Makalali - Es klingt so, als würde gerade jemand direkt neben meinem Ohr herzhaft in einen knackigen Apfel beißen. Ich kenne das Geräusch sehr genau. Es ist 6.20 Uhr frühmorgens. Ich schieße hoch. "Black Rhino" ist mein erster Gedanke. Exakt. Ich blicke durch das vernetzte Fenster meines Zeltes. Und da steht es. Mampfend, laut schmatzend. Nur zehn Meter trennen mich von dem Spitzmaul-Nashorn, das zu den aggressiven Tieren hier im tiefen Busch Südafrikas zählt. Die Kaugeräusche der Rhinozerosse sind schon von Weitem zu hören. Hier im Busch-Camp, wo ich eine Woche im Zelt verbringe, bin ich noch näher dran an Leopard, Löwe und Co. Und vor allem an den Hyänen. Sie umkreisen jede Nacht unsere Zelte mit ihrem typischen Gejaule. Ich hoffe jede Nacht, nicht zur Toilette zu müssen. Und erlebe natürlich den Umkehr-Effekt. Zwei- bis dreimal raus. Auch wenn ich sonst nicht gerade ängstlich bin, ist mir dabei jedesmal mulmig zumute. Mit der Stirnlampe den Kopf zwischen den Reißverschlüssen des Zeltes rausstrecken, Lage sondieren, ob irgendwo Augen leuchten, rauspirschen, flotten, aber leisen Schrittes zum Klo huschen. Das gleiche Spiel nach Verlassen der Toilette.

Denn Besuch kriegen mein Plüsch-Zebra Leo und ich hier nicht nur vom gefährdeten Nashorn - alle acht Stunden wird in Südafrika ein Nashorn von Wilderern getötet -, sondern auch vom Leoparden, wie am nächsten Morgen die Spuren zeigen. Zwischen meinem und Carolins Zelt hat das scheue Tier seine Abdrücke hinterlassen, daneben Hyänen, harmlose Antilopen und anderes Getier. In meiner Dusche entdecke ich ein Tier, das ich noch nie zuvor gesehen habe und rufe schnell nach Toko, mit dem wir - vier Mädels - die Woche im Busch-Camp verbringen. Ich identifiziere das Krabbelteil als eine Art Skorpion, aber nicht so ganz. Toko, der uns nicht nur viele Überlebens-Tricks für den Busch vermittelt, sondern auch ein super Typ vom Stamme der Zulu ist, outet das Tier als Spinne. "But you are right", meint er, als ich sage, ich glaubte, es handle sich um einen Skorpion. Denn das knapp Zehn-Zentimeter-Tier hat den Körper wie ein Skorpion, dazu Spinnenbeine. Und sie ist ungiftig. Sagt Toko. Der Buschmann muss es schließlich wissen. Denn als unwissender Volontär weiß man nie, denn Vieles, was kreucht und fleucht, kann einen schnell ins Jenseits befördern, wenn ein Arzt mit den entsprechenden Gegenmitteln nicht schnellstens greifbar ist. Der Biss der schwarzen Mamba allerdings lässt wenig hoffen. Leider ist die Skorpion-Spinne, wie ich sie jetzt einmal nenne, zumal mein Siebhirn den Namen vergessen hat, verschwunden, als ich mit dem Fotoapparat zurückkehre.

Warnende Laute

Zurück zum morgendlichen Nashorn. Ich rufe im Flüsterton ins Nachbarzelt, wo Caroline aus Frankreich und Miriam aus Deutschland nächtigen. Ich genieße des Luxus eines Doppelzelts für mich allein. Miriam hat das Geräusch auch gehört. "Ich dachte, Du isst Kekse", meint sie lachend, als sie das Nashorn sieht. So laut mahle und malme ich nun auch wieder nicht. Immerhin sind um die fünf Meter Abstand zwischen unseren Zelten. Als das Nashorn schmatzend hinterm Küchenzelt verschwindet, huschen wir leise mit unseren Decken aufs Beobachtungsdeck, von wo aus wir das Tier eine knappe Stunde lang beobachten. Was für ein Erlebnis! Es jagt mir gerade beim Schreiben noch einmal einen Schauer über den Rücken, so genial ist es, solchen Tieren so hautnah zu begegnen. Mit einem Mal gibt das Black Rhino richtig Gas und spurtet schnaubend mit lautem Getrampel durch den dornigen Busch. Aus der Nähe dringen die warnenden Laute von Kudus und Gnus ins Zeltlager. Es scheint, als wäre der Leopard nicht weit. Doch diesmal hören wir seine Geräusche nicht.

