Muckenreuth Otto Reutter im Stakkato

Horst Wunner
Jan Burdinski in einer anspruchsvollen Solorolle. Foto: Horst Wunner

Jan Burdinski bietet dem Publikum in Muckenreuth einen wunderbaren Abend. Er nimmt es mit in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.

 
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Muckenreuth - Der Mann hat Format, Esprit, Ausstrahlung und ein fabelhaftes Gedächtnis. Wie sonst hätte Jan Burdinski in knapp zwei Stunden aus dem Stegreif einen Otto- Reutter-Abend gestalten können, der fast überquoll vor Sprachreichtum und mimischer Raffinesse. Das Publikum im Saal des Gasthofes Werner fühlte sich bestens aufgehoben, genoss intensiv die Vita des Stars der Varieté-Bühne der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, und seine unsterblichen Couplets.

Der Protagonist des Fränkischen Theatersommers vermochte die schlagfertige Kabarettzunge Reutters in allen Facetten so treffend wiederzugeben, dass man unmittelbare Authentizität verspürte und eintauchte in eine Welt, die zwar 100 Jahre zurückliegt, von ihrer Aktualität aber nichts eingebüßt hat. Es war ein Beispiel, dass Lebensweisheiten Epochen überdauern, ihre Gültigkeit behalten, die Ironie als scharfe Waffe in der Beurteilung der menschlichen Schwächen und der eigenen nie stumpf wird. Gedichte in fließender Schnelle, ohne Atemholen, köstliche Szenen aus dem Irrenhaus von der "hohen, weichen Birne", stakkatoartiger Überfall mit Nichtssagendem wie Apfelscheiben, mit Tiefgang: Reutter lässt tief in die Seele blicken.

Sächsische, schwäbische Mundart oder Mecklenburger Platt ist für den oberfränkischen Solokünstler kein Problem. Die Parodie auf "das Lied der Loreley" war ergötzend. Dann das Akkordeon und die Gitarre in die Hände genommen und Songs, "die den Tod im Röcheln und das Singen der Englein vereinen". Später die Erinnerung an die Brüderlichkeit und das Teilen: "Aber keiner fängt an."

Burdinski animierte, führte augenzwinkernd hin zu verborgenen Erkenntnissen, zum Beispiel "in der Liebe braucht es ... viel Geduld", was das Publikum akustisch nachvollzog. Wunderschön auch die Hommage an das Älterwerden mit dem Rat an junge Frauen "Nehmen’s nen Alten".

Die deutsche Gründlichkeit wurde ebenso intensiv beleuchtet, vorzüglich interpretiert das Rollenspiel der Geschlechter, das im Lied "Ich hab zu viel Angst vor meiner Frau" gipfelte. Und das Spiel mit der Uhr, das Chronometer an der Hand Burdinskis pendelnd, ließ die Geschwindigkeit des Lebens ticken: "Bleibt sie stehen, hast du ewig Zeit." Im Gedächtnis bleibt auch die Abhandlung über die Komödie "Der Hauptmann von Köpenick", die der damals bestbezahlte Varieté-Künstler Deutschlands noch am Tag des Ereignisses glossierte.

Es ist sicher nicht einfach, einen Otto-Reutter-Abend zu inszenieren, Jan Burdinski schaffte das problemlos. Weil er die Gabe besitzt, sich vorbehaltlos in das andere Ich hineinzuversetzen und den Zeitgeist widerzuspiegeln. Ehrlicher Beifall zum Schluss. Der Schauspieler im Fazit: "Wir brauchen etwas Humor und Freude, ein bisschen Gemeinschaft gerade in Corona-Zeiten. Ich würde gern wiederkommen."

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