Die Verwaltung in Selbitz habe umgehend gehandelt, als der Fehler bekannt war, und den zehn Bauhofbeschäftigten das vorenthaltene Geld nachbezahlt, mehr als 10 000 Euro pro Nase. Allerdings gab es anschließend noch eine Zahlung, weil in der Nachzahlung Fehler unterliefen, wie ein Zeuge berichtete. Für Liebau nur Nebensache: „Wir sind nicht in der Landeshauptstadt München, wo eine Verwaltung für jedes Thema einen Spezialisten hat, der sich auf eine Sache fokussieren kann.“ Allein die zügige, wenn auch nicht sehr zügige Aufarbeitung des Fehlers nach dem Hinweis des kommunalen Prüfungsverbandes spräche für Busch und sein Team. Zudem habe die Rentenkasse für die Jahre 2015 bis 2018 nichts beanstandet nach einer Betriebsprüfung. Das Schreiben dazu übergab der Bürgermeister im Gerichtssaal der Richterin.
Nach dem Auftakt am Freitag sind noch zwei weitere Verhandlungstage angesetzt. Doch schon jetzt kristallisiert sich wieder heraus, dass Busch wohl eine Kommune übernommen hat, in der manche Dinge bisweilen wie auf einem Basar verhandelt wurden. Die Frage ist, ob er manches wusste und weitergeführt hat und warum die Aufarbeitung so lange dauerte? Busch war vor seinem Wahlsieg 2014 bereits Stadtrat und Rechnungsprüfer, also doch nicht ganz so fachfremd, wie ihn sein Anwalt gerne darstellt.
Auf die Frage des Staatsanwaltes, wie die Übergabe durch seinen Amtsvorgänger lief, berichtete Busch lediglich von einer Schlüsselübergabe. Dann saß er da im Rathaus, weil den Postboten halt viele kennen.
„Was steht da so an am Anfang?“, will der Staatsanwalt wissen. „Zum Beispiel Bürgermeisterdienstbesprechungen im Landratsamt“, antwortet Busch.
Offenbar lief vieles in Selbitz so weiter, wie es war, weil der Neue zu wenig Wissen hatte und auch kaum Hilfe bekam oder nicht annahm. Auch diesen Vorwurf hört man immer wieder aus Selbitz.
Buschs Argumente ließ die Richterin nicht immer gelten. Als er darauf verwies, von Sozialabgaben noch nie etwas gehört zu haben, weil er seit seiner Ausbildung Beamter sei, kanzelte die Vorsitzende den Bürgermeister ab. Erstens sei das Allgemeinwissen und zweitens Schulstoff. „Sozialkunde, siebte Klasse, oder so.“
Dass es nur um zwei Jahre geht, liegt an der Verjährung. So berichteten zwei Zeugen davon, wie bereits im Jahr 2010 die Bezahlung für die Rufbereitschaft im Winter zur Debatte stand. Damals habe der Vorgänger des aktuellen Vorarbeiters im Bauhof das Thema aufgebracht, dann aber gleich davor gewarnt, man solle doch froh sein, die ausgehandelten Pauschalbeträge überhaupt zu bekommen. Dass damit nicht nur Lohn, sondern auch Sozialleistungen vorenthalten werden, habe niemand gewusst. In den Jahren bis 2017 kam das Thema immer mal wieder auf, wurde vom hartnäckigsten Bauhofmitarbeiter beim damaligen Personalrat – der zwischendurch neben seiner Aufgabe als Kämmerer auch noch Hauptamtsleiter war – angesprochen. Letztlich waren die meisten Mitarbeiter mit den fünf Euro pro Werktag und 30 Euro für jeden Wochenendtag in Bereitschaft zufrieden. „Das war halt so in der adeltschen Zeit“, sagte der Mann, der so wirkt, als könne er den ganzen Wind um den Fall nicht verstehen.