Übersät von Kratzern

Gut, dass es nur einen kleinen Spiegel im Busch-Camp gibt. Und wenn ich mich morgens kurz nach fünf Uhr wasche, ist es noch dunkel. Gottseidank! Denn von einer gepflegten Erscheinung bin ich im Augenblick schon einige Meilen entfernt. Meine Haare lechzen nach einer fachmännischen Behandlung. Meine Fingernägel sind eingerissen, schief und krumm, unter den Nägeln sind die Spuren von Dreck auch nach dem Duschen kaum wegzukriegen. Meine Handflächen sind voll von Schwielen, Hände und Unterarme übersät mit Kratzern, die Beine ebenso. Schürfwunden überall. Und drei Kilo zu viel wegen der vielen Toasts mit fettem Käse und Bohnen, Kartoffeln, Nudeln. Zu viele Kohlenhydrate und keine Bewegung. Denn Laufen kann man hier nicht gehen. Wie auch, wenn Elefant und Löwe den Lebensraum mit uns teilen. Vier Wochen im Busch hinterlassen eindeutig Spuren. Wer im Camp oder auf der Farm lebt und im Busch arbeitet, darf nicht pingelig und sich nicht zu schade sein, tief in den Dreck zu langen. Hier heißt es hart Anpacken, fluchend in die Dornen greifen, die an fast jedem Busch und Baum - teilweise mit ekelhaften Widerhaken - zum eigenen Schutz vor den gefräßigen Tieren aus Ästen und Zweigen ragen.

Bevor wir ins Busch-Camp umziehen, installieren wir 40 von insgesamt 80 Kameras in dem 25.000 Hektar großen Areal Makalalis. Natürlich treiben wir die Tage darauf damit auch unseren Schabernack, denn Caroline und ich besorgen uns beim wöchentlichen Trip nach Hoedspruit Masken, mit denen wir beim Passieren der Kameras Blödsinn machen. Rangerin Emma wird Augen machen, wenn sie die Fotos auswertet. Die Kameras sind natürlich für Wichtigeres gedacht als für unsere kindischen Spielchen. Denn manche Tiere lassen sich so selten blicken, dass es oft Jubel bei den Rangern auslöst, wenn sich einmal ein Gepard oder Leopard nächtens vor die Linse wagt. Denn oft führen die Spuren, die die Tiere hinterlassen, ins Nichts. Oder in schier unzugängliches Gelände. Wenngleich wir häufig ohne Rücksicht auf Verluste durch den dornigen Busch mit dem Jeep zur Beobachtungstour über Stock und Stein rumpeln.

Nacht unterm Sternenzelt

Gefährlicher noch als Löwe, Elefant und Nashorn ist hier im Busch das Nilpferd. "Hippos töten in Afrika die meisten Menschen", lässt uns Toko wissen. Wer auf dem Weg zum Wasser ist und einem Nilpferd in die Quere kommt, hat verloren. Abenteuerlich ist eine Nacht unterm Sternenhimmel auf dem Deck, während unter uns die Wildtiere futtern - oder auch nicht. Mehr als zwei Hyänen und dem lauten Geräusch, als ein Tier unter dem Deck hindurch prescht, kriegen Caroline, Miriam und ich nicht mit, als wir die Nacht im Freien verbringen. Der Gang zur Toilette ist allerdings nicht gestattet. Die Leiter hinunter, Geschäft erledigen, sofort wieder hinauf. Auch eine abenteuerliche Variante.

