Ein vager Maßstab dafür, ob Kritik überzogen oder gerechtfertigt ist, sind die Reaktionen. Die Aufgabe eines Journalisten ist es, auch mal den Finger in die Wunde zu legen. Das trifft nicht immer auf Gegenliebe. "Wichtig ist, dass die Kritik fundiert ist", sagt Schuberth-Roth. Und für eine solche haben Fans von Vereinen oftmals einen viel tieferen Einblick als Außenstehende, die sich in freien Stunden nicht noch weitere Gedanken über ihren Herzensverein machen. Pöhner hat auch noch einen anderen Maßstab beim Umgang mit seinem Lieblingsklub: "Keiner macht absichtlich etwas verkehrt, jeder darf mal einen schlechten Tag haben. Das ist so im Sport. Aber Profis kann man schon mal etwas härter anfassen als Spieler, die noch nebenbei einem Beruf nachgehen, oder einen jungen Spieler." Damit rückt der Sportjournalist auch schnell in die Position des unbequemen Mahners.
Dabei ist es - bei den Beispielen SpVgg Bayern Hof und VER Selb - nochmals anders als bei überregional bedeutsamen Vereinen wie dem 1. FC Nürnberg. Denn Hof und Selb sind in der Region beheimatet - und spielen in aller Regel gegen Klubs, die nicht jede Woche in der Frankenpost stattfinden. Die lokalen Sporthelden stehen im Fokus der Storys - und eben nicht der Gegner. "Der Leser hat bestimmte Erwartungen an unsere Texte", sagt Schuberth-Roth. "Er will nicht so detailliert wissen, wie der Gegner aufgestellt ist, sondern mehr über seine Mannschaft erfahren."
Schwierig kann es werden, wenn es zu Derbys kommt. "Gegen Weiden oder vor einigen Jahren auch gegen Bayreuth versuche ich vielleicht noch neutraler zu schreiben als ohnehin schon. Schließlich hat man auch den ein oder anderen Kontakt zu den Gegnern", sagt Pöhner, der diese Haltung spätestens dann innerlich wieder ablegt, wenn es für den VER Selb um Wichtiges geht. "In den Playoffs jubelt man nicht nur innerlich. Da kann es passieren, dass man nach Toren auch mal von seinem Schreibplatz aufspringt und äußerlich mitjubelt", gibt er zu.
Und deshalb ist auch die Szene aus der Ingolstädter Arena im Juli kein sportjournalistischer Fehlgriff, sondern ganz einfach eins: ein Ausdruck für die volle Bandbreite an Emotionalität, die im Sport steckt und wofür alle Fußball und Eishockey, Handball und Basketball oder Leichtathletik so lieben. Fans und auch Sportreporter.