Naila Kranke Füße kosten mehr

Von Lisbeth Kaupenjohann
Andrea Piontek und Tochter Anica kümmern sich in ihrer Podologie-Praxis in Naila um kranke Füße. Foto: Kaupenjohann

Wer auf eine medizinische Fußpflege angewiesen ist, muss jetzt tiefer in die Tasche greifen - oder sich ein Rezept ausstellen lassen. Denn 19 Prozent Umsatzsteuer sollen die Dienste der Podologen künftig teurer machen. Es hagelt Proteste.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Naila - Mit Deformationen, schmerzhaften Hühneraugen, eingewachsenen Nägeln, Nagelpilz oder krankhaften Hornhautverdickungen kommen Patienten in die Praxen der Podologen, der medizinischen Fußpfleger. Viele Senioren zählen zur Kundschaft. Die meisten kommen regelmäßig, etwa alle vier bis sechs Wochen. Liegt eine akute Erkrankung vor, ist das auch öfters nötig. Zwischen 20 und 25 Euro verlangen die Podologen in der Regel pro Sitzung. Mehr können Rentner in unserer wenig finanzstarken Region auch kaum aufbringen.

Doch die Behandlung dürfte teurer werden, wenn es bei einer Entscheidung des Bundesfinanzministeriums bleibt. Bislang waren Podologen von der Umsatzsteuer befreit. Am 19. Juni hat das Ministerium aber verfügt, dass künftig heilberufliche Leistungen nur noch dann steuerfrei bleiben, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Es zähle die ärztliche Indikation. Der deutsche Zentralverband der Podologen und Fußpfleger hat Protest eingelegt, seinen Mitgliedern aber vorsorglich geraten, ab 1. Juli 2012 die Preise neu zu kalkulieren. 19 Prozent Umsatzsteuer gilt es umzulegen auf alle podologischen Behandlungen, die nicht ärztlich verordnet sind.

"Eine solche Erhöhung trifft meist Patienten, die ohnehin schon mit jedem Cent rechnen müssen", kritisiert Andrea Piontek, die im Therapiezentrum in der Dr.-Hans-Künzel-Straße in Naila eine podologische Praxis betreibt. Sie hat sich an die Empfehlung des Berufsverbandes gehalten. "Aufs Jahr hochgerechnet, bedeutet das zirka 50 Euro Mehrkosten pro Patient", sagt sie. Senioren bedürften aber der Spezialisten, da sie meist aufgrund anderer Erkrankungen oder durch Medikamente vorbelastet seien. Bisher hätten Ärzte nur Diabetikern ein Rezept ausgestellt, da hier teilweise die Krankenkassen die Kosten übernehmen.

Warum der Oberfinanzdirektion die ordentliche Diagnose und Dokumentation der Podologen nicht mehr ausreicht für eine Umsatzsteuerbefreiung, will Andrea Piontek nicht einleuchten. "Wir erfüllen alle Auflagen der Kassen. Unsere Praxis ist modern eingerichtet, wir haben investiert in Behandlungsstühle mit Beinauflage und vieles mehr. Jetzt entscheidet doch wieder die ärztliche Anordnung, ob die Umsatzsteuer erhoben werden muss oder nicht."

Andrea Piontek, die in ihrer Praxis neben Tochter Anica noch zwei weitere Mitarbeiterinnen in Teilzeit beschäftigt, verweist auf den Mehraufwand an Zeit und Arbeit. "Wir schicken unsere Kunden zum Arzt, damit sie sich ein privates Rezept ausstellen lassen. In 80 Prozent der Fälle bekommen die Patienten das Rezept. Aber das bedeutet mehr Aufwand für uns, die Patienten, die Ärzte und deren Personal."

Viele Kunden sind verärgert. "Ich gehe schließlich zu einem Spezialisten, weil ich Schmerzen in den Füßen habe, und nicht, weil ich mir Glitzersteine auf die Nägel machen lassen will", wettert eine Patientin. "19 Prozent mehr zahlen - das ist happig. Aber von der Politik ist man es ja nichts anderes gewöhnt. Die Podologen können nichts dafür."

Andrea Piontek ärgert sich auch darüber, erst Ende Juni über die neue Sachlage informiert worden zu sein. "Da waren die Bestellbücher für Juli und August bereits ordentlich gefüllt. Wir konnten die Patienten erst beim Betreten der Praxis über die Änderungen informieren!" Zwar unterstütze der Zentralverband der Podologen und Fußpfleger (ZFD) eine Klage vor dem Finanzgericht Schleswig-Holstein, die sich gegen die neue Verwaltungsauffassung richtet. "Doch bis zu einem Urteil werden wohl zwei bis drei Jahre vergehen."

Eine solche Erhöhung trifft meist Patienten, die ohnehin schon mit jedem Cent rechnen müssen.

Podologin Andrea Piontek


Ich gehe zu einem Spezialisten, weil ich Schmerzen in den Füßen habe, und nicht, weil ich mir Glitzersteine auf die Nägel machen will.

Eine Patientin


Dienst am Menschen

Podologie ist die nichtärztliche Heilkunde am Fuß. Der Podologe übt einen medizinischen Fachberuf und nichtärztlichen Heilberuf aus.

Der Podologe behandelt kranke Füße, etwa von Patienten mit Diabetis, Haut- und Nagelkrankheiten, Verwachsungen und Knochenfehlstellungen.

Podologen arbeiten in eigenen Podologiepraxen mit oder ohne Kassenzulassung, als freie Mitarbeiter in einer Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft sowie als Angestellte in Krankenhäusern oder speziellen Fußambulanzen.

Die meisten Podologen sind mit Kassenzulassung tätig, da Diabetiker mit Folgeschäden am Fuß als bislang einzige Gruppe von den Krankenkassen eine Heilmittelverordnung vom Arzt erhalten.

Seit 2002 ist die Berufsbezeichnung "Podologin/Podologe" und seit 2003 die Berufsbezeichnung "Medizinische Fußpflegerin/Medizinischer Fußpfleger" gesetzlich geschützt.