Archäologie in Deutschland 6000 Jahre alte Totenhäuser auf Intel-Gelände entdeckt

Markus Brauer

Das Magdeburger Intel-Gelände gibt nach und nach seine archäologischen Geheimnisse preis. Nun gab es einen weiteren Jahrtausende alten Fund: Die Grabhügel von zwei Rindern und einem erwachsenen Mann aus der späten Steinzeit.

 
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Das Skelett eines 35 bis 40 Jahre alten Mannes ist auf dem Eulenberg in Magdeburg in einem rund 6000 Jahre Hockergrab zu aus der späten Steinzeit sehen. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Zwei rund 6000 Jahre alte, überhügelte Totenhäuser sind auf dem künftigen Gelände des US-Chipherstellers Intel in Magdeburg in Sachsen-Anhalt entdeckt worden. Die Hügelgräber gehören zur sogenanten Baalberger Kultur.

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„Die beiden im Durchmesser ungefähr 50 Meter großen Anlagen liegen ungefähr 200 Meter auseinander. Jede enthält ein aus Holz errichtetes, trapezförmiges Gebäude von 20 beziehungsweise 30 Metern Länge. Darin befanden sich mehrere Bestattungen“, sagt die Archäologin und Projektleiterin Susanne Friederich vom Landesamt für Denkmalpflege.

Baalberger Kultur

Das Grab ist gehört zur Baalberger Kultur. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert
Ein Archäologe vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt legt auf dem Eulenberg Knochen eines etwa 40 Jahre alten Mannes frei. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Die Baalberger Kultur war eine frühe jungneolithische Kultur um etwa 4200 bis 2800 v. Chr. mit Fundstätten in Mitteldeutschland und Böhmen. Benannt wurde sie nach dem Erstfund im Schneiderberg bei Bernburg (Salzlandkreis) in Sachsen-Anhalt. Sie wird zu den Trichterbecher-Kulturen gerechnet und ist in Deutschland deren fundreichste Erscheinung.

Im nördlichen Mitteleuropa, im mittleren Osteuropa, in Dänemark und in Südskandinavien ist die Trichterbecher-Kultur die erste vom Ackerbau geprägte bäuerliche Kultur des nordischen Frühneolithikums. Sie folgt im Norden der mesolithischen Ertebølle-Kultur (5100 bis 4100 v. Chr).

Kugelamphoren-Kultur

Archäologe sichern auf dem Eulenberg Knochen zweier Rinder. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Vor rund 5000 Jahren, also rund 1000 Jahre später, verlief zwischen den beiden großen Grabhügeln ein Weg. Entlang dieses Weges fanden die Archäologen zwei Doppelbestattungen von Rindern aus der Kugelamphoren-Kultur. Diese mitteleuropäische bäuerliche Kultur des Spätneolithikums existierte von 3450 v. Chr. bis 2600 v. Chr. Benannt wurde sie nach den typischen Tongefäßen mit kugelförmigem Körper, zylindrischem, meist verziertem Hals und Ösenhenkeln am Halsansatz.

Grab mit Überresten zweier Rinder und eines Mannes

Die Rinder waren paarweise im Abstand von sieben Metern niedergelegt. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert
Auf dem Eulenberg liegen die Knochen eines etwa 40 Jahre alten Mannes (rechts) und die Knochen einer Doppelbestattungen von Rindern (links). Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Die Rinder waren paarweise niedergelegt. Derartige Rinderbestattungen aus der gleichen Zeit sind aus Jütland in Dänemark bekannt. Auf dem Intel-Gelände gehört zu solch einer Doppelrinder-Niederlegung eine menschliche Bestattung.

„Das ist ein erwachsener Mann, 35 bis 40 Jahre alt. Es sieht so aus, dass diese menschliche Bestattung unmittelbar zu dieser Rinderniederlegung gehört“, erklärt Grabungsleiterin Xandra Dalidowski.

