Ludwig wollte diesen Krieg nicht. Er hat alles versucht Bayern aus dem Konflikt herauszuhalten, doch Österreich pochte auf die vereinbarte Bündnispflicht und der bayerische Landtag stimmte mit großer Mehrheit für eine Beteiligung. So sieht sich der König gezwungen, den Mobilmachungsbefehl zu unterzeichnen. "Die Niederlage Bayerns und die Gebietsverluste empfindet Ludwig als persönliche Demütigung", urteilt der Marktschorgaster Experte Rudolf Kurz. "Schönheit, Kultur und Frieden wollte er seinem Volk geben. Doch durch die Ereignisse sieht er sich überrumpelt und zum Schattenkönig degradiert." Nach der Niederlage sperrte sich Ludwig lange Zeit, dem Kalkül der Diplomaten nachzugeben und Franken zu besuchen. Erst als Richard Wagner, sein "einziger und glücklicher Freund", wie er ihn nennt, an ihn appelliert, gibt er nach. Rudolf Kurz: "Die Reise hat eine enorme politische Bedeutung. Ludwig kommt seinen Untertanen so nahe wie sonst nie mehr während seiner Regentschaft."
Bayreuth jubelt,
Marktschorgast trauert
Nach der Anreise von München über Regensburg und Weiden ist Bayreuth am 10. November 1866 die erste Station, in der er für drei Tage Quartier nimmt. Und in Bayreuth macht er erstmals die Erfahrung, dass ihm nicht, wie von der Münchner Regierung befürchtet, Schmährufe entgegenschlagen, sondern nur Jubel. Trotz des strömenden Regens säumen bei seiner Ankunft am Abend Tausende die Straßen und brechen in "Hurra, Hurra" aus, wenn er in seiner Kutsche auf dem mit Fackeln illuminierten Weg zum Neuen Schloss vorbeifährt. In den Tagen danach erwartet ihn ein Mammutprogramm: Er lädt zu Empfängen, tanzt auf einem Ball, besucht das Markgräfliche Opernhaus, das Schloss Fantasie, die Eremitage und ein Offiziersbankett des in Bayreuth stationierten 7. Infanterie- und 6. Chevauxlegers-Regiments. Am 13. November geht’s weiter nach Neuenmarkt, um danach über die Schiefe Ebene nach Hof zu fahren. In Neuenmarkt ist, wie später in Marktschorgast, ein längerer technischer Halt erforderlich: die Lok mit dem Namen "Tristan" muss Wasser fassen, Kohlen aufnehmen, die Schiebelok muss an- ,später abgekoppelt werden. Doch obwohl Stadtverordnete, Schulklassen und Vereine am Bahnhof stehen, zeigt sich Ludwig nicht mal am Fester, geschweige denn auf dem Bahnsteig.
Todesmutiger Bürgermeister
So fügsam wie seine Kollegen in den Nachbarorten ist der Münchberger Bürgermeister Georg Stöckel nicht. Weil kein Stopp des Königszugs in der Pulschnitzstadt vorgesehen ist, sieht er die Ehre seiner Stadt verletzt. Schon im Vorfeld beschwert er sich bei der Obrigkeit: "Dies ist ein eklatanter Fall des Überfahrenwerdens", schreibt er an das Bezirksamt. Als er abgeschmettert wird, fordert er alle Münchberger auf, sich am fahnengeschmückten Bahnhof einzufinden. Er selbst erscheint in Frack und Zylinder, Amtskette und Ordensschmuck und legt sich, als der Königszug endlich in Sichtweite ist, zu allem entschlossen auf die Schienen. Der Zug ist zu einer Notbremsung gezwungen. Ludwig lässt sich von seinem Flügeladjutanten Fürst Thurn und Taxis über den Vorfall informieren. Danach tritt er ans Fenster und beruhigt den erregten Bürgermeister. In seinen Redeschwall hinein sagt der König ihm 1000 Gulden für die Armen und Kranken der Stadt zu. Mehr noch: Er verspricht ihm, bei der Rückfahrt von Hof in Münchberg etwas länger Station zu machen. Dies geschieht auch: Seine Majestät nimmt am Bahnsteig die Huldigungen der Bürgerschaft entgegen und bewundert die im Schneetreiben ausharrenden Festjungfrauen in ihren weißblauen Kleidchen.
An Kulmbach vorbeigetuckelt
Zwei Stunden später, am frühen Nachmittag des 14. November, tuckert der Prunkzug nach Kulmbach. Die allerhöchste Herrschaft erfährt auch hier allerhöchste Aufmerksamkeit: Der Bahnhof ist beflaggt, das Eisenbahnpersonal hat sich feiertäglich herausgeputzt. Auf dem Bahnsteig haben sich Bürgermeister Carl Rosenkrantz, der Stadtmagistrat und zahlreiche Honoratioren eingefunden. Schulklassen stehen Spalier, Fahnenabordnungen und Blaskapellen sind angetreten. Dazu Hunderte von Neugierigen, die den König sehen und ihm zujubeln wollen. Vermutlich haben viele die stille Hoffnung gehabt, dass der Zug doch einen kurzen Halt einlegt und der König sich den Kulmbachern zeigt, die in ihrer Ehrerbietung gegenüber dem Haus Wittelsbach kaum zu übertreffen sind. Nichts passiert. Ludwig bleibt im goldprunkenden Salonwagen und tritt nicht ans Fenster. Der Stationsvorsteher in Galauniform und Glacéhandschuhen salutiert, als der Zug langsam durch den Bahnhof rollt, nochmals pfeift, und in Richtung Lichtenfels weiterfährt.
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Nächste Folge: Richard Wagner -
Ludwigs ewiger Geliebter