Volkszählung im Busch

Jeder Tag in Makalali birgt neue Abenteuer. Ob Elefanten, die unseren Jeep umzingeln, die verschiedenen Antilopen, die in Herden flüchten oder neugierig hinter den Büschen hervor lugen, während wir passieren, die Zebras und die vielen staunenden Giraffen, die neugierig ihre langen Hälse recken und mit enormen Wimpern klimpern. Einmal in der Woche findet quasi eine kleine Volkszählung im Busch statt. Ausgerüstet mit unserer Blackbox, in der sich neben dem GPS die Tierbücher befinden und sämtliche Listen, um alle Einzelheiten festzuhalten, ziehen die Volontäre mit den Rangern freitags los, um stets auf der gleichen Strecke - die Fahrt dauert ein bis zwei Stunden - jedes einzelne Tier zu dokumentieren. Ob Männlein oder Weiblein, auf welcher Straße, welcher Karte und um welche Uhrzeit. Ob sanfte Antilope - manche können bis zu drei Meter hoch springen -, Raubtier oder Raubvogel. So bekommen die Ranger ein umfassendes Bild von der gesamten Population in ihrem Schutzgebiet. Auch im strömenden Regen müssen wir unser Programm absolvieren. Natürlich im offenen Jeep. Aber so können wir auch die atemberaubende Landschaft im südafrikanischen Busch genießen. Wir haben nämlich das Glück, den Übergang von Winter zu Frühling zu erleben. Was bedeutet, dass wir anfangs leichtes Spiel haben, die Tiere zu entdecken, zumal die Bäume all ihre Blätter abgeworfen haben. Das wird zunehmend schwieriger, als nach dem Regen überall Knospen und Blätter zu sprießen beginnen. Dafür ist es wirklich bezaubernd schön. Und an manchen Tagen ist es so klar, dass die unglaublichen Drakensberge zum Greifen nah scheinen.

Der Leopard an meinen Fersen

"Someone was hunting you after you went to tent." Toko grinst, als er eines Morgens die Spuren vor meinem Zelt identifiziert und mir erzählt, dass mich nach dem Toilettengang wohl ein Tier gejagt hat. Upps! Ich war mir dessen nicht bewusst und habe auch keine Augen leuchten sehen. Und doch: Es war der Leopard. Das einzige, was wir von ihm gesehen haben, ist sein Hinterteil. Und das, als wir gerade einziehen ins Busch-Camp. Jeden Tag hoffen wir auf eine Begegnung mit diesem wundervollen Tier. Doch vergebens. Es scheint so, dass ich noch einmal hierher reisen muss. Eine recht ungewöhnliche Begegnung allerdings haben wir sogar bei Tageslicht. Da schlendert doch geradewegs auf unserer Sandpiste eine getupfte Hyäne daher. Nicht scheu und bis etwa fünf Meter von unserem Jeep. Es ist absolut beeindruckend, wie groß diese Tiere doch sind. Und im Rudel durchaus gefährlich. Auf dem nächtlichen Heimweg haben wir einen Beinahe-Zusammenstoß mit einem mächtigen Elefanten, der geradewegs auf unserer Route entlang spaziert. Er trompetet kurz, um uns zu bedeuten, dass wir nicht willkommen sind. Toko weiß, dass die Tiere nachts nicht unbedingt unsere Freunde sind und legt den Rückwärtsgang ein. Der Elefant folgt uns eine Weile, ehe wir an einer Kreuzung einen Umweg in der Finsternis einlegen.

Über Tiere und die Natur im südafrikanischen Busch lerne ich eine Menge von Toko, dem Zulu, von Andrew und Emma, den anderen beiden Rangern. Auch Stefan - er ist angehender Ranger und stammt aus Schweden - vermittelt uns so manch Neues. Mittlerweile kann ich weibliche von männlichen Giraffen unterscheiden - ohne auf die Geschlechtsteile zu achten. In der Regel ragen ja auch nur die langen Hälse aus den Bäumen hervor. Man erkennt sie an den Hörnern. Die der Männchen sind oben flacher und nicht behaart, die der Weibchen liegen zudem enger beieinander.

