Wunsiedel - Als 1988 der frühere Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß in Wunsiedel beerdigt worden ist, hatte das weitreichende Folgen für die 10 000-Einwohner-Stadt. Zigtausend Rechtsextreme aus ganz Europa demonstrierten in Wunsiedel über die Jahre hinweg und stellten die Stadt vor große Herausforderungen. Das Buch "Wunsiedel ist bunt - nicht braun!" fasst die Ereignisse zusammen und zeigt, wie sich die Bürger dem "braunen Spuk" entgegenstellten, und noch immer stellen. Indem die zahlreichen Autoren, unter anderem Vertreter der Kirchen, Politik, Medien und Wissenschaften, den Mobilisierungsprozess beschreiben, geben sie gleichsam Handlungsempfehlungen für andere betroffenen Kommunen.

"Dieses Buch ist zusammengefasstes Basiswissen", so beschrieb es der Wunsiedler Bürgermeister Karl-Willi Beck bei der Vorstellung im Rathaussaal. "Es ist eine Dokumentation des Möglichen und Legitimation für andere, genauso zu handeln." Wobei es natürlich kein Allheilmittel gebe. Beck erinnerte an die im Jahr 2002 ins Leben gerufene Strategie "Hinschauen statt wegschauen". Im Buch beschreibt er, wie in der Stadt das Heß-Grab nicht mehr als unheilvolle Bürde gesehen wurde, sondern als Herausforderung. Den jährlich stattfindenden Aufmärschen setzte Wunsiedel eigene Aktionen entgegen. In diesem Zusammenhang sprach Beck den Wunsiedler Jugendlichen ein großes Lob aus. Sie hätten die Initialzündung für den breiten Widerstand geliefert. "In Wunsiedel ist es gelungen, alle Akteure ins Boot zu holen, und auch die Stadt hat sich aktiv eingebracht", sagte Dr. Gregor Rosenthal, der Geschäftsführer des Bündnisses für Demokratie und Toleranz. Er hob die Rolle Wunsiedel bei der Entwicklung des bundesweiten Bündnisses hervor.

In drei Kapiteln beschreibt Altlandrat Dr. Peter Seißer die Geschichte des Heß-Grabes bis zur Auflösung im Jahr 2011. "Die Beisetzung von Rudolf Heß in Wunsiedel sollte ein Akt christlicher Barmherzigkeit sein, aber ich gebe zu, sie war ein Fehler", sagte Seißer. Er beschrieb dann die Entstehung des Verbots der Volksverhetzung nach Paragraf 130, Absatz 4, Strafgesetzbuch. "Damit hatte das Landratsamt wieder eine Rechtsgrundlage für das Verbot der Heß-Gedenkmärsche", so Seißer. Verärgert zeigte er sich über das im November in Wunsiedel durchgeführte "Heldengedenken". Hier hätten die Rechtsextremisten Bezug auf verurteilte Kriegsverbrecher genommen. "Das dürfen wir nicht hinnehmen, sonst wird Wunsiedel zur internationalen Gedenkstätte der Neonazis", sagte Dr. Peter Seißer. Dass hier nicht sofort eingeschritten wurde, habe er nicht verstehen können.

Die Idee zum Buch, als Dokumentation der Geschehnisse, hatte man bereits 2007, sagte Dr. Joachim Twisselmann, stellvertretender Leiter des Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrums in Bad Alexandersbad (EBZ). "Wir sind überzeugt davon, hätten wir nicht energisch Widerstand geleistet, dann wäre Wunsiedel ein Kraftzentrum der Rechtsextremen geworden", so Twisselmann. Die Auseinandersetzungen um das Heß-Grab hätten die politische Kultur verändert. "Wir haben uns zaghaft entwickelt, sagte Politikwissenschaftler. "Schritt um Schritt und immer unter dem Druck von Außen." Ein Wunder ist es, dass so viele Menschen aus den unterschiedlichsten Gruppen den Weg gemeinsam gegangen sind, sagte Andrea Heußner, die als Dekanatsjugendreferentin mitverantwortlich für die Gründung der Jugendinitiative war. "Aber ohne den Mut und das Querdenken von Karl-Willi Beck wäre vieles nicht möglich gewesen."

Die Auseinandersetzung mit Neonazis ist mühselig und zäh, heißt es in dem Buch. "Die Initiative ,Wunsiedel ist bunt' hat den langen Atem, den man braucht."

Das Buch

Das Buch "Wunsiedel ist bunt - nicht braun!" wird herausgegeben von Julia Hasse, Gregor Rosenthal und Joachim Twisselmann. 24 Autoren schildern auf 270 Seiten Wunsiedels Kampf gegen Rechtsextremismus. Den Großteil der Fotos hat der Frankenpost-Fotograf Hannes Bessermann beigesteuert. Das Buch ist gegen eine Spende im EBZ Bad Alexandersbad zu haben.