Wunsiedel "Das ist offizielle Schwarzarbeit"

Der Innungs-Obermeister des Landkreises Wunsiedel, Rudolf Dahms, in seinem Element. "Es ist der schönste Beruf, den es gibt", schwärmt der Meister, der einen Salon in Bad Alexandersbad betreibt. Foto: zys

Rudolf Dahms klagt über den Zuwachs der 17 500-Euro-Friseure. Die Dumpingpreise machen der Branche zu schaffen. Der Obermeister ist froh über die Einführung des Mindestlohns.

 
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Herr Dahms, am Montag haben sich die Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Friseurbranche ab August 2015 geeinigt. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Nicht nur zufrieden. Wir haben das unbedingt gewünscht. Denn in den letzten Jahren sind wir mit dem Lohndumping gerade in Thüringen nicht mehr zurechtgekommen. Da hat man um die 3,50 Euro Stundenlohn für Friseure gezahlt.

Gilt der Tarifvertrag nur für Mitarbeiter von Innungsbetrieben, die Gewerkschaftsmitglied sind?

Jetzt soll beim Bundesarbeitsministerium erreicht werden, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro eine Allgemeinverbindlichkeit bekommt. Das heißt: Alle müssen das gleiche zahlen, ob Innungsbetrieb oder nicht. Da kann niemand mehr ausscheren. Wir liegen bei der stufenweisen Anhebung ohnehin schon über dem Niveau, ab 1. Mai zahlen die Salons bei uns acht Euro.

Werden einige Läden durch diese Regelung wirtschaftliche Probleme bekommen?

Die Leute, die ihre Preiskalkulationen nicht neu definieren, werden irgendwann in die Bredouille kommen. Denn das Grundproblem ist das Preisdumping.

In manchen Orten schießen Friseur-Läden wie Pilze aus dem Boden. Wie kommt man da noch zurecht?

Die Kollegen, die sich regulär selbstständig machen, sind nicht das Problem. Vielmehr haben wir zweistellige Zuwachsraten im Bereich der 17 500-Euro-Friseure. Das heißt, die dürfen diesen Umsatz von 17 500 Euro im Jahr nicht überschreiten und sind dadurch von ihren Steuerverpflichtungen befreit. Das ist nichts anderes als offizielle Schwarzarbeit. Denn es ist schon ein Unterschied, ob man 19 Prozent Umsatzsteuer zahlt oder nichts.

Und Billig-Ketten machen den Dienstleistern das Leben schwer mit Dumpingpreisen von zehn Euro für einen Haarschnitt. Da können Sie und Ihre Kollegen doch kaum mithalten, oder?

Die Problematik fing nach der Grenzöffnung an. Da wollte man alteingesessenen Friseuren auf die Beine helfen, indem sie den Stundensatz frei wählen konnten, damit sie ihre Einnahmen später in den Laden investieren können. Den Betrag, der zum Tariflohn fehlte, zahlte das Arbeitsamt drauf. Dadurch geriet aber der gesamte Friseurberuf in ein schlechtes Licht.

Was muss man heutzutage normalerweise fürs Haareschneiden bezahlen?

Zwischen 14 und 15 Euro zahlen die Herren, bei den Damen sind es um die 20 Euro.

Wer zum Chef will, zahlt in der Regel mehr als beim jungen Mitarbeiter. Ist das branchenüblich?

Ja, das ist eigentlich die Regel. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Stylisten, die gefragt sind und bei denen ein Haarschnitt mehr kostet, als wenn ein frisch gebackener Geselle Hand anlegen würde.

Wenn man die ganze Verschönerungs-Prozedur von der Haarwäsche über Färben bis hin zum Föhnen wünscht, was legt der Verbraucher da heutzutage hin?

Das Rundum-Paket für die Frau gibt es zwischen 75 und 100 Euro, je nach Wertigkeit der Produkte. Dank des tollen Leistungsangebots können wir heute fast jeden Wunsch erfüllen, wenn es keine finanziellen Limitierungen gibt.

Sind die Menschen bereit, für Qualität auch Geld auszugeben?

Die Menschen sind absolut qualitätsorientiert. Und dafür gibt man gern auch etwas mehr aus.

Wie hochwertig ist heute die Aus- und Fortbildung der Friseure?

Wir bilden uns ständig weiter, ob salon-intern oder bei verschiedenen Veranstaltungen mit Top-Leuten aus der Branche. Das geht aber nur in der Freizeit. Wer etwas auf sich hält, für den ist Weiterbildung ein Pflichtprogramm. Wir sind modisch stets auf der Höhe.

Was verdient ein junger Friseur in unserer Region?

Wenn er ausgelernt hat, sind es 1350 Euro, mit ein paar Jahren Erfahrung 1560 Euro brutto. Es gibt auch Kollegen, die übertariflich zahlen oder ihr Personal leistungsbezogen am Umsatz beteiligen.

Wie ist es in der Region um den Nachwuchs bestellt?

Friseur ist nicht mehr der Lieblingsberuf der Mädchen, der er einmal war. Was uns fehlt, ist geeigneter und qualifizierter Nachwuchs. Das fängt schon mal mit den Benimm-Regeln an, die jeder beherrschen sollte, wenn er Dienst am Kunden machen will. Auch das Erscheinungsbild muss passen, und flexibel sollten Friseure ebenfalls sein.

Männer in der Branche sind eher Mangelware. Warum?

Leider ja. Die meisten haben keinen Bezug zum Friseur. Es sei denn, die Jungen stammen aus Betriebs-Familien. Aber wenn sich Männer für den Beruf des Friseurs entscheiden, machen sie auch gern Karriere.

Womit kann sich ein Friseur heute gegen die Konkurrenz behaupten?

Mit grundsolider, kundenorientierter Arbeit, die man beim Kunden abliefert. Der Kunde will sich verwöhnen lassen und bei uns entspannen. Wir müssen für ein positives, menschliches Ambiente sorgen, damit er sich wohlfühlt. Man muss die Hingabe und Leidenschaft für den Beruf und den Menschen spüren. Es darf nicht aufgesetzt, es muss einfach ehrlich sein. Das Gespräch führte Peggy Biczysko

Ab August 2013 Einführung des Mindestlohns in drei Stufen

Ab August 2015 ist für einen großen Teil der deutschen Friseur-Salons ein Mindestlohn von 8,50 Euro Vorschrift. Darauf haben sich am Montag die Gewerkschaft Verdi und die Arbeitgeber geeinigt.

Der Tarifvertrag soll bis Juni unterzeichnet werden. Er garantiert in seiner aktuellen Form allerdings noch keinen wirklich einheitlichen Mindestlohn, denn der Tarif gilt nur für Mitarbeiter von Innungsbetrieben, die auch Gewerkschaftsmitglied sind.

In den kommenden Monaten soll beim Bundesarbeitsministerium ein Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags gestellt werden.

Der flächendeckende Mindestlohn wird von August 2013 an in drei Stufen eingeführt. Der Osten startet mit 6,50 Euro Stundenlohn, der Westen mit 7,50 Euro. Diese verschiedenen Stufen waren nötig, weil bislang regional sehr unterschiedliche Tarifverträge existierten. Laut Verdi-Verhandlungsführerin Ute Kittel gab es in den neuen Bundesländern zum Teil Ecklöhne von gut drei Euro pro Stunde. dpa


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