Kulmbach Leben retten ist ganz einfach

Von

Am Aktionstag gegen Leukämie spenden viele Himmelkroner Blut. Nur wenige lassen sich als Stammzellenspender typisieren. Manch einer will, aber darf nicht.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Himmelkron - Teddybären, Nudelhölzer, Zahnpasta-Tuben liegen als Geschenke auf dem Tisch. Es ist Mittwoch, dreiviertel fünf am Nachmittag. Im Sportheim des TSV Himmelkron decken ehrenamtliche Helfer der Wasserwacht die Nebentische mit Besteck und Geschirr. Es riecht nach Kaffee und Kuchen. Halbe Brotscheiben mit Obatzter auf Tellern, verzehrfertig. Nebenan in der Turnhalle stehen acht Liegen, die eher eine Zahnarztatmosphäre als ein Strandgefühl vermitteln. Unzählige Ampullen und Beutel, ein Laptop. Frauen und Männer, ganz in Weiß, sind bereit, Rot zu sehen. Um 17 Uhr beginnt die Blutspende.

Viermal im Jahr kommt der Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) mit seinen Mitarbeitern in die Klostergemeinde. Heute ist aber kein gewöhnlicher Blutspendetag. Heute heißt es: "Bayern gegen Leukämie". Die Stiftung Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB) und das BRK möchten die Bürger dazu bewegen, sich als potenzieller Stammzellenspender in der zentralen Knochenmarkspendedatei registrieren zu lassen. "Neben Himmelkron gibt es heute am Aktionstag bayernweit 18 weitere Standorte, an denen eine Typisierung möglich ist", sagt Cornelia Kellermann, die Aktionsorganisatorin des AKB. "Weltweit warten rund ein Fünftel aller an Leukämie Erkrankten vergeblich auf eine Spende." Daher brauche es Menschen, die helfen und sich registrieren lassen. Das könne jeder ganz einfach tun, so auch beim Blutspendetermin in Himmelkron.

"Jeder Person entnehmen wir bei der Blutspende einen halben Liter Blut, das in einen Beutel fließt. Für unsere Untersuchungen entnehmen wir zusätzlich vier kleine Ampullen. Das ist die reguläre Blutspende. Wenn sich jemand als Knochenmarkspender typisieren lassen möchte, nehmen wir einfach noch ein zusätzliches Röhrchen mit etwa sechs Millilitern ab", erklärt Erika Hinz, die Teamleiterin des BRK-Blutspendedienstes in der Himmelkroner Turnhalle. Eine Typisierung sei nicht nur am heutigen Tag möglich, sondern generell bei jedem Blutspendetermin. "Die meisten Leute spenden allerdings ganz gewöhnlich ihren halben Liter Blut. Nur vereinzelt lassen sich Menschen typisieren." Das hängt laut Erika Hinz auch damit zusammen, dass eine einmalige Registrierung ausreicht und viele Blutspender bereits in der Knochenmarkspendedatei stehen.

Einer davon ist Dominik Schoberth aus Penzberg. Er hat sich bereits in München in seiner ehemaligen Schule typisieren lassen. "Ein 17-jähriger Mitschüler ist an Leukämie erkrankt. Da gab es bei uns an der Schule eine Charity-Aktion. Nicht nur ich, auch viele meiner Mitschüler haben sich dort registrieren lassen." Ob er Bedenken vor einem operativen Eingriff bei der Spende habe? Der 31-Jährige, der in Himmelkron aufwuchs, ist dabei selbstlos: "Wenn es um ein Menschenleben geht, muss man halt auch mal in einen sauren Apfel beißen." Andere Himmelkroner schauen da mehr auf sich selbst und möchten sich daher heute nicht registrieren lassen. Laut AKB ist es eher selten, dass für eine Spende Blutstammzellen operativ aus dem Beckenkamm entnommen werden. In 70 Prozent der Spenden gewinnen die Ärzte die notwendigen Stammzellen aus dem Blut. Eine Operation ist dann nicht notwendig. Als Knochenmarkspender registrieren lassen möchte sich heute Roland Koska. Bereits seit etwa 20 Jahren spendet er regelmäßig sein Blut. Der Rosengartener ist von der Idee begeistert, eventuell Leukämiepatienten helfen zu können. "Vielleicht brauche ich ja irgendwann auch mal selbst eine Spende." Als der 53-Jährige auf der Liege Platz genommen hat, um sein Blut abzapfen zu lassen, sagt er ernüchtert: "Die Dame vom BRK, die vor der Spende meine Daten aufgenommen hat, meinte, ich sei zu alt für eine Registrierung." Für eine Aufnahme in die deutsche Knochenmarkspendedatei gilt es, bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Nach Angaben des AKB muss ein möglicher Spender zwischen 18 und 45 Jahren alt sein. Auch eine Krebserkrankung ist ein Ausschlussgrund. Roland Koska nimmt es aber gelassen und freut sich, dass er zumindest wie gewohnt sein Blut spenden darf.

