Kulmbach Bollwerke gegen den Kommunismus

Wolfgang Schoberth

Die evangelische Kirche in der Flüchtlingssiedlung Mannsflur wurde mit Hilfsgeldern aus der amerikanischen Stiftung "Wooden Church Crusade"gefördert. Zwei junge Wissenschaftlerinnen beleuchten nun das Förderprojekt aus der Zeit des Kalten Krieges.

 
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Marktleugast - Der 7. November 1957 muss dem Stammbacher Pfarrer Klaus Diegritz als Fügung des Himmels erschienen sein: An diesem Tag flattert ihm die Zusage von "Wooden Church Crusade" ins Amt, dass er für die geplante Kirche in Mannsflur 10 000 Mark erhält. Mit der amerikanischen Spende kann er beim Landeskirchenrat der evangelischen Kirche in München punkten. Dort hat man sich seit Jahren hartnäckig geweigert, für die recht kleine Zahl der Evangelischen im Raum Marktleugast (1950 sind es 70, 1955 aber immerhin 350 Protestanten) Etatmittel in Höhe von etwa 126 000 Mark aufzubringen. Zwar verzögert man bei der Kirchenleitung das Projekt auch danach noch, indem man an den Entwürfen des Stadtsteinacher Architekten Emil Schomberg herummäkelt, doch eine erste wichtige Hürde ist mit dem Startkapital genommen. Als sich dann die evangelischen Christen in einem Kirchenbauverein zusammentun und unter nicht unerheblichen privaten Opfern 15 000 Mark zusammenbringen, muss man in München den Widerstand aufgeben.

Von Lippa organisiert Spende

Die Beschaffung der Spende ist Graf von Lippa-Sauerma zu verdanken, der bei Baron Henning von Royk-Lewinski vorgesprochen hat. Der Baron, ein ehemaliger Marineoffizier, Neffe des früheren Reichspräsidenten von Hindenburg, ist eine wichtige Figur. 1945 verließ er Deutschland und zog in die USA. Vor dem Hintergrund des aggressiven und expandierenden Sowjetkommunismus in Europa, speziell an der innerdeutschen Grenze, fasste er 1950 den Plan, die überkonfessionelle Spendenorganisation "Wooden Church Crusade" (Kreuzzug für Kirchen aus Holz) ins Leben zu rufen.

Ihr Ziel ist es, entlang des Eisernen Vorhangs "einen geistigen Schutzwall gegen den Kommunismus" zu errichten. Er stellte sich schlichte Holzkirchen vor, die in den Zonenrandgebieten entlang des Eisernen Vorhangs errichtet werden sollten, 48 an der Zahl, jede Kirche solle einen der US Bundesstaaten repräsentieren. Lewinski möchte damit die Verbundenheit der USA mit dem geteilten Deutschland zum Ausdruck bringen. Die Kirchen sollen ein sichtbarer Ausdruck dafür sein, dass Menschen frei zusammenkommen und ihren Glauben leben können.

Die Spendenbereitschaft der Amerikaner ist in den frühen 1950er-Jahren enorm. Der kalte Krieg zwischen West und Ost, der jederzeit in einen heißen umschlagen kann, ist vor aller Augen. Der berüchtigte Senator McCarthy, ein gläubiger Katholik, heizt in den USA die antikommunistische Stimmung bis zur Hysterie an.

Die Spenden sprudeln, Lewinski kann innerhalb kurzer Zeit 400 000 Dollar einsammeln. Mit dem bundesdeutschen Wirtschaftswunder Mitte der Fünfzigerjahre schwächt sich die Spendenbereitschaft ab, mit der Folge, dass die Fördermittel von "Wooden Church Crusade" für die einzelnen Kirchen geringer ausfallen.

Schlichte Modernität

Von der ursprünglichen Idee wirklicher "Holzkirchen" rücken Lewinski und seine Vorstandskollegen bald ab. Doch einfache, bescheidene Kirchen sollen es sein, die von der Stiftung getragen werden.

Bei seiner Unterredung mit Baron Lewinski dürfte es Graf Lippa leicht gehabt haben, nicht nur wegen der Adelsverbundenheit: Die Siedlung Mannsflur, wie sie sich 1957 präsentiert, ist ein Beispiel für einfache, doch formschöne Häuser, die den Flüchtlingen und Vertrieben eine neue Heimat bieten. Die von Pfarrer Diegritz und vielen Gläubigen ersehnte Kirche soll dazu passen. Der Architekt Schomberg möchte, in Anlehnung an den Stall Bethlehem und als Reflex auf die Nachkriegsbescheidenheit, eine "schlichte Stätte" bauen mit karger Innenausstattung.

Auch wegen der Unterstützung von "Wooden Church Crusade" ist es dann am 2. Advent 1960 soweit: die heutige "Bethlehemkirche" kann eingeweiht werden.

Forschungsprojekt der Uni

Doch wie viele der 49 ursprünglich geplanten Kirchen sind wirklich im ehemaligen Zonenrandgebiet errichtet worden, in welchem baulichen Zustand befinden sie sich? Ein wissenschaftlich bisher völlig unerforschtes Terrain. Es gibt nur ungenaue Lageskizzen, die eine Linie von Neugablonz im Süden über Bayrischzell, Mais, Stammbach, Tettau, Wildenheid bei Coburg ("Friedenskirche", 1955), Salzgitter bis nach Schleswig-Holstein beschreiben (siehe unten).

Für die beiden Studentinnen Anastasia Bauch und Tamara Winkhardt-Möglich ist dies eine spannende Herausforderung. Im Rahmen einer Masterarbeit in Denkmalkunde an der Universität Bamberg sind sie seit Monaten dabei, die Orte aufzuspüren und zu dokumentieren. Dabei sind sie auch auf die Kirche von Mannsflur gestoßen. Nach ihren bisherigen Recherchen seien 28 der 48 vorgesehenen Kirchen wirklich errichtet worden, wobei der Anteil der evangelischen Gotteshäuser überwiege. "Die Stiftung hat niemals versucht, auf die Architektur oder die Innenausstattung geschmacklichen oder stilprägenden Einfluss zu nehmen", so Winkhardt-Möglich, "sodass die Baustile völlig unterschiedlich sind, doch eine erkennbare Bescheidenheit verbindet alle." Vor den Studentinnen liegt noch viel Arbeit, denn bis zum Frühjahr nächsten Jahres soll die umfangreiche Dokumentation abgeschlossen sein. Pfarrerin Susanne Sahlmann ist von dem Projekt begeistert.

Sie hat die beiden jungen Wissenschaftlerinnen schon eingeladen, die Ergebnisse ihrer Arbeit in der Gemeinde vorzustellen.

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