Kulmbach Demut vor der Schöpfung lernen

Klaus Klaschka

In einem Buch zu Corona entwirft Songpoet Andy Lang die Vision, dass die Krise die Welt positiv verändern könnte. Bei dessen Vorstellung in Kulmbach gibt es aber auch noch andere Erfahrungsberichte.

 
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Kulmbach - Auch die Corona-Krise ist eine Krise wie jede andere, die es an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten immer und überall gibt - nur, dass "Corona" nicht nur zur gleichen Zeit weltumspannend auftritt, sondern uns auch ganz persönlich und hautnah betrifft. Krisen verändern; das ist ein ganz normaler Vorgang. Nach einer Krise ist die Welt beziehungsweise die Sicht auf die Welt eine andere, sofern man nach der Krise nicht genauso weiterfährt wie zuvor. Die "Krise als Chance" zu begreifen, dafür plädiert der Pfarrer und Songpoet Andy Lang in seinem neuen Buch mit diesem Titel, das er in einer Veranstaltung des Evangelischen Bildungswerks Oberfranken-Mitte in der Petrikirche vorstellte.

Bezugsquelle

Das Buch von Andy Lang ist über seine hompage andy-lang.de

erhältlich.


Wobei es nur beiläufig um das Buch ging, sondern vielmehr darum, ob und wie die augenblickliche Corona-Pandemie das bislang Gewohnte beeinflusst und verändert hat. Davon berichteten aus ihrem jeweiligen Wirkungskreis die Leiterin des Caspar-Vischer-Gymnasiums, Ulrike Endres, der Internist und Hygieniker im Klinikum Kulmbach, Dr. Thomas Banse, sowie der Bauingenieur und Kommunalpolitiker Ralf Hartnack in der ersten wieder öffentlichen Veranstaltung des Bildungswerk, dessen Arbeit seit März ebenfalls eingeschränkt ist, wie dessen Leiter Jürgen Wolf andeutete.

Des Künstlers finanzielles Leid: Für Andy Lang als Veranstalter in seiner Konzertscheune in Gefrees kam der "Lockdown" schlagartig mit seiner Rückreise aus Irland, berichtete er. Zwei zur St.-Patricks-Veranstaltung angereiste Künstler mussten zurückreisen; Musiker, mit denen er normalerweise zusammenarbeitet, haben in diesem Jahr allenfalls nur ein Zehntel ihrer geplanten Engagements. Für ihn selbst begann eine Zeit der Retrospektive, in der das Buch entstand, in dem es nicht um "Corona" geht, sondern um das Andere oder Neue, das sich in dieser veränderten Zeit ergibt. Denn aus dem Bisherigen entwickeln sich veränderte Dinge und Verhältnisse. An ein immer gleichbleibendes Dogma zu glauben treffe nicht die Wirklichkeit.

Entspannter, angstfreier, liebevoller? Andy Langs Credo: Im Augenblick gingen wir durch ungewisse und schwere Zeiten. Viele von uns werden Vieles verlieren - Sicherheiten, Einkommen, gewohnte Abläufe, Normalität, kleinen und großen Luxus. Aber wenn wir in einem Jahr zurückblicken, werden wir sehen, was wir alles gewonnen haben und sagen: "Es musste so sein!" Vielleicht sogar: "Wie gut, dass es so kam!" Und wenn wir dann solidarischer, nachhaltiger, entspannter und angstfreier miteinander umgehen, werden wir ahnen: So könnte unser Zusammensein viel besser, liebevoller und schöner sein: Gemeinschaft statt Gewinn, Gastfreundschaft statt Ausschluss, Demut statt Durchsetzungswillen, Freundlichkeit statt Ungleichheit, lustvoller Verzicht statt Konsumwahn, Bereitschaft zur Verletzlichkeit und damit Schönheit statt Egotrips und Selbstherrlichkeit.

Eine Zeit der Träume und der Stille: Die alte Welt ist nach Worten Andy Langs vergangen. Das Neue ist noch nicht da, aber es formt sich bereits. In dieser Zwischenzeit müssen wir lernen, zu vertrauen und die Kräfte unserer Herzen und Köpfe zu verbinden. Jetzt ist die Traumzeit, die Visionssuche, die große Stille, aus der Neues entstehen kann. Nun sei die Zeit, gewohnte Pfade zu überdenken. Es sei nun Zeit für Großzügigkeit. "Wir sind ein Leben, das leben will, mitten in anderen Leben, das leben will." Und dazu ist Demut hilfreich, denn wir seien nicht Herren der Welt, sondern nur ein Teil der "Sinfonie der Schöpfung".