Löwen umringen unseren Jeep

Es ist einige Tage her, dass wir die Löwen gesehen haben. Trotz intensiver Suche können wir sie nicht ausfindig machen. Bei 35 Grad stehen wir nun mit zwei Jeeps im trockenen Flussbett voller Kieselsteine. Emma und Andrew sondieren die Lage. "Wir haben sie", funkt Emma vorher durch. Wir springen alle in ihren Jeep, der nun voller Volontäre und Ranger ist und ruckeln durch den Busch auf die andere Seite des Flussbetts. Etwa 200 Meter vor den Löwen zischt es. Ein Reifen ist platt. Im wirklich unpassendsten Moment. Jetzt ist Eile geboten. Obwohl es ein absolutes No-Go ist, den Wagen so nahe an den Löwen zu verlassen, müssen wir alle raus aus dem Jeep. Andrew drückt mir das Radkreuz in die Hand. Noch nie im Leben habe ich so schnell die Schrauben eines Rads gelöst. Die Nähe zu den Raubtieren scheint einem ungeahnte Kräfte zu verleihen. Eine Hand greift in die andere, Andrew wuchtet den platten Reifen runter und den Ersatzreifen dran. Ich drehe die Schrauben wieder fest. Ich glaube, wir haben keine fünf Minuten gebraucht. Der Adrenalinspiegel ist definitiv enorm hoch. Bei allen. Flugs springen wir wieder auf den Jeep, um dann eine Stunde lang die drei Löwinnen, zwei Heranwachsende und die fünf Jungen beim Spiel und Ausruhen zu beobachten und zu dokumentieren.

Dom, unsere Löwen-Expertin, die ihre Masterarbeit über die Tiere schreibt, hält alle fünf Minuten genau fest, was welcher Löwe gerade tut. Anhand der ID-Liste können wir alle namentlich identifizieren. Nach und nach verschwinden die Tiere hinter den Büschen. Und ehe wir uns versehen, werden wir nur wenige Meter von dem Jeep entfernt, von einer Löwin in Schach gehalten. Und wir befinden uns alle außerhalb des Vehikels. Mit wenig Hast - nur nicht den Jagdinstinkt der Raubtiere wecken! - klettern wir mucksmäuschenstill auf den Jeep und verfolgen die Löwen. Mittlerweile dämmert es. Im Lichtkegel erfassen wir zwei Löwinnen und heften uns an ihre mächtigen Tatzen. Wenige Meter weiter haben sich die Großen im Flussbett zur Ruhe gelegt. Die fünf Jungen - mittlerweile neun Wochen alt - stolpern tapsig und neugierig auf unseren Wagen zu. Zwei Löwinnen streichen nur zwei Meter von uns entfernt um den Jeep. Die Kleinen fallen tollpatschig übereinander her. Was für ein unglaubliches Schauspiel, das wir aus dieser Nähe bebachten können. Es rührt mich nahezu zu Tränen.
Ein weiteres Löwen-Spektakel erleben wir mit Stefan, als die Nacht schon hereinzubrechen droht. Gnadenlos rumpelt unser Jeep durch das nadelige Dickicht, während wir auf Tauchstation gehen, um ja nicht mit Schrammen übersät zurück ins Camp zu kehren. Eine Stunde lang verharren wir fünf Meter neben zwei mächtigen, mähnigen Löwen - Dom macht sie als Onkel und Neffe anhand der ID aus -, um dann in völliger Finsternis einen Busch über den anderen niederzumähen. Und keiner hat auch nur im Entferntesten eine Ahnung, wo es wieder auf eine Sandpiste geht. Gut, dass Toko auch noch kommt mit seiner heutigen Mannschaft - wenn auch zu spät für die Löwen, weil die sich wenige Minuten davor verziehen -, denn als wir endlich auf dem Weg sind, gibt unser Jeep den Geist auf. Und es ist kalt, die Löwen nicht weit von uns entfernt. Per Funk holen wir Toko zurück, der es schafft, die Maschinerie wieder zum Laufen zu bringen. Wir zuckeln jetzt hinter ihm her, damit wir nicht noch einmal stranden und irgendwo in der Wildnis im offenen Jeep übernachten müssen. Gleich tagsdarauf haben wir noch einmal ein wildes Erlebnis mit Andrew auf der Suche nach den Löwen. Während wir mit dem Jeep auf dem Weg zu den Nilpferden sind, macht sich der Ranger mit dem Gewehr auf die Suche. Sein Hilferuf klingt wirklich dringend. Als wir nahe dran sind an ihm, erblicken wir zwei wütende Löwinnen, die ihm auf den Fersen sind. Er schreit Stefan zu, endlich aufs Gas zu drücken, während er die Raubtiere mit dem Gewehr in Schach hält. Im letzten Moment gelingt es Andrew, in den Jeep zu springen. Das ist wieder mal knapp!

