Der Schauplatz: eine niederländische Kolonie in Nordamerika; Zeit: die 1760er-Jahre. Umgeben von idyllischer Natur, lebt genussfroh, indes wenig tatendurstig ein Gemütsmensch in einem uralten Dörfchen. Weil ihn sein Eheweib mit Arbeitsaufträgen zu behelligen pflegt, zieht er sich oft in den Wald zurück, wo er eines Tages unversehens in ein noch altmodischeres Dorf und zu einer Runde Kegelspieler gelangt. Von ihrem Schnaps benommen, schläft er ein. Als er erwacht - wenig später, wie er meint - und nach Hause zurückkehren will, muss er feststellen, dass er nicht bloß Stunden, sondern zwanzig Jahre fortgeblieben ist und die USA inzwischen unabhängig wurden. So etwa berichtet Nathaniel Hawthorne in einer berühmten Erzählung von 1819 die staunenswerte Geschichte von Rip van Winkle. Ein einflussreicher Stoff: In einem Hörspiel, vor allem im grandiosen Roman "Stiller" von 1954 hat der Schweizer Max Frisch sich stark auf ihn bezogen. Aber auch Hawthorne erfand ihn nicht ohne Quelle: Offenkundig inspirierte den amerikanischen Autor die frühchristliche Legende von den "Sieben Schläfern" Maximianus und Malchus, Marcianus und Dionysius, Johannes, Serapion und Konstantinus. Im dritten Jahrhundert, so die Überlieferung, hätten sich jene jungen Männer vor der Christenverfolgung durch den Römerkaiser Decius in eine Höhle auf dem Berg Celion bei Ephesus zurückgezogen, wo sie fast 200 Jahre lang unbehelligt in Morpheus' Armen ruhten, bevor man sie wachrüttelte. Noch heute pilgern fromme Christen wie Muslime aus Kleinasien zu der Grotte. Hierzulande indes sind die schlummernden Heiligen wegen des heutigen Siebenschläfertags bekannt - und gefürchtet: Denn wenn's am 27. Juni regnet, so besagt die Bauernregel, bleibt das Wetter für sieben Wochen mies. Eine Hoffnung bleibt trotzdem: Nimmt man die gregorianische Kalenderreform von 1582 genau, hat sich durch sie der Termin auf den 7. Juli verschoben. Und da kann die Sonne ja schon wieder scheinen. Foto: D. V. Petrenko/Adobe Stock