Fichtelgebirge Neonazi wegen Volksverhetzung verurteilt

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Matthias Fischer (Mitte) unterhält sich während des Aufmarsches des Neonazi-Netzwerks Freies Netz Süd am 16. November 2013 mit Polizisten in Wunsiedel. Jetzt war er wieder in Wunsiedel - und unterhielt sich mit dem Richter über exakt jenen 16. November. Foto: Timm Schamberger

Matthias Fischer muss sich vor dem Amtsgericht Wunsiedel verantworten. Im Mittelpunkt steht das sogenannte Heldengedenken der rechten Szene im Jahr 2013.

 
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Wunsiedel - Beruf: Maler. Familienstand: verheiratet: Kinder: drei. Monatseinkommen: 1600 Euro. Hinter diesen Daten einer bürgerlichen Existenz steht ein Neonazi, ein durchaus bekannter Neonazi: Matthias Fischer. Der Mann, der eine der Säulen des seit 2014 verbotenen "Freien Netzes Süd" war und nun der Partei "Der dritte Weg" angehört, musste sich am Dienstag vor dem Amtsgericht in Wunsiedel verantworten. Das Gericht verurteilte ihn wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von insgesamt 2700 Euro, zudem muss er die Kosten des Verfahrens tragen.

Alljährlich im November ist Wunsiedel der Schauplatz einer schaurigen Veranstaltung: Neonazis aus ganz Deutschland ziehen durch die Stadt - durch menschenleere Siedlungsstraßen - zu einem angeblichen Heldengedenken. So war es heuer, und so war es auch vor einem und vor zwei Jahren. Und genau jenes "Heldengedenken" vom 16. November 2013, bei dem Matthias Fischer Versammlungsleiter war, nahm nun das Gericht näher unter die Lupe: Denn auf dieser Versammlung mit rund 200 Teilnehmern wurde dem NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke gehuldigt. Priebke - Jahrgang 1913 - war im Zweiten Weltkrieg als deutscher SS-Führer an einem der schlimmsten Kriegsverbrechen in Italien, an den Geiselerschießungen bei den Ardeatinischen Höhlen, beteiligt. Er wurde 1998 in Italien als Kriegsverbrecher zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Wegen seines hohen Alters wurde aus der Haft ein Hausarrest. Im Jahr 2013 war Erich Priebke für die deutschen Neonazis ein großes Thema, weil er damals im Oktober hundertjährig in Rom starb.

Bei dem Umzug durch Wunsiedel - vier Wochen nach Priebkes Tod - haben damals drei unbekannte Personen ein Transparent getragen, auf dem neben einem Porträtbild von Erich Priebke folgender Text stand: "Tot sind nur jene, die vergessen werden. Erich Priebke lebt in unseren Herzen weiter!" Zudem hatte Edda Schmidt, sie gehört dem Bundesvorstand der NPD-Organisation Ring nationaler Frauen an, Priebke in den Mittelpunkt ihrer Rede gestellt. Für den Staatsanwalt war die Intention der Rede und des Transparentes klar: "Über die Person Priebke sollten die Unrechtstaten der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, insbesondere die der SS, der Priebke angehörte, gerechtfertigt und zugleich verharmlost werden."

Da Matthias Fischer als Versammlungsleiter nicht einschritt, warf ihm die Staatsanwaltschaft vor, den öffentlichen Frieden gestört, die Würde der Opfer des Nationalsozialismus verletzt und nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt zu haben. Strafbar ist das als Volksverhetzung.

Während der Staatsanwalt eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten und eine Geldauflage von 1500 Euro forderte, sprach sich der Verteidiger für einen Freispruch aus. Zum einen zweifelte er an, dass überhaupt der öffentliche Frieden gestört worden sei; schließlich sei ja auch die Polizei nicht bei der Kundgebung eingeschritten. Zum anderen stellte er die Frage in den Raum, ob Priebke spezielles NS-Unrecht begangen habe. "Priebke war keine Symbolfigur der Nationalsozialisten, sondern Polizist und Soldat."

Fischer selbst gab sich ahnungslos: Ihm sei nicht bewusst gewesen, ein strafrelevantes Verhalten an den Tag gelegt zu haben.

Es half ihm nichts. Der Richter betont in der Urteilsverkündung, wie wichtig das Recht auf freie Meinungsäußerung sei - und dass es für jede Couleur gelte. Aber er machte eines unmissverständlich klar: "Die freie Meinungsäußerung hat auch Grenzen." Und die sah er hier überschritten.

Auch die Ahnungslosigkeit ließ er Fischer nicht durchgehen: Er sah beim Angeklagten einen bedingten Vorsatz: Wer eine Veranstaltung hält, die Heldengedenken genannt wird, und bei der die Taten der Helden besprochen werden, der sei eben in Gefahr, in den Bereich der Volksverhetzung zu kommen.

Ausdrücklich in Schutz nahm der Richter die Polizei dafür, dass sie am Tag der Veranstaltung die Rede nicht unterbunden und das Transparent nicht beschlagnahmt hatte: "Das war ein Grenzfall. Da muss man in aller Ruhe prüfen, ob die freie Meinungsäußerung überschritten worden ist."

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