Kulmbach "Niemand ist Hellseher"

Zahlreiche Projekte liegen bei Marc Benker auf dem Tisch. Doch der neue Marktschorgaster Bürgermeister muss wie alle seine Kollegen sparsam sein. Die Gewerbesteuer in der Gemeinde ist durch die Corona-Krise merklich eingebrochen. Foto: Melitta Burger

Marc Benker hat lang um das Bürgermeisteramt in Marktschorgast gekämpft. Jetzt muss er sehen, wie er seine Ideen trotz Geldnot umsetzen kann. Im Interview verrät er seine Pläne.

 
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Herr Benker, dreimal sind Sie angetreten. Sie haben sehr um ihr Amt gekämpft. Im dritten Anlauf hat es mit einem hohen Ergebnis geklappt. Ist die Wahl für Sie so ausgefallen wie erhofft?

Zur Person

Marc Benker (CSU) ist 43 Jahre alt und Polizeibeamter bei der Inspektion Bayreuth-Stadt. Der neue Marktschorgaster Bürgermeister ist geschieden und hat zwei Kinder. Benker hat drei Anläufe gebraucht, bis er es auf den Chefsessel im Rathaus geschafft hat. Zweimal zuvor war er gegen Hans Tischhöfer (Freie Wähler) gescheitert. 2008 war Benker mit 47 Prozent der Stimmen unterlegen, 2014 war das Ergebnis mit 49 Prozent für Benker noch knapper. Als Hans Tischhöfer im März dieses Jahres nicht mehr angetreten war, holte Benker gegen Dieter Zeidler von der SPD 72 Prozent der Stimmen und gewann das Amt.


Gewünscht hatte ich es mir natürlich. Aber dass das Ergebnis so ausfällt, hätte ich mich nie zu träumen gewagt. Wenn ich die vorherigen Wahlkämpfe gesehen habe, die ja bei uns immer sehr intensiv geführt wurden, war es diesmal wirklich sehr ruhig und sachlich. Dass es so deutlich ausfallen würde, haben mir zwar viele Menschen im Vorfeld immer wieder gesagt. Ich selbst habe es aber etwas anders eingeschätzt.

Sie sind seit längerer Zeit im Gemeinderat, waren zweiter Bürgermeister und haben engagiert Politik gemacht, Forderungen erhoben und Kritik geübt. Jetzt können Sie zur Tat schreiten. Was steht ganz oben auf Ihrer Liste?

Etliche Themen sind ein Stück weit vorgegeben aus der langen Arbeit, die wir in den Jahren zuvor schon gemacht haben. Da habe ich auch engagiert mitgewirkt, manchmal durchaus auch kritisch. Das stimmt. Großes Thema ist für uns derzeit die Frage der Umsetzung des Gewerbegebiets an der A 9. Das steht auch bei uns im Rathaus gerade im Mittelpunkt. Das wollen wir auf den Weg bringen. Bereits seit Mitte der 1990-er Jahre haben wir begonnen, das Projekt zu planen. Es gab immer wieder Unterbrechungen, dann ging es neu weiter. Aber jetzt gibt es auch konkrete Interessenten. Wir sind dran und versuchen, alles möglich zu machen. Natürlich ist das für eine kleine Gemeinde wie wir es sind, ein Riesenbrocken. Da müssen wir schauen, dass wir es einerseits finanziell schultern können, auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig für uns. Können wir es schaffen oder nicht? Das ist so etwas wie ein Fingerzeig und entscheidet mit, wie sich unsere Dorfgemeinschaft weiterentwickelt.

Sie haben eben auch die bereits begonnenen Projekte erwähnt. Worum handelt es sich da?

Da denke ich an die barrierefreie Umgestaltung unseres Marktplatzes. Wir haben viele Projekte im Rahmen unseres ISEK-Programms angestoßen. Da geht es auch um die Umgestaltung unseres Stöckleins-Teichs. Das soll maßvoll erfolgen, weil es dort schon sehr schön ist. Aber trotzdem gibt es gewisse Dinge, die man noch verbessern kann. Dann haben wir die Wasserleitung zum Gewerbegebiet. Nicht für die neuen Betriebe, sondern für die, die dort schon sind. Da haben wir gemerkt, dass wir manchmal an Grenzen stoßen. Deswegen müssen wir einen zusätzlichen Bypass setzen. Das sind Ausgaben von etwa einer Million Euro. Das ist gerade in der jetzigen Zeit schwierig.

Knüpfen wir da an: Wie geht es einem, der endlich Bürgermeister geworden ist, vor Ideen sprüht und infolge der Corona-Krise auf demnächst womöglich vollständig leere Kassen blickt?

Das ist schon ein Stück weit bitter. Wir haben uns alle bis zur Wahl am 15. März mit unseren Ideen den Leuten präsentiert. Natürlich möchte, man, wenn man es nach so langer Zeit geschafft hat, auch in die Umsetzung gehen. Schon der erste Haushalt war alles andere als einfach. Unsere Gewerbesteuereinnahmen sind von knapp 1,1 Millionen Euro in 2019 auf geschätzte 550 000 Euro in diesem Jahr eingebrochen. Wir haben einen Riesenverlust. Da mussten wir dieses Jahr auf die Bremse treten und können nur das notwendigste machen. Ein Überschuss aus dem letzten Jahr ermöglicht es uns jetzt, noch einmal kräftig zu investieren.

