"Wir wissen weiterhin gar nichts", sagt Angela Schirmer. Sie ist nicht nur die Betriebsratsvorsitzende im Kulmbacher Real-Markt, sondern auch bei der Gewerkschaft Verdi in zahlreichen Funktionen aktiv. Unter anderem ist Angela Schirmer Präsidiumsmitglied von Verdi. Seit langer Zeit erlebt sie hilflos mit, wie ihre Kolleginnen und Kollegen immer mehr verunsichert werden. Dass die Mitarbeiter von ihrer obersten Geschäftsführung nahezu gar nichts über die Pläne und den Fortgang des Verkaufs der Real-Gruppe erfahren, zehre an den Nerven, sagt Angela Schirmer. "Wir wissen weiterhin gar nichts. Nach wie vor ist alles offen." Die Betriebsratsvorsitzende weiß lediglich, dass bald schon wieder Besuch im Kulmbacher Real-Markt ansteht: "Die wollen sich offenbar anschauen, ob sie uns brauchen können." Aber das sei eine reine Vermutung. Nähere Informationen habe keiner bekommen. "Wir haben keine Ahnung, wie es für uns weitergeht. Wir hängen weiterhin in der Luft."
Seit vielen Monaten gehe das nun schon so. Das habe erhebliche Auswirkungen auf die Belegschaft. "Keiner von uns kann in die Zukunft planen. Die Kollegen sind mit größeren privaten Anschaffungen vorsichtig. Es ist gerade kein gutes Gefühl, auf die Arbeit zu gehen", sagt Angela Schirmer. So viele Fragen gebe es, aber keine Antworten. Gerüchte seien im Umlauf, dass Entscheidungen wohl getroffen worden sein sollen. Aber bei den Mitarbeitern komme keine Information an. Das schlechte Gefühl, das sich in der Vergangenheit bereits aufgebaut habe, werde durch die Krise von Galeria Karstadt Kaufhof noch verschärft.
Angela Schirmers Befürchtung: "Wahrscheinlich kommt irgendwann eine einzige Mitteilung, und dann ist es passiert." Oft genug sei es bereits vorgekommen, dass die Mitarbeiter von Real aus den Medien erfahren, was in ihrem Unternehmen geplant ist. "Wir sind fassungslos, was die mit uns machen." Die Corona-Krise tue ein Übriges. "Große Versammlungen mussten abgesagt werden. Wir können uns kaum treffen."
Die Marschrichtung, die der Metro-Konzern eingeschlagen hat, ist für die Gewerkschafterin klar. Sie hat keine hohe Meinung von ihrer Konzernspitze: "Die wollen gar nicht, dass wir Bescheid wissen. Vielleicht auch aus Angst, dass wir uns doch noch mobilisieren." Die Trebgasterin, auch stellvertretende Vorsitzende für den Fachbereich Handel bei Verdi in Bayern, blickt frustriert auf ihr Arbeitsumfeld: "Das ist eine furchtbare Branche."
Dabei läuft das Geschäft in dem Kulmbacher Markt laut Angela Schirmer gut. Die Umsätze seien während der vergangenen Monate stark angestiegen. "Wir verdienen gerade auch wegen Corona sehr gut. Aber das hilft uns auch nicht, weil es den Herren offenbar nicht reicht." Angela Schirmer hofft nun, dass bei dem angekündigten Besuch in der Kulmbacher Filiale irgendeine Information fließt oder dass mit dem endgültigen Eigentumsübergang an den neuen Investor etwas bekannt gegeben wird, das den Beschäftigten auch ihres Marktes Klarheit verschafft. So recht glauben mag sie es zwar nicht, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Bislang, sagt sie, haben die Mitarbeiter vieles von dem Wenigen, das sie wissen, nicht von ihrem Arbeitgeber, sondern aus den Medien erfahren.
Die Gewerkschaft Verdi beurteilt die Übernahme als eine "Existenzgefährdung für Tausende Menschen", sagte Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Mit dem Real-Verkauf werden die 34 000 Beschäftigten zum Spielball der Finanz- und Immobilieninvestoren SCP."
Peter König von Verdi ist derzeit für die Real-Märkte in Ober- und Unterfranken zuständig. Auch seine Wut groß. Allen Gremien, vom Gesamtbetriebsrat der Kette bis hin zur Gewerkschaft seien Informationen verweigert worden. "Das ist seit Monaten eine Hängepartie. Die Menschen können einem leid tun, wie mit ihnen umgegangen wird." Für Verdi stehe der Erhalt der Arbeitsplätze an vorderster Stelle, sagt er. Doch erreichen kann er derzeit nichts. So weh es auch tue, es bleibe nichts anderes als abzuwarten. Es gebe in einem solchen Fall keine Verpflichtung für den Arbeitgeber, seine Belegschaft zu informieren. Für Peter König gibt es nur einen Grund für solches Verhalten: Geld. "Da wird gepokert bis zum Letzten." Dann wird König sarkastisch: "Der Mitarbeiter steht im Mittelpunkt? Der Mitarbeiter ist Mittel. Punkt."