Begegnung mit dem schnellsten Landtier der Welt

Lange Zeit ist unsere "Jagd" nach den Geparden, die ein- bis zweimal im Wochenplan steht, absolut erfolglos. Vielleicht einmal eine Spur - die zu lesen, habe ich neben vielen anderen Dingen gelernt -, aber das war es dann auch. Dann hören wir über Funk, dass ein Jeep mit Touristen an Bord - es gibt einige exklusive Lodges im großen Tierschutz-Reservat - zwei Geparden ausgemacht hat. Wir jagen wie die Verrückten durch den Busch und entdecken die zwei Brüder gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit. Was für ein Anblick. Das schnellste Landtier der Welt hat sich voller Anmut im Gestrüpp lang gestreckt. Blickt uns in die Augen - und wir ihm. Welch elegante, geschmeidige Katzen Geparden doch sind. Ein unglaublicher Moment, den wir so nah mit den atemberaubend schönen Raubtieren genießen. Das wäre einzig zu toppen durch einen Leoparden, von dem ich in den vier Wochen leider - oder wenigstens - das Hinterteil zu sehen bekomme, als er gerade das Wasserloch nahe unseres Busch-Camps verlässt. 26 dieser wunderschönen Tiere sollen in Makalali leben.
Überleben im Busch

Im Busch-Camp leben wir unter der Obhut Tokos. Und das bedeutet: Ran an die Arbeit. Auf dem Weg zu unserer Busch-Tour - endlich einmal wieder Bewegung und immer dem Gewehr hinterher - liegen allerdings drei Bäume, die nicht gerade klein sind. Mit Sägen - selbstverständlich ohne Motor - und der Machete (den Umgang habe ich gut gelernt) machen wir uns ans Werk. Und Toko treibt uns mit der dornenübersäten Peitsche an. Und bittet uns laut lachend, die Fotos auf keinen Fall auf der offiziellen Seite von Siyafunda zu veröffentlichen. "Das schreckt sonst die künftigen Volontäre ab!" Selbstverständlich halte ich mich diesmal nicht an seine Anweisung. Von ihm lernen wir, wie man im Falle eines Verloren-gehens im Busch überleben kann. Man schnitzt sich aus dem Was-weiß-ich-noch-wie-der-heißt-Baum eine Zahnbürste, nimmt die Blätter des Toilettenpapier-Baums - Toko spricht vom toilet-paper-tree - zur Reinigung oder gräbt sich nahe des Flussbetts ein Loch, aus dem dann irgendwann auch ein wenig Wasser sickert. Die Tiere machen es nicht anders. Feuerholz gibt es zur Genüge. Seit acht Jahren Nichtraucher, habe ich leider auch kein Feuer mehr bei mir, was die ganze Sache etwas erschweren würde. Und dann gibt es da noch den "Tee-Baum", der natürlich nicht so heißt, aber aus dessen vertrockneten Blüten kann man einen Tee kochen - so Feuerzeug oder Streichhölzer vorhanden. Zu guter Letzt könnten wir im Falle des Strandens im Busch auch noch Termiten rösten. Das weckt Kindheitserinnerungen in Toko. "Wir haben immer einen Ast in den Termitenhügel gesteckt, zehn Sekunden gewartet, ihn herausgezogen und all die Termiten, die daran hingen, in einen Eimer abgestreift. Wenn der voll war, sind wir nach Hause und haben die Termiten in einer Pfanne geröstet." Öl brauche es dazu nicht, zumal die Termiten einen gewissen Anteil in sich tragen. Eingepackt in Papier war das für Toko und seine Kumpel der tägliche leckere Snack. Termiten sind übrigens absolut intelligente Tiere, wenn sie ihre Hügel bauen, die die 25.000 Hektar in Makalali regelrecht übersäen und teilweise bis zu drei Meter hoch sind. Verschiedene Schlote, die die wuseligen Ameisen-Tiere bauen, lassen die Luft im Inneren des Hügels zirkulieren.