Schnurkeramik-Zeit

Sonnenlicht fällt auf eine Amphore die auf dem Eulenberg von Archäologen vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhaltin in einem Grab freigelegt wurde. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Ebenso wurden im Abstand von rund 600 Metern zehn Grabhügel aus der Epoche der Schnurkeramik-Zeit, etwa 4500 Jahre alt, entdeckt. Sie haben einen Durchmesser von ungefähr zehn Metern. Meist bedecken diese eine einzelne menschliche Bestattung.

Als schnurkeramische Kultur bezeichnet man einen Kulturkreis der Kupfersteinzeit (5500 bis 2200 v. Chr.) am Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. Die Schnurkeramik ist nach der charakteristischen Gefäßverzierung benannt, bei der mit einer Schnur umlaufende Rillenmuster in den Ton eingedrückt wurden.

Sicherungsgraben einer Ansiedlung ausgegraben

Der Eulenberg ist das künftige Gelände auf dem der US-Chipherstellers „Intel“ ein Werk bauen will. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Aus der Zeit vor rund 4000 Jahren hat sich ein schmaler Graben, 50 Zentimeter breit und 20 Zentimeter tief, erhalten. „Der Graben verläuft über die Rinderbestattungen hinweg, hat sie aber nicht tiefgreifend zerstört“, so die Projektleiterin. „Es war kein Verteidigungsgraben, sondern vermutlich ein einfacher Sicherungsgraben einer Ansiedlung auf dem Eulenberg.“

Intel-Chipfabrik in Magdeburg

Die archäologischen Arbeiten sollen den Angaben zufolge Mitte April fertig werden. „Eine Gefährdung der Intel-Ansiedlung besteht aber nicht“, betont Friedrich.

Intel will in Magdeburg Chips der neuesten Generation produzieren. In einer ersten Ausbaustufe sollen zwei Halbleiterwerke gebaut werden, mehrere tausend Arbeitsplätze könnten entstehen. Außerdem ist ein Hightech-Park für die Ansiedlung von Zulieferern geplant (mit dpa-Agenturmaterial).

Info: Perioden der Steinzeit

Steinzeit
Die früheste Epoche der Menschheitsgeschichte ist durch den Gebrauch von Steinwerkzeugen gekennzeichnet, die bereits von frühen Vertretern der Gattung „Homo“, dem „Homo habilis“ und „Homo erectus“ hergestellt wurden. Die Steinzeit begann vor 2,6 Millionen Jahren in Afrika und in Europa vor 1,1 Millionen Jahren und endete vor 2200 v. Chr.. Die Steinzeit wird in drei große Perioden unterteilt:

Altsteinzeit
Die Altsteinzeit (Paläolithikum) beginnt mit dem Altpaläolithikum (vor 2,6 Millionen bis 300 000 Jahren), gefolgt vom Mittelpaläolithikum (vor 300 000 bis 40 000 Jahren) und endet mit dem Jungpaläolithikum (vor 40 000 bis 10 000 Jahren). Die Menschen waren Jäger und Sammler, zusammengesetzte Jagdwaffen aus Holz und Stein und das Feuer waren ihnen bekannt.

Mittel- und Jungsteinzeit
Mit dem Ende der Eiszeit beginnt in Europa die Mittelsteinzeit (Mesolithikum, 9600-4500 v. Chr.). Der Übergang von der Jäger- und Sammlerkultur zu Ackerbau und Viehzucht markiert den Beginn der Jungsteinzeit (Neolithikum, deshalb auch Neolithische Revolution genannt). In Mitteleuropa beginnt sie um 5600 bis 4900 v. Chr. und endet um rund 2150 v. Chr..

Kupfer- und Bronzezeit
Das Ende der Steinzeit wird eingeläutet durch den in Ägypten, Südosteuropa und Vorderasien aufkommenden Kupferbergbau und die ersten Techniken der Metallurgi – Kupferzeit. Der bekannteste Mensch der Kupferzeit ist der als Kältemumie erhaltene Ötzi (um 3300 v. Chr.). Mit der Bronzezeit, in der Metallgegenstände vornehmlich aus Bronze (einer Legierung von Kupfer und Zinn) hergestellt werden, endet endgültig die Steinzeit.