Selbitz – Es kommt selten vor, dass ein Bürgermeister persönlich die Entlastung seiner Verwaltung vertagt. Dem Selbitzer Rathaus-Chef Stefan Busch blieb vor der jüngsten Sitzung des Stadtrates am Montag jedoch nichts anderes übrig: Zu groß waren die finanziellen Ungereimtheiten, die sich während der Rechnungsprüfung für das Jahr 2017 aufgetan hatten. Carsten Kirschner von der CSU-Fraktion, der als einer der Prüfer einbestellt worden war, nennt die Situation im Gespräch mit der Frankenpost ein „totales Fiasko“.
Offenbar sind in den vergangenen Jahren in der Selbitzer Verwaltung ganze Stapel von Erstattungsanträgen liegengeblieben – oder womöglich gar nicht erst erstellt worden. Mit denen sollte sich die Stadt eigentlich von Versicherungen das Geld zurückholen, das sie für Einsätze der Freiwilligen Feuerwehr ausgegeben hatte. Das ist aber nicht geschehen. „Die tatsächlich verbuchten Kostenersätze stehen in einem eklatanten Missverhältnis zum Haushaltsansatz“, sagte Rechnungsprüferin Ina Hundhammer-Schrögel, ÜWG, als sie in der Stadtratssitzung den Prüfbericht vorstellte. In Zahlen bedeutet das: Von 28 500 Euro, die hätten kommen sollen, sind nur etwa 1700 Euro eingegangen – also gerade einmal sechs Prozent. Rund 40 Rechnungen wurden nicht gestellt. Auch war es versäumt worden, Rechnungen für die Belegung der Turnhalle des Alten Schulhauses auszustellen, die Vereine oder Veranstalter für diverse Events nutzen. Rund 5000 Euro wären der Stadt in diesem Punkt entgangen, wenn Busch nun nicht nachgesteuert hätte.
Verantwortlich für die vergessenen Kosten-Rückererstattungen ist offensichtlich eine Mitarbeiterin des Rathauses, der man fristlos gekündigt hat, nachdem die Schlampereien bekannt wurden. Das erklärt Busch auf Nachfrage. Die Mitarbeiterin selbst nahm die Möglichkeit, sich in der Frankenpost zu äußern, nicht wahr.
Der Rathaus-Chef sagt im Gespräch mit unserer Zeitung, dass er die betreffende Person mehrmals dazu aufgefordert hatte, „ihren Arbeitsbereich in Ordnung zu bringen“. Das sei nicht geschehen. „Ich habe ihr zu lange zu viel Geduld entgegengebracht“, resümiert der Bürgermeister.
Das fehlende Geld für Feuerwehreinsätze und Turnhallenbelegung ist nicht der erste Vorfall. Auch andere Versäumnisse sollen auf das Konto der Mitarbeiterin gehen: Wie zu erfahren war, sollen sich in manchen städtischen Mietswohnungen noch keine Rauchmelder befinden, obwohl das seit 1. Januar 2018 gesetzlich vorgeschrieben ist. Zudem hatten die zuständigen Räte bereits vor einem Jahr während der Rechnungprüfung für 2016 Missstände bei der Vermietung von städtischen Wohnungen entdeckt. Wie berichtet, war es den Prüfern damals nicht möglich, Mietabrechnungen zu kontrollieren, da weder eine Auflistung über die Mietverhältnisse vorlag noch Abrechnungen von Nebenkosten nachvollziehbar waren. In der Sitzung vor einem Jahr nahmen Busch und einige andere Vertreter des Selbitzer Gremiums besagte Mitarbeiterin noch in Schutz. Sie forderten von Carsten Kirschner, der die Missstände als Rechnungsprüfer entdeckt hatte, sogar eine Entschuldigung bei der Frau.
Nun ist der Ton ein anderer geworden. „Hätte sie um Hilfe gebeten, hätte sie diese auch bekommen“, sagt Busch. Kirschner will das so nicht gelten lassen. Er sieht auch die Kämmerei in der Verantwortung. Die Mitarbeiterin sei ein Bauernopfer: „Ihre beiden Vorgesetzten sind genauso schuld an dem Schlamassel.“ Auch ihnen hätte auffallen müssen, dass es für die Kosten keine ausreichende Deckung gibt und Arbeit liegenbleibt, meint Kirschner.
Es drängen sich also Fragen auf: Wer wusste wann von dem sich anbahnenden Debakel? Und warum hat niemand früher etwas unternommen? Zumal es sich bei der ehemaligen Mitarbeiterin um die Tochter einer Selbitzer Stadträtin und Rechnungsprüferin handelt. Hat man deshalb zu oft ein Auge zugedrückt? Wie Hauptamtsleiter Ulrich Kraus auf Nachfrage eingesteht, sei die Konstellation unglücklich gewesen. „Künftig würde man das so nicht mehr zulassen.“ Er betont jedoch: Besagte Rätin habe nicht den Zuständigkeitsbereich ihrer Tochter geprüft. Auch Kämmerer Michael Munzert gesteht Fehler ein: „Wir hätten früher reagieren müssen.“ Man habe der Mitarbeitern jedoch die Möglichkeit geben wollen, die Rückstände aufzuarbeiten.
Ob der Stadt dadurch ein finanzieller Schaden entstanden ist, können die Verantwortlichen noch nicht überblicken. „Wir sind gerade dabei, die Rückstände aufzuarbeiten“, sagt Munzert. Rein rechtlich droht – nach größter Anstrengung anderer Mitarbeiter – aber zumindest keiner der Ansprüche mehr zu verjähren. Das bedeutet, die Stadt kann das Geld laut Busch nachträglich noch eintreiben. Ein Großteil des ausstehenden Betrages für das Geschäftsjahr 2017 sei bereits auf dem Konto der Stadt eingegangen. Wie hoch der Fehlbetrag aufgrund der vergessenen Bescheide insgesamt ausfallen dürfte – also auch für andere Jahre – dafür gibt es noch keine verlässliche Zahl.
Die Mitarbeiterin war seit 2015 bei der Stadt beschäftigt. Auch ihre Mutter blockt auf Anfrage ab: „Wir äußern uns nicht.“