Herr Nemec, in Ihrem Buch berichten Sie liebevoll von Ihrer außergewöhnlichen Familie. Sind Sie ein Familienmensch?
Ja, eigentlich schon. Auch wenn mein Beruf nicht besonders familienfreundlich ist, aber ich habe es trotzdem immer geschafft, eine Verbindung zu meiner Familie zu halten.

War Ihre Kindheit in Kroatien glücklich – trotz der ärmlichen Verhältnisse, in denen Sie aufwuchsen?
Auf alle Fälle. Es ist doch so, dass das Nichtshaben auch inspiriert. Unser Umfeld - alle Freunde, Bekannten und Nachbarn - war ja ebenfalls nicht reich. Auch deswegen gab es eine große Verbundenheit. Man war gezwungen, mehr miteinander umzugehen - das hat die Sache positiv gestaltet.

Später haben Sie dann in zwei Welten gelebt – mal im sozialistischen Jugoslawien, mal in Deutschland. Fühlten Sie damals Zerrissenheit?
Auf eine bestimmte Weise schon. Das eine war mehr eine materielle Welt: In Deutschland gab es nach dem Wirtschaftswunder schon alles. Der Horizont war weiter, man konnte sich frei äußern, konnte reisen Die Nachbarschaft in Bayern war eigentlich auch sehr angenehm, jedoch etwas weniger locker als Zuhause. Und es war halt sehr katholisch. In Kroatien war ja die Religion quasi nicht vorhanden. Der Sozialismus, die Ideologie stand im Vordergrund. Und das Kollektiv ist sicher etwas, was einen prägt. Das Gemeinsame war wichtig: dass man aufeinander achtet, dass man miteinander viel unternimmt, dass man auch für andere etwas tut. Wobei ja der christliche Glaube das auch in sich trägt. Das Hin- und Herwechseln hat meine Sinne geschärft.

Im Buch schreiben Sie, dass Sie die wichtige emotionale Beziehung zu Ihren Eltern gegen materielle Sicherheit eingetauscht haben.
Ja, das kam mir dann schon so vor. Besonders in der Pubertät, wenn man auch darüber nachdenkt, wo es im Leben hingehen soll, was einem wichtig ist, da habe ich manchmal mit mir gehadert, weil mich als Kind das Materielle doch geblendet hat.

Sie haben viele alte Fotos für Ihr Buch ausgesucht. Das stelle ich mir schwer vor. Denn jedes Foto erzählt doch auch eine Geschichte...
Stimmt, da verliert man sich darüber. Das ist aber auch ein ganz schöner Vorgang. Jedes Bild löst eine gewisse Erinnerung aus, mit der man das Foto verbindet. Da bin ich schon oft hängen geblieben und ein paar Stündchen gesessen, bis ich mich für ein Bild entscheiden konnte. Man macht dabei ja eine Zeitreise für sich selbst. Anhand der Fotos und anderer Erinnerungsstücke habe ich mein Leben ein bisschen Revue passieren lassen.