Stochern im Kot

Mittlerweile kann ich Tiere auch anhand deren Kots identifizieren. Die Hinterlassenschaften der Hyäne sind weiß. Und wenn man sie zerbröselt, bleibt nur eines: weiße Brösel. Auch Leoparden oder andere Raubtiere hinterlassen weiße - nennen wir es halt beim Wort - Scheiße. Doch zertritt man diese, finden sich Haare darin. Giraffens Kot sind kleine Kügelchen, die sich denen anderer Tiere sehr ähneln. Doch angesichts der Höhe, aus der sie auf die Erde prallen, finden sie sich in einem weiteren Radius als die anderer Tiere. Jeder Tag ist lehrreicher als der andere. Und auch die Hinterlassenschaften von Black und White Rhino sind unterschiedlich. So finden sich in den dicken Haufen von Breitmaul-Nashörnern Grasrückstände, in denen vom aggressiven Spitzmaul-Nashorn hölzerne Reste vom Marula-Baum, der obendrein eine orange Farbe im Kot hinterlässt. Marulabäume lieben Spitzmaul-Nashörner ebenso wie Elefanten. Zebra-Kot ist in der Mitte teilbar - "wie bei Pferden auch". Als Nicht-Reiter habe ich mich bis dato noch nicht damit beschäftigt. Nun weiß ich das auch. "Das hier ist die blaue Feder eines lilac breasted rollers", erklärt Toko. "Das schenkt man seinem besten Freund." Ich schlage sofort zu und nehme die Feder mit. Ich werde sie meinem Chap aufs Grab legen. Denn er war nicht nur mein Mann und die Liebe meines Lebens, sondern auch mein bester Freund.

Spuckende Kobra in der Wäscherei

Tiere leben mit uns nicht nur im Busch-Camp oder auf der Farm, sondern auch in unseren Zimmern oder in der Wäscherei - halt dem Platz, wo die beiden Waschmaschinen stehen. Da fühlt sich gerade eine Mozambique Spitting Cobra - eine spuckende Kobra - pudelwohl. "Sie spucken bis zu zwei Meter weit und zielen direkt in die Augen", klärt uns Ranger Andrew auf. Deshalb tragen Emma und er für einige Momente eine Taucherbrille und sind mit dem Schlangen-Stecken "bewaffnet". Endlich hat Andrew das schlängelnde Tier in einer Tonne, die er mit einem Deckel verschließt. Um Näheres zu erfahren über die spuckende Kobra, folgen wir ihm ins große Wohnzimmer, wo er das Tier freilässt, um uns zu demonstrieren, wie man damit umgeht. Generell nie sollte man die Schlange hinter dem Kopf im Nacken packen. "Die Giftzähne greifen schneller rum, als ihr denkt." Einfach in Ruhe lassen, nicht hektisch werden. "Schlangen gehen einem aus dem Weg, es sei denn, man tritt auf sie oder wird ihnen gefährlich." Aus diesem Grund ist auf Siyafunda auch oberstes Gebot, keinerlei Essen - weder Knabbereien noch Süßes - mit aufs Zimmer zu nehmen. "Das lockt Mäuse und Ratten - und die letztlich die Schlangen." Das sitzt. Wer bis dahin noch Knabberspaß im Zimmer hat, entfernt ihn ganz schnell. Hat die Kobra doch Erfolg und spuckt einem in die Augen, sollte man diese umgehend mit jeder Menge Wasser ausspülen und anschließend zum Arzt gehen.

