Marktredwitz Für Otto Reul scheint nachts die Sonne

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Der 72-jährige Rentner ist sauer wegen der ständig steigenden Strompreise. Mit einem Blockkraftwerk, kleinen Solaranlagen und einem Speicher ist er jetzt "fast autark" und zeigt den Anbietern die kalte Schulter. Seine monatliche Stromrechnung sinkt von 78 auf zehn Euro.

 
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Marktredwitz - "Die Erna könnte neun Stunden lang bügeln", schmunzelt Otto Reul, während sich seine Frau schon bei dem Gedanken daran schüttelt. Wenn der Stromspeicher des 72-jährigen Marktredwitzers unten im Keller voll ist, bedeutet dies eine Energieleistung von 9,6 Kilowattstunden (kwh). Und sollte ein Blitzschlag in der Umgebung einmal alles in Dunkelheit tauchen, "wäre es bei uns hell", versichert Reul. Denn binnen "zehn Milli-Sekunden" springe bei ihm in der Peter-Kolb-Straße der Notstrom an. Wie in seinem großen Garten, in dem er Mengen an Obst und Gemüse erntet, liebt es der Tüftler, unabhängig zu sein. "Jetzt bin ich fast autark", verdeutlicht er, als er der Frankenpost einen Blick hinter die Kulissen gewährt.

Der lizenzierte Funk-Amateur von einst beschäftigt sich zeit seines Lebens viel und auch gern mit Technik. Und er ärgert sich. Und zwar mächtig darüber, dass der Strom andauernd teurer wird. Lange sinniert er darüber nach, den Anbietern Paroli zu bieten. Jetzt ist ihm das - "allerdings nach einer ordentlichen Investition", wie er eingesteht - gelungen. "Mit Dachs und Knut bin ich fast autark", grinst er. Dachs, so heißt das im Keller installierte Blockkraftwerk, das um die 22 000 Euro gekostet habe. Daneben steht der 23 000 Euro teure Speicher, dessen Herzstück namens Knut im Vorraum steht und über ein Display jede geringste Regung der Sonne wahrnimmt.

Und nicht nur das. Bezug, Einspeisung, Erzeugung, Speicher-Anzeige und Verbrauch - all das kann Otto Reul mittlerweile von seinem Sessel im ersten Stock abrufen, ohne sich die Treppen hinunter mühen zu müssen. Dafür lässt er seine Finger nur über das Display seines Tablet-PC huschen und weiß, welche Geräte in seinem 120 Quadratmeter großen Haus gerade laufen und wie viel sie verbrauchen. Er sieht auf einen Blick, wie viel Strom gerade durch die Sonne erzeugt wird, wie viel in den Speicher fließt und wie voll dieser ist.

Doch geht es dem Computer-begeisterten Rentner nicht nur um Bequemlichkeit, sondern wirklich darum, unabhängig vom Preisdiktat der Stromanbieter zu sein. "Bei mir soll die Sonne auch nachts scheinen", erklärt er. Und zwar ohne Aufpreis. Denn Reul ärgert unter anderem, "dass ich für die Energie aus meinem Blockkraftwerk etwas über zehn Cent von der Eon kriege und die meinen Strom ein Haus weiter für knapp 30 Cent wieder verkauft". Da nutze er den Strom lieber selbst.

Bis vor Kurzem noch zahlte Otto Reul jeden Monat 78 Euro an die ESM. "Jetzt sind es nur noch zehn Euro", zeigt Otto Reul auf die jüngste Abrechnung. "Ich habe der ESM mitgeteilt, dass ich künftig die erzeugte Energie von der Sonne direkt verbrauche und nicht an die Eon weitergebe. Der Überschuss kommt in den Speicher. Erst was ich selbst nicht verbrauche, fließt an die Eon." Natürlich gebe es auch günstigere Lösungen, meint der Rentner angesichts der Ersparnis im Verhältnis zu der doch recht teuren Anschaffung, die sich in 20 bis 25 Jahren amortisiere. "Ich wollte aber den Mercedes unter den Energiespeichern", betont der 72-Jährige. Denn dieser dreiphasige Batteriespeicher ersetze den Drehstrom vollkommen.

Schon seit fünf Jahren etwa setzt Otto Reul auf Solarenergie. Kleine Anlagen hat der Marktredwitzer auf seinem Garagendach, auf dem Gartenhaus und natürlich auf dem Hausdach installiert. Auf einer Grafik führt der Rentner vor, dass morgens zwischen 6 und 6.30 Uhr die Spitze des Energieverbrauchs gemessen wird. "Da macht die Erna Kaffee und bereitet das Frühstück vor." Da gehen natürlich Radio, Lichter und die Kaffeemaschine an. Reuls größter Energiefresser ist der Elektro-Ofen, verdeutlicht er auf seiner Skizze. Waschmaschine und Geschirrspüler würden mit Warmwasser aus seinem Pufferspeicher - "da beziehen wir auch unser Duschwasser" - versorgt.

Nachahmern empfiehlt der Tüftler, zuerst einmal das Haus komplett zu isolieren. Erst wenn Fenster, Mauern und Dach perfekt isoliert sind, lohne es sich, in so einen Energiespeicher zu investieren.

Sieben Zähler laufen in dem großen Kasten unten in Reuls Keller. "Das, was ich hier an Versorgungseinrichtungen habe, würde auch locker für ein 300 Quadratmeter großes Haus reichen", betont er. Mit einer Investition von unter 20 000 Euro komme man auch aus, versichert er. Strombetriebenen Wärmepumpen erteilt er eine Absage: "Da bin ich ja sonst wieder abhängig vom Strom." Aber allen Häuslebauern empfiehlt er wärmstens ein kleines Blockkraftwerk oder eine gasbetriebene Wärmepumpe und eine Solaranlage.

Otto Reuls größtes Anliegen ist ein "erneuerbares Energie-Gesetz". Denn hochgradig ärgert den 72-Jährigen, "dass es so viele Befreiungen für die Industrie gibt". Jedes Jahr würden es mehr. "Das ist auch ein Grund für die ständig steigenden Strompreise, klagt er. "Wir wünschen sonnige Tage" habe die Eon die Briefe an ihn unterschrieben, erzählt Reul. "Ich glaube aber nicht, dass die das ernst meinen", sagt er augenzwinkernd. Und er hofft, dass es immer mehr Menschen gibt, die den Stromanbietern die rote Karte zeigen.

Ich speichere meinen Strom selbst, denn Eon verkauft ihn ein Haus weiter viel teurer.

Technik-Freak Otto Reul


Weil immer mehr Firmen befreit werden, müssen wir mehr für den Strom zahlen.

Rentner und Tüftler Otto Reul


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