Oberfranken Schmutzige Diesel reingewaschen?

Mit mehreren Fahrzeugen waren am Dienstag Polizeibeamte auch vor privaten Wohnhäusern verdächtigter Tüv-Mitarbeiter vorgefahren. Foto: Melitta Burger

Über Details zu der Razzia bei Mitarbeitern des Tüv schweigt die Staatsanwaltschaft. Insider berichten von einem schwunghaften Handel mit unverkäuflichen Autos aus den USA.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Oberfranken - Viel sagt die Staatsanwaltschaft Hof auch am Tag nach der Razzia bei hauptsächlich oberfränkischen Mitarbeitern des Tüv Süd und in Niederlassungen der Prüforganisation nicht (wir berichteten). Doch die wenigen Informationen könnten durchaus zu dem passen, was Branchenkenner zum möglichen Hintergrund für die groß angelegte Durchsuchungsaktion der Ermittlungsbehörden berichten. Der könnte ein ausgesprochen lukrativer Randbereich des Abgas-Skandals um Dieselfahrzeuge sein.

Irgendwelche Schummeleien um Prüfplaketten sind es nicht, die Kripo und Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen haben. Das war am Dienstag unmittelbar nach den Durchsuchungsaktionen schon klar. Staatsanwalt Robert Steiniger aus Hof bestätigt das inzwischen ausdrücklich: "Heimische Autofahrer sind nicht geschädigt. Das ist kein Fall, wo Otto Normalverbraucher zum Tüv fährt und seine Plakette bekommt. Solche Fälle sind nicht betroffen." Geht es dann um die Auslandsgeschäfte mit USA-Dieselfahrzeugen? "Das möchte ich weder bestätigen noch dementieren", sagt Steiniger.

Branchenkenner erzählen, es gehe wohl um hochwertige neue Autos von deutschen Herstellern in den USA, die wegen der nicht erfüllten Abgasnorm dort nicht mehr zulassungsfähig und damit weitgehend wertlos sind. Tausende solcher Fahrzeuge stünden in den USA. Solche Autos, wollen Insider wissen, würden in großem Stil in Amerika gekauft und in Länder wie Litauen, Estland oder Lettland verschifft. Von dort aus würden sie deutlich unter üblichen Marktpreisen in andere Länder, auch in die EU, verkauft. Mit den Originalpapieren aus den USA könne man aber in diesen Ländern nichts anfangen. An dieser Stelle, wird berichtet, kämen Mitarbeiter des Tüv ins Spiel. Sie sollen, wie es heißt, mit ihren Gutachten dafür gesorgt haben, dass die Autos trotz ihrer ungeklärten Abgasmenge eine ganz offizielle Zulassung in Europa erhalten können. Für solche Gutachten sei es nötig, die Autos persönlich zu besichtigen. "Das geht sogar weit über den Umfang einer normalen Hauptuntersuchung hinaus", erzählt ein Fachmann. Er sagt auch, dass die Prüfer wohl in den wenigsten Fällen die Autos, für die sie Gutachten erstellt haben sollen, gar nicht gesehen haben. "Wie auch? Die meisten dieser Fahrzeuge stehen ja nicht einmal in Deutschland."

Das heiße aber nicht, dass solche Re-Importe aus den USA nicht doch in Deutschland unterwegs seien. Besonders hochwertige Fahrzeuge würden auch hier gehandelt. Sie seien ausgestattet mit formal völlig korrekten Papieren. Auffällig sei an ihnen nur, dass im Typschlüssel statt einer Buchstaben-Zahlen-Kombination drei Nullen hintereinander folgen. Daran erkenne ein Fachmann, dass an dem Fahrzeug etwas verändert wurde und es sich nicht um das Originalpapier vom Hersteller handle.

Die fraglichen Autos seien in Bezug auf die Abgasnorm meist schlechter begutachtet als sie es eigentlich verdient hätten. Die dadurch höhere Kfz-Steuer falle aber angesichts der Ersparnis beim Kaufpreis nicht ins Gewicht. Dieser Handel mit solch fragwürdigen Fahrzeugen erfolge im großen Stil, berichtet einer, der seit Jahren in der Branche arbeitet. Litauen sei eines der Drehkreuze dieses fragwürdigen Handels. Dort soll ausgerechnet einer der jetzt in Verdacht geratenen Tüv-Mitarbeiter geholfen haben, das Kfz-Prüfwesen aufzubauen. Er pflege noch heute gute Kontakte dorthin.

"Das ist alles so vernetzt und verworren, dass man den klaren Weg gar nicht beschreiben kann", erzählt der Insider. Er spricht von einer "heißen Nummer", die dem Tüv vor allem jetzt gar nicht gefallen werde. In den alten Bundesländern sei es bislang der Tüv allein, der so relevante Gutachten ausstellen darf. In den neuen Bundesländern sei dies allein dem Dekra vorbehalten. Aber es gebe auch andere Prüforganisationen, die diesen Service anbieten wollen. Noch in diesem Monat soll den Worten des Branchenkenners zufolge in Berlin über eine Liberalisierung entschieden werden. Dass ausgerechnet jetzt diese Vorwürfe an die Öffentlichkeit geraten sind, könne den Inhabern des bisherigen Monopols nicht gefallen.

Aus der Zentrale des Tüv Süd gibt es über das bereits am Dienstag veröffentlichte Statement hinaus, man arbeite vollumfänglich mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen, keine weiteren Auskünfte. Die Frage, ob es wegen der Razzia zur Beurlaubung von Mitarbeitern gekommen ist, will Tüv-Sprecher Vincenzo Lucà nicht beantworten: "Dazu sagen wir nichts." Tatsächlich sieht es so aus, als würden auch die unmittelbar von den Durchsuchungen betroffenen Mitarbeiter weiter im Dienst sein. Telefonisch kann man zwar keinen von ihnen erreichen. Sie seien aber bei der Arbeit, lautet die Auskunft. Allerdings berichten Werkstätten, dass sie am Mittwochmorgen vom Tüv angerufen und informiert worden seien, dass die turnusmäßigen Prüftermine von anderen Mitarbeitern wahrgenommen würden.

Autor

Bilder