Thurnau Vom Kleinod zum Gebrauchsgegenstand

Harald Stark
Im Original misst der Giech‘sche Briefbeschwerer 14 mal 8,5 Zentimeter. Foto: Harald Stark

Ein Briefbeschwerer mit Wappen ist Zeuge der langen Familiengeschichte derer von Giech. Er erzählt von tapferen Rittern und einer wundersamen Vermehrung.

 
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Thurnau - Als Erkennungszeichen im Kampf oder Turnier entstanden, war das Wappen für die Adelsgesellschaft des Mittelalters und der Neuzeit das sichtbare Zeichen ritterlich-adeliger Abstammung, wie auch der Familienzugehörigkeit seines Trägers. Das ursprüngliche Wappen der auf Schloss Thurnau ansässigen Familie Giech zeigt auf silbernem Schild zwei nebeneinander stehende rote Schafscheren. So hat es bereits Claes Heynen, der Herold des Herzogs von Geldern, in sein zwischen 1369 und 1396 gefertigtes Wappenbuch gezeichnet. Dieses als Codex Gelre bekannte, zu den frühesten Wappensammlungen in Europa zählende Werk, wird in der königlichen Bibliothek in Brüssel aufbewahrt. Auf Blatt 30 enthält es die Wappen von Lehenleuten der Burggrafen von Nürnberg, darunter auch das des "H[errn] Hans vo[n] Gyech".

Ritterturniere waren die Fußballspiele von einst: Den wappenkundigen Herolden des Mittelalters kam besonders bei den damals als Sportveranstaltungen beliebten Turnieren eine wichtige Rolle zu. In ihrer Rüstung hinter den zugeklappten Visieren sonst unkenntlich, war es ihre Aufgabe, die gegeneinander antretenden Ritter an ihren Wappen zu erkennen und das Geschehen auf dem Turnierplatz lautstark zu kommentieren, ähnlich wie es heutzutage die Stadionsprecher bei Fußballspielen zu tun pflegen.

Der schwere Job des Herolds : Dabei hatten es die Herolde nicht so einfach, wie man vielleicht denkt. Denn das Rennen und das Stechen, bei dem zwei Gegner versuchten, sich mit Lanzen vom Pferd zu stoßen, waren nicht die einzigen Arten des ritterlichen Turniers. Da gab es noch den Buhurt, bei dem zwei Gruppen von berittenen Kämpfern mit stumpfen Schwertern aufeinander losgingen, um sich gegenseitig die auf dem Helm befestigten Helmzieren und Helmkleinode vom Kopf zu schlagen.

Wie man dem Hitzschlag vorbeugt: Als Helmzier trugen die Giech zwei silberne, über Eck rot geteilte Büffelhörner. Das Helmkleinod bestand aus einem aus dem Helm wachsenden silbernen Schwan, dessen Flügel je mit einer roten Schafschere belegt waren. Es gab aber auch Giechs, die als Helmkleinod einen rot gekleideten, gekrönten Frauenrumpf trugen. Zu einem vollständigen Wappen gehören dann noch die unter Helmzier und Kleinod über den Helm gelegten farbigen Helmdecken, die den Helm ein wenig vor den Sonnenstrahlen schützen und den darin steckenden Ritter vor einem Hitzschlag bewahren sollten.

Wie das Wappen entstand: 1482 vermehrte Kaiser Friedrich III. das Wappen der Giechs in der Art, dass das Schild in vier Felder geteilt wurde. Bei solchen Feldteilungen, wird das obere - vom Schildträger aus gesehen - rechte Feld mit der Nummer 1, das obere linke Feld mit der Nummer 2, das untere rechte Feld mit der Nummer 3 und das untere linke Feld mit der Nummer 4 bezeichnet. Das Giech’sche Wappen zeigte fortan also in den Feldern 1 und 4 das Stammwappen mit den beiden roten Schafscheren. In den Feldern 2 und 3 jedoch einen wohl vom Helmkleinod entlehnten silbernen Schwan in rotem Feld.

Die ausgestorbenen Vorfahren: Bei dem Objekt, das wir heute vorstellen, handelt es sich um einen Briefbeschwerer aus weißem Porzellan, auf den jenes Wappen gemalt wurde, das die Giechs seit ihrer Erhebung in den Grafenstand 1695 führten. Dieses ist in neun Felder geteilt, wobei das in der Mitte des Schildes gelegene Feld 5 das vornehmste ist und das ursprüngliche Familienwappen mit den beiden Schafscheren zeigt.

Die Felder 1 und 9 enthalten auf silbernem Grund einen aus der rechten, beziehungsweise linken unteren Ecke hervorragenden, rot gekleideten Arm, der je drei goldene Kleeblätter hält. Dieser ist dem Wappen der durch Einheirat mit den Giechs verbundenen, ausgestorbenen österreichischen Exulantenfamilie Praunfalck entlehnt und war schon 1680 bei der Erhebung der Familie in den Freiherrnstand in deren Wappen gelangt. Die Felder 2 und 8 zeigen dann den seit 1482 im Giech’schen Wappenschild enthaltenen Schwan. In den Feldern 3 und 7 folgen dann in Blau drei goldene Pfennige und in den Feldern 4 und 6 auf rotem Grund je ein achtspeichiges silbernes Mühlrad.

Ein alltagstaugliches Standessymbol: Der Briefbeschwerer dürfte wohl um das Jahr 1870 entstanden sein. Er misst 14 mal 8,5 Zentimeter und ist zwei Zentimeter hoch. Nach dem um 1900 entstandenen Stammgutinventar befand er sich damals im Großen Salon auf der breiten Galerie in der ersten Etage des Carl-Maximilian-Baus des Thurnauer Schlosses, wurde dann aber von Friedrich Carl von Giech mit nach Wiesentfels genommen. Der Briefbeschwerer ist ein Beispiel dafür, wie das Wappen in Adelsfamilien in späterer Zeit zum Signet wurde, das auch auf vielen im Alltag genutzten Gegenständen angebracht wurde.

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