Wie wird das künftig sein?

Für die nächsten Jahre ist niemand der Hellseher. Wir versuchen, weiter unsere Projekte zu planen. Dann müssen wir sehen, wie sich das weiterentwickelt. Aber die Ideen sind da, zum Teil sind auch schon Planungen angestellt. Jetzt müssen wir schauen, wie es weitergeht.

Wenn Sie sich, ohne auf Kosten achten zu müssen, etwas für Ihre Gemeinde wünschen dürften: Was würden sie tun?

Ein Projekt wäre für mich eine Herzenssache: Um uns herum sind schon Senioreneinrichtungen und es gibt einen Notstand im Bereich des Pflegepersonals. Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich eine Senioren-Tageseinrichtung mit angegliedertem Wohnheim realisieren und die nötigen ausgebildeten Leute zur Verfügung haben. Aber das ist momentan leider nicht realistisch. Wir versuchen, das Thema weiterzuverfolgen, aber da müssen wir noch einige dicke Bretter bohren. Dessen sind wir uns alle bewusst.

Sie sind Bürgermeister im Ehrenamt und arbeiten weiterhin, wenn auch in Teilzeit, als Polizist in Bayreuth. Wie teilen Sie sich denn Ihre Zeit auf?

Ich arbeite noch mit 30 Wochenstunden als Polizist. Das lässt sich gut vereinbaren. Seit 1. März war ich im Tagdienst und habe von Montag bis Freitag morgens sechs Stunden gearbeitet. Meine Führung hat es mir auch ermöglicht, mal zu frei zum machen, wenn unaufschiebbare Termine im Rathaus waren. Ab 1. September wechsele ich in den Schichtdienst. Dann habe ich alle vier Tage eine Früh- und eine Nachtschicht. Zwischen diesen zwei Tagen habe ich immer zweieinhalb Tage komplett fürs Amt. Das ist dann schon eine gute Basis, mit der ich arbeiten kann.

Wie weit liegen die Tätigkeiten bei der Polizei und im Rathaus auseinander?

Es ist gar nicht so sehr unterschiedlich. Im Gegenteil, das ist vergleichbar. Egal ob beim Polizisten oder beim Bürgermeister: Wenn jemand kommt, erwarten die Leute Unterstützung, Hilfe oder eine Entscheidung. Die Herangehensweise ist immer gleich: Man versucht, sich das Problem anzuhören, Lösungen zu finden und dann zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.

Wie kommen Sie mit Ihrem Team im Rathaus zurecht?

Ich habe eine tolle Verwaltung vorgefunden, die mich unterstützt und die richtig gute Arbeit leistet. Dafür bin ich dankbar. Auch mit unserem Bauhof gibt es eine gute Zusammenarbeit. Mein Vorgänger im Amt des Bürgermeisters, Hans Tischhöfer, ist ja der Chef des Bauhofs. Auch dort klappt die Zusammenarbeit reibungslos. Als Team zu arbeiten, ist für mich enorm wichtig. Ich sehe mich als Teil eines Teams und pflege einen kooperativen Führungsstil. Mir ist die Meinung der Mitarbeiter wichtig, ich beziehe sie auch immer mit ein.

Ist das eine Marktschorgaster Spezialität, dass der ehemalige Bürgermeister und sein mehrmaliger Herausforderer nun im Bereich des Bauhofs unter unterschiedlicher Verantwortung zusammenarbeiten?

Ich denke, das war schon eine Spezialität, als Hans Tischhöfer gewählt geworden ist. Das hat es in Bayern noch nicht so oft gegeben, dass ein führender Gemeinde-Mitarbeiter gleichzeitig auch Bürgermeister ist. Jetzt ist es wieder eine Spezialität, dass der ehemalige Bürgermeister trotzdem noch weiter mit im Haus ist. Wir kommen gut miteinander aus. Das hat manchmal vielleicht in der Öffentlichkeit anders gewirkt als es tatsächlich gewesen ist. Wir haben uns zuweilen in der Sache hart gestritten, aber persönlich haben wir uns immer gut verstanden. Das trägt auch jetzt. Hans Tischhöfer unterstützt mich mit seinem Wissen hervorragend.

Wenn man Sie jetzt so hört, kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass Sie sich in den vergangenen Jahren sehr verändert haben. Sind Ihre "Sturm- und Drang-Jahre" vorbei?

In jedem Fall. Da gab es einige Ereignisse in meinem Leben, die mich zum Nachdenken angeregt haben, sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich. Sicherlich habe ich nicht immer alles richtig gemacht. Ich habe auch Fehler begangen. Aber ich denke, Fehler darf man machen, wenn man die richtigen Schlüsse zieht. Von daher hat sich dieser Marc Benker schon gewandelt. Der von 2014 ist nicht mehr der von 2020. Und das ist ganz gut so. Ich denke, die Leute haben mir diese Veränderung auch abgenommen. Das Gespräch führte Melitta Burger

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