Dann entdecken die Eltern, dass das Mädchen Probleme mit dem Sehen hat. "Sie hat keine Spielsachen angefasst und auch nicht hingeschaut. Nur selten haben wir einen Blickkontakt zu ihr aufbauen können", sagt Angelika Braun mit traurigen Augen. Trotz Frühförderung und Therapien bilden sich schleichend die anfänglichen Fähigkeiten Antonias zurück. "Plötzlich kam kein Laut mehr, kein Lächeln huschte mehr über ihre Lippen, Essen wurde zur Tortur."
Durch Zufall stößt die Mutter im Internet auf einen Artikel über das "Atypische Rett-Syndrom". Die Symptome ähneln dem Krankheitsbild ihrer Tochter. Sie lassen Antonia auf diese Krankheit hin testen. "Im Juli 2013 haben wir die Diagnose CDKL5 bekommen", erzählt Angelika Braun. Nach vier Jahren gibt es eine Antwort auf das "Warum?".
Das hat die Situation für die Brauns nicht leichter gemacht, "aber wenigstens konnten wir uns ab da mit Betroffenen austauschen, was sehr hilfreich ist". Die Eltern - der Vater ist Schreiner und baut für das Mädchen ein riesiges Bett und einen monströsen Laufstall - wechseln sich jede Nacht ab. "Einer schläft immer bei Antonia im Bett." Und in der Regel sind das schlaflose Nächte, denn alle zwei Stunden muss das Mädchen gefüttert werden. Über eine PEG-Sonde wird die Zehnjährige künstlich ernährt. Weil die Kleine häufig erbrechen muss, achten die Eltern peinlich genau darauf, dass sie auf tausend Kalorien täglich kommt. Auch ihre Tabletten bekommt Antonia über die Sonde, ebenso die Getränke. "Beim Abführen müssen wir nachhelfen." Die epileptischen Anfälle kommen mehrmals täglich. Seit 2016 geht Antonia in die Lebenshilfeschule, "wo sie liebevoll betreut und gefördert wird", sagt ihre Mama.
Eine Chance auf Heilung gibt es nicht. Zumindest ist die Forschung längst nicht so weit. "Sie bekommt Physiotherapie, und wir gehen zum Reiten", sagt Mutter Alexandra und führt die dicke Spritze mit der Flüssigkeit in die Sonde auf Antonias Bauch ein. Das Mädchen würgt und verschluckt sich. Die Mama hält die Spuckschale bereit, die immer in Reichweite steht, und meint nachdenklich: "Ich glaube, sie kriegt mehr mit, als man denkt." Wissen tut sie es nicht, ebenso wenig, ob Antonia weiß, dass sie ihre Mutter ist. "Manchmal macht es einen super traurig", sagt sie. "Vor allem, wenn man allein ist." Alexandra Braun hält die Tränen zurück, blickt ins Gesicht ihrer Tochter und lächelt. Zurücklächeln aber, das wird Antonia niemals können.