Mehr Glück hat Jens Allstädt. Mit 39 Jahren und einer guten körperlichen Verfassung kommt er als ein möglicher Knochenmarkspender in Frage. "Ich habe in den Medien schon öfter von einer Registrierung gehört. Vor allem bei leukämiekranken Kindern wird das publik." Heute lässt sich der Himmelkroner zusätzliche sechs Milliliter Blut abnehmen, das anschließend in ein Labor ver-sendet wird. Dort werden die Mitarbeiter die Gewebemerkmale bestimmen.

Danach werden Jens Allstädts Blutdaten in der deutschen Knochenmarkspendedatei stehen und er wird als potentieller Spender in Frage kommen. "Wenn ich jemandem helfen kann, der vielleicht bereits seit Jahren nach einem Spender sucht, mache ich das gerne." Leukämie ist für den 39-Jährigen keine abstrakte Krankheit: "Die Tochter meines Arbeitskollegen ist an Blutkrebs gestorben."

Ein alter Hase im Blutspenden ist Walther Kaupper. Bereits zum fünfundneunzigsten Mal lässt er sich für die gute Sache piksen. "Ich bin mit meinen 71 Jahren leider zu alt für eine Knochenmarkspende. Ich empfehle aber allen Jungen: Lasst euch registrieren. Leukämie ist beherrschbar, wenn es genügend Knochenmarkspenden gibt." Auch der Arzt im Blutspendedienst, Dr. Rolf-Dieter Becker, sieht das so. "In vielen Fällen ist die Spende eine lebensrettende Maßnahme. Wir brauchen aber einen großen Pool an potenziellen Spendern." Auch wenn bereits viele Menschen in der Datei stehen, in Himmelkron haben sich bis 20 Uhr laut Erika Hinz von 87 Blutspendern lediglich drei als Knochenmarkspender typisieren lassen. Aus dem Mund der gelernten Krankenschwester klingt das aber nicht wie Kritik. Das BRK ist für alle Blutspender dankbar.

Die sammeln sich nach dem Aderlass im Sportheim an den Tischen und tanken wieder Energie. Das engagierte Helferteam um Karlheinz Völkel von der Wasserwacht Himmelkron bietet allen Menschen mit Druckverband Kaffee, Kuchen oder sogar warme Wienerla. Nach dem Essen darf sich dann jeder vor einen Tisch stellen und überlegen, ob er nun eine Zahnpasta-Tube, ein Nudelholz oder doch lieber einen Teddybären mit nach Hause nimmt.

Wenn es um ein Menschenleben geht, muss man halt auch mal in einen sauren Apfel beißen.

Dominik Schoberth, Blutspender

Wie kann ich helfen?

Jährlich erkranken in Deutschland etwa 11000 Kinder und Erwachsene an Leukämie (Blutkrebs) oder einer anderen bösartigen Bluterkrankung. Für viele Betroffene ist eine Knochenmark- beziehungsweise Blutstammzellenspende die einzige Möglichkeit, die Krankheit zu überwinden.

Grundsätzlich kann sich jeder als Spender registrieren lassen, der zwischen 17 und 45 Jahren alt ist, mindestens 50 Kilogramm wiegt und gesund ist.

Eine Typisierung ist bei jedem Blutspendetermin möglich. Dabei wird lediglich ein zusätzliches Blutröhrchen mit etwa sechs Millilitern Blut abgenommen. Auch über den Hausarzt kann man sich registrieren lassen. Selbst eine Registrierung von zu Hause aus ist möglich. Interessierte können bei der Stiftung Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB) ein Registrierungsset anfordern. Mit einem Wattestäbchen nimmt man einen Abstrich von der Wangenschleimhaut und schickt die Probe zurück an die AKB. Die Gewebemerkmale werden analysiert und im zentralen Knochenmarkspende-Register aufgenommen. Fortan steht man als potentieller Spender zur Verfügung und kann somit Leben retten.

Weitere Informationen: www.akb.de www.dkms.de

Autor

Bilder