Auch Leonard spürt die Anspannung. "Hinwärts im Auto herrscht Ruhe, da macht er sich Gedanken, heimwärts ist er happy, da wird's laut auf der Rückbank." Immer mit dabei: Bruder Lukas. Was Leonard erlebt hat, sei an ihm nicht spurlos vorbei gegangen, erzählt die Mutter. "Es hat ihn sehr runtergezogen." Wenn sich mal wieder alles nur um Leonard dreht, verhält er sich bockig. Simone Vogel weiß dann, was ihr Jüngster damit ausdrücken will: "Hallo, ich bin auch noch da!"
Oft hält man die Jungs für Zwillinge, weil Leonard wegen der Krankheit etwas kleiner ist als sein siebenjähriger Bruder. "Wenn wir darauf angesprochen werden, bittet er mich, den Leuten das zu erklären. Bei den Kumpels erzählt er es selbst."
Nach monatelangem Unterricht zu Hause besucht Leonard seit September wieder die zweite Klasse. Nach Auskunft seiner Lehrerin merken ihm die Mitschüler nichts an.
Bis auf die Klinik-Checks scheint die Familie in der Normalität angekommen zu sein. "2016 war ein wunderschönes Jahr für uns", erzählt Simone Vogel. Das Datum der Transplantation haben die Eltern gewählt, um zu heiraten. "Wenn der Termin in Erlangen weit weg liegt, fühlen wir uns, wie eine Familie, die nichts hatte." An den Wochenenden verbringen die Vogels bewusst Zeit miteinander. "Was früher wichtig war, rückt in den Hintergrund, wir genießen den Moment." Dass sie Dinge wie dreckige Fenster einst gestresst haben, versteht die Mutter heute nicht mehr. Auch bei Leonard spürt sie die Lebensfreude, wenngleich sie nicht einschätzen kann, wie er über die Krankheit denkt. Von den Ärzten weiß sie: Ihr Kind bleibt Risikopatient. Der Krebs könnte wiederkommen, Nebenwirkungen der Chemo wird man erst Jahre später absehen.
Umso mehr wollen die Vogels im hier und jetzt leben. Und dafür allen danken, die das ermöglicht haben: den Mitarbeitern der Knochenmarkspenderdatei, dem Helferkreis um Sabine Hoffmann und Sven Sibber, den Menschen, die sich typisieren ließen, und dem Lebensretter aus den USA. Wenn im nächsten Jahr die Kontakt-Sperre endet, werden sie ihm Fotos von Leonard schicken - von einem fröhlichen, aktiven Kind mit zwei Geburtstagen. "An Weihnachten hat er zu mir gesagt: Mama, wir müssen uns nichts schenken, das größte Geschenk haben wir schon."