Entdecken, dass Schule mehr ist als nur Lernen: Ulrike Endres, die als Leiterin des CVG früh mit dem Virus umzugehen hatte, erzählte von Erfahrungen ihrer Schüler, die im Distanzunterricht wahrnahmen, dass es in der Schule nicht nur Lernen als Speichern von Wissen geht, sondern auch um die Begegnung miteinander, um Gemeinschaft. "Schön" habe ein Kind gesagt, als man wieder im Schulhaus zusammenkommen konnte. Aber auch, dass der zurzeit vorgegebene physische Abstand nicht persönlicher Abstand bedeute. Dass man in der Krise darüber nachdenken müsse, neue Wege zu finden und auch neue Wege wagen sollte, ohne das Ziel zu kennen. Dass es nicht nur um Anerkennung, um Sammeln von "Likes", gehe, sondern auch darum, seine Talente als Auftrag zu verstehen. - Im übrigen hätten sich während der Pandemie erheblich mehr Schüler dafür interessiert, nebenbei Sanitäter zu werden.

Wie der Kulmbacher Mediziner mit der Pandemie umgeht: Dr. Thomas Banse blickte zurück, dass alle Maßnahmen ab Beginn der Krise "es wert gewesen" seien, sie zu veranlassen. Auch wenn man inzwischen dazugelernt habe und jetzt gezielter vorgehe. Die Klinikstruktur sei inzwischen dementsprechend verändert worden. Das Virus habe Kulmbach zwar "nicht voll getroffen" - 320 Fälle im Landkreis, davon 90 Prozent mit harmlosem Verlauf; aber elf Tote. Und es gab eben auch schwere Verläufe. Manche Patienten kamen mit leichten Symptomen, waren aber nach einer bis zwei Stunden schon beatmungspflichtig. Die Intensivstation war im April voll. "Normale" stationäre Behandlungen wurden reduziert und zeitlich verschoben. "Anfangs durften Patienten nicht kommen, später trauten sie sich nicht, ins Krankenhaus zu gehen." Seine Arbeit als Chirurg war plötzlich reduziert, als er sich vornehmlich um die Hygiene im Haus zu kümmern hatte. Coronaviren, so Banse, gibt es schon länger, auch lokal beschränkte Epidemien. Und sie werden auch weiterhin auftreten. So war die Einschätzung des aktuell akuten Virus auch im Klinikum unterschiedlich - von einem Grippe-Vergleich bis zur bedrohlichen Auswirkung.

Überhaupt, resümierte Banse, habe sich der Umgang miteinander im Haus geändert. Die Wertschätzung für die Pflege- und Rettungsberufe sei gestiegen. Probleme und Defizite in diesem Bereich seien in der Pandemie verstärkt klar geworden.

Die Herausforderungen für die Kommunalpolitik: Ralf Hartnack dachte im Lockdown zunächst an "eine kurze Zeit der Pause", was sich im Baugewerbe aber als Illusion erwies; dort ging es fast unvermindert weiter. In seinem persönlichen Umfeld habe er Angst erlebt und Hoffnungen darauf, bald wieder besucht zu werden. Überhaupt musste das persönliche Umfeld anders gestaltet werden als zuvor. Auf politischem Gebiet kam der Lockdown unpassend zur Kommunalwahl. Diese entsprechend zu organisieren war eine Aufgabe, für die man keine Erfahrungen hatte. Die Sitzungen finden nun nicht im kleinen Sitzungssaal statt, sondern in der Dr.-Stammberger-Halle. Ob man sich daran gewöhnen könne? Generell nehme er im politischen Handeln allerdings eine Veränderung wahr: "Es gibt mehr Miteinander als Gegen- oder Nebeneinander. Projekte funktionieren wieder besser miteinander. Um die beste Sache wird weiter gestritten, aber nicht mehr persönlich gegeneinander."

"Krise ist die Zeit der Exekutive", stellte Hartnack mit Blick auf die Politik fest. Im Augenblick scheine man sich mehr um regionales Handeln zu kümmern - nicht nur wirtschaftlich sondern auch gesellschaftlich; der Nachbar komme wieder stärker ins Blickfeld.

Die Kirche wird kreativ: Auch für die Kirche hat "Corona" einiges verändert. Das war aus Bemerkungen aus dem Zuhörerkreis zum Abschluss der Veranstaltung zu hören. Sie habe die Kirche lebendig-kreativer erlebt, sagte Christina Flauder. Zusammenkünfte draußen und über Videos hätten das kirchliche Leben bereichert - ein Umstand, den Dekanatsjugendreferent Stefan Ludwig auch nach der Krise so weitergeführt wissen will, denn die Krise sei für die Kirche die Chance zu medialer Kompetenz geworden.

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