die Stadtsteinacher Kirchengeschichte reicht jedoch mindestens ins 13. Jahrhundert zurück. Die älteste Urkunde über Stadtsteinach stammt aus dem Jahre 1151, das spätestens 1328 zur Stadt erhoben worden wurde. Als erster Pfarrer wird Dekan Konrad im Jahr 1250 erwähnt, eine Pfarrkirche erstmals 1306. Sie wurde 1463 im Ersten Markgrafen-Krieg zerstört und ab 1464 als spätgotische Hallenkirche errichtet. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der in Stadtsteinach 1630 bis 1634 wütete, war auch diese Kirche eine Ruine.

1642 ließ Pfarrer Degen die Schiffsdecke reparieren, den Kirchturm ausbessern und eine neue Haube aufsetzen. In mehreren Etappen wurde das Gotteshaus weiter ausgestattet. Allerdings nicht zu dessen Vorteil und gottesdienstlichem Gebrauch tauglich. Deshalb begann man 1772 einen Neubau. Kirchturm und Chor wurden von der alten Kirche übernommen. Alles andere wurde abgerissen. Es entstand bis 1774 eine helle, freundliche Saalkirche im Rokokostil, die 128 Jahre Bestand haben sollte - bis zum 26. Februar 1903, als die Mühle am Fuß des Kirchenhügels brannte. Ein starker Wind trieb Funken und kleine Holzteile hoch in die Luft gerade auf den Kirchturm. Das Feuer verbreitete sich über die Dachsparren. Die Bürger der Stadt bemerkten zunächst nichts. Der Türmer war gerade in Kulmbach und die Feuerwehr war mit der Mühle bereits beschäftigt. Anfang 1905 war der Rohbau der jetzigen Kirche beendet. Bis 1923 etwa auch deren Ausstattung.

Während der Bauzeit diente die Marienkapelle etwas unterhalb des Pfarrhauses dem gottesdienstlichen Gebrauch. Sie ist das älteste noch bestehende Gebäude der Stadt überhaupt und wohl auch eines der ältesten Kirchen in ganz Nordbayern. Der östliche Anbau geht auf das zwölfte Jahrhundert zurück und maß mit dem Altarraum zunächst ein Drittel seiner jetzigen Größe. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente sie als Lagerraum für Möbel ausgebombter Familien und war nicht mehr nutzbar. Mauerwerk drohte abzurutschen, was durch eine Stützmauer aber verhindert werden konnte. 1974 wurde der Außenputz erneuert, 1975 wurde innen renoviert. Dabei wurden unter den vielen Farbschichten einige Fresken und Bilder gefunden, deren Restaurierung allerdings nicht mehr möglich war. Säurehaltige Überstreichungen hatten die Kunstwerke schon zu sehr angegriffen.

Nach dem kirchlichen Areal verließen die Besichtigungsgruppen den durch die Stadtmauer begrenzten inneren Kern der Stadt, um jenseits der Steinach ein Stück städtische Natur zu erleben, soweit diese noch vorhanden ist. Ein Idyll hat sich zumindest am schmalen Leitenbach noch erhalten, der urplötzlich aus dem Boden entspringt, wohl aber keine Quelle im strengen Sinn ist. Vermutlich ist die Leitenbachquelle ein Wiederaustritt der Steinach, die irgendwo teils versickert, sich unterirdisch Wege bahnt und an der "Quelle" wieder an die Oberfläche kommt. Der Bach ist von teils sehr alten Bäumen gesäumt, im Hang gibt es noch Felsenkeller. Einer von ihnen wurde erst kürzlich für Fledermäuse als Winterunterschlupf eingerichtet.

Der Weg führte die Teilnehmer der Stadtführung schließlich zur Bauernmarktscheune, in der aus historischer Sicht heute wieder Vermarktung wie in alter Zeit betrieben wird - direkt vom Hersteller. Für Stadtführer Nicki Lang war dort Gelegenheit, die einst chaotischen Handelsverhältnisse darzustellen. In den einst ungefähr 300 autonomen Teilen des fränkischen Kreises gab es unterschiedliche Währungen und Maße. So galt in Stadtsteinach ein anderes Volumen als "Maß" als in den angrenzenden Bereichen. Auch andere Längenmaße. So betrug eine "Elle" hier 67 Zentimeter, anderswo aber gut 75 Zentimeter. - Ein Thema, mit dem sich weitere Stadtführungen beschäftigen können.

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