Wenn wir von Siyafunda aus einen Arzt benötigen würden und telefonisch um Hilfe bäten, könnten wir in einer halben Stunde Hilfe bekommen, so sich der Doktor jenseits des abgegrenzten Areals ebenfalls auf den Weg machen würde, um dem Patienten entgegen zu kommen. Die Mozambique Spitting Cobra befindet sich laut Andrew auf einer Tödlichkeits-Skala von eins bis zehn auf Platz sechs. Sieben bis zehn Prozent der Schlangen in Südafrika sind tödlich gefährlich für den Menschen. Die gefährlichste von allen ist die Black Mamba, "die wir in unserem Areal allerdings noch nicht entdeckt haben", sagt Andrew. Und während unsere Cobra munter durchs Wohnzimmer schlängelt, holt Emma ihre Lex. Die Weimaraner-Hundedame ist erst zehn Monate alt und muss den Umgang mit Schlangen lernen. Ihr erster Reflex ist, dass sie sich eingeschüchtert hinter die Rangerin flüchtet. "Gar nicht so schlecht", findet Emma. Bei der Begegnung mit dem gefährlichen Spitzmaul-Nashorn im Jeep allerdings ist Lex das letzte Mal ein wenig ausgeflippt. "Sie muss lernen, mit den Raubtieren umzugehen", verdeutlicht Emma. Andernfalls würde dies den schnellen Tod des Vierbeiners bedeuten. Viele Ranger hier haben Hunde. Und sie scheinen sehr lernfähig zu sein.

Impalas - das "Bush-take-away"

Wie viele Impalas - das ist eine der verschiedenen Antilopen-Arten hier - in Makalali leben, ist schwer auszumachen. Es sind definitiv sehr viele. Und sie werden scherzhaft als "McDonald's im Busch" oder "Bush-take-away" genannt, weil sie den Raubtieren als Hauptmahlzeit dienen. Auch Zebras und Gnus stehen auf dem Speiseplan der wilden Tiere. Zebras gibt es um die 500 hier im Schutzgebiet.

Harte Arbeit im Team

Es geht nicht immer nur um Tiere, wenn wir Volontäre im Busch arbeiten. Zuweilen ist es ein Knochenjob, den wir zu erledigen haben. So müssen wir eines Tages lange Hölzer einer ehemaligen Farm auf den Jeep hieven und festzurren, um sie nach Siyafunda zu bringen, der Farm, auf der ich drei Wochen lebe. Wir legen ein Gemüsebeet an. Und das auf äußerst unwirtlichem Boden. Mit Spitzhacke, Spaten und Schaufeln sind wir einige Stunden damit beschäftigt, das Fundament aus dem mit Steinen übersäten, trockenen Erdreich für die Hölzer auszuheben. Und zwar so tief, dass sich das Erdferkel nicht an den Früchten zu schaffen machen kann. Hölzer mit Schutzlack einlassen, Maschendraht festtackern. Und das bei brütender Hitze. In meinem Zelt herrschen gerade 45 Grad. Während ich morgens mit vier Schichten und einer Wollmütze auf dem Kopf starte, entwickelt sich Stunde um Stunde das reinste Schäl-Programm. Binnen kurzer Zeit wird es knackeheiß, während es spätnachmittags wieder in die andere Richtung geht und wir in Decken gehüllt im Jeep Richtung Camp rumpeln. Die Woche darauf vollenden wir unser Werk. Da geht es noch einmal richtig zur Sache. Mit einem Traktor, den Mike - er ist der Besitzer eines Teils von Makalali - steuert, holen wir die rötlich braune Erde für das Beet. Auch die müssen wir erst mühsam mit vielen Schaufeln und Spitzhacken lösen und aus dem Grund holen. Nachdem der Anhänger voll ist, machen wir das Beet fertig. Und wir - Volontäre und angehende Ranger aus Irland, Australien, Kanada, Deutschland, Frankreich, Wales (Amie legt Wert darauf, nicht aus England zu kommen), Italien und Schweden - sind stolz auf unser Werk. Die Früchte allerdings werden nachfolgende Volontäre ernten.
Wer sich für ein Volontariat im Busch interessiert oder auch für andere Projekte in Südafrika, wird fündig unter www.auszeit-weltweit.de oder direkt unter www.siyafundaconservation.com. Wer Nähereres über das Nashorn-Schutzprojekt von Siyafunda erfahren möchte, kann dies unter www.rhinoprotectiontrust.com