Rehau Ein Fest dem "Skandalgedicht"

Was in Berlin weichen soll, steht in Rehau an der Fassade: Eugen Gomringers "Avenidas". Foto: Uwe von Dorn

An diesem Samstag wird Eugen Gomringers "Avenidas" am Maxplatz eingeweiht. Die Stadt Rehau möchte sich öffentlich als Heimat des prominenten Lyrikers präsentieren.

 
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Rehau - Es ist vollbracht. In dicken schwarzen Lettern prangt es am Maxplatz, sodass es wirklich niemand übersehen kann, der durch die Rehauer Innenstadt schlendert: "Avenidas", das Werk des in Rehau lebenden "Vaters der konkreten Poesie" Professor Eugen Gomringer, das über Monate für so viel medialen Wirbel verantwortlich war.

Der Festakt

Die mit "Avenidas" neu gestaltete Fassade am Maxplatz 9 soll am Samstag mit einem Festakt eingeweiht werden.

Um 10.30 Uhr wird im Kunsthaus der Kulturpreis des Landkreises Hof an Professor Eugen Gomringer verliehen. Im Anschluss wird zum kurzen Stehempfang geladen.

Um 14 Uhr wird dann das Gedicht am Ostgiebel des Gebäudes Maxplatz 9 nach einer kurzen Ansprache des ersten Bürgermeisters Michael Abraham an die Öffentlichkeit übergeben. Im Anschluss gibt es spanische Musik und Tapas.

Ab 16 Uhr findet im Kunsthaus eine moderierte Diskussionsrunde mit Professor Eugen Gomringer und Dr. Thomas Wohlfahrt aus Berlin statt. Er ist Leiter des Hauses für Poesie, das in der Jury für die Vergabe des Alice-Salomon-Poetik-Preises sitzt, den Gomringer gewonnen hatte, bevor sein Werk an der Berliner Hochschulfassade angebracht wurde. Auf die Entscheidung der Hochschule hin, das Gedicht übermalen zu lassen, trat die Einrichtung als Kooperationspartner des Preises zurück. Wohlfahrt hatte "Avenidas" bereits im vergangenen Jahr verteidigt. Das Gedicht habe kein lyrisches Ich, führte er an. So könne der "Bewunderer" auch aus der Sprecherperspektive mitbetrachtet werden.

In der Zeit von 13 bis 16 Uhr ist

zusätzlich die Ausstellung "Konkrete Kunst" von Eugen Gomringer

im "Rehau Art" für alle Besucher

geöffnet.

Studentinnen der Berliner Alice-Salomon-Hochschule hatten es für sexistisch befunden. Es propagiere ein überkommenes Geschlechterverständnis. Während es in der Hauptstadt bald übermalt werden soll, hat die Stadt Rehau das Gedicht nun heimgeholt und an die Fassade des ehemaligen Puppenmuseums pinseln lassen. Zur Einweihung findet deshalb am Samstag ein Festakt mit mehreren Programmpunkten statt.

"Avenidas" besteht aus sechs spanischen Worten, die zusammen das Bild eines schöngeistigen "Admiradors", also Bewunderers, zeichnen, der auf Straßen, Blumen und Frauen blickt. Dass das oberfränkische Wetter in diesem Mai dem spanischen Feuer der Zeilen oft alle Ehre machte, kam der Stadt für die Malerarbeiten gut zupass: "Wir hatten eine sehr schöne Wetterperiode", erklärt Bürgermeister Michael Abraham. "Deshalb sind wir schon früh fertig geworden."

Was von Gomringer einst als Ode an "La Rambla", die bekannte Flaniermeile Barcelonas, gedacht war, ist nun auch ein Geschenk an die Stadt Rehau, die, das sagt Bürgermeister Abraham, "gut mit einem internationalen Gedicht an prominenter Stelle arbeiten kann". Dass nun ein spanischsprachiges Stück Literatur mitten in Rehau an der Wand steht, solle auch zeigen, dass es sich bei Rehau um eine weltoffene Stadt handle.

Dass die Kommune im Zuge der "Avenidas"-Debatte ins Interesse der Medien gerückt ist, kommt dem Stadtoberhaupt dabei nur gelegen. Bei Abraham laufen derzeit auch immer wieder Anfragen überregionaler Medien auf. "Die Fassaden-Aktion hat schon seit dem diesbezüglichen Stadtratsbeschluss für viel Aufmerksamkeit gesorgt", berichtet er. "Wir hoffen, dass sich dieses Interesse im Zuge des Festakts noch einmal aufgreifen lässt. Wir wollen dokumentieren, dass wir die Heimat Eugen Gomringers sind." So soll sich der Rummel um die Fassade etwa auch auf das Kunsthaus mit dem Eugen-Gomringer-Archiv übertragen. Bereits jetzt sorge die Einrichtung dafür, dass Gruppen von Kunstliebhabern von weit her nach Rehau kommen. "Natürlich gibt es auch Rehauer, die das Kunsthaus besuchen, überwiegend nutzen es aber Auswärtige."

Mit "Avenidas" am Maxplatz können sich die Rehauer offenbar gut anfreunden. Beschwerden hat es laut Abraham nicht gegeben. Die Rehauer nähmen das Werk gut an - "auch wenn es manchem womöglich spanisch vorkommt", scherzt der Bürgermeister.

Eugen Gomringer selbst hat die mit seinem Werk bemalte Fassade bereits in Augenschein genommen. "Ich fahre oft mit dem Wagen daran vorbei", berichtet der Lyriker. Er fühlt sich geehrt, dass "die Stadt ihren Bürger so wertschätzt" und so einen großen Aufwand betreibe. "Das freut mich schon."

Zum Festakt werden viele geladene Gäste nach Rehau kommen. "Es reisen Freunde und Gönner von mir an - auch aus Berlin", erzählt der Künstler, der am Samstag auch den Kulturpreis des Landkreises Hof entgegennehmen darf. Miteinander zu tun hätten die Auszeichnung und die "Avenidas"-Kontroverse aber nicht - zumindest hofft er das: Als bloße Solidaritätsbekundung möchte er den Preis keinesfalls verstanden wissen.

Für Gomringer ist die Diskussion um sein Werk nach dem Rehauer Festakt am Samstag längst noch nicht beendet. Ende Juni reist der 93-Jährige nach Bielefeld, wo ein Ehepaar das Gedicht ebenfalls an einer Hauswand anbringen lässt. Der Verfasser ist dort zur Einweihung und zu einem Vortrag im lokalen Kunstverein eingeladen. "Und es wird bestimmt nicht das letzte Mal sein, dass ich vor eine Wand mit meinem Werk trete", glaubt er. "Ich nehme das aber ganz gelassen."

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