Bierrechtstag Muss der Alkoholkonsum stärker reguliert werden?

Jugendliche beim „Trichtern“: Bier wird über einen Schlau in einem Zug ausgetrunken. Nur Spaß oder schon Grund zur Sorge? Viele Experten auf dem Kulmbacher Bierrechtstag sind gegen weitere Regulierungen bei alkoholischen Getränken. Foto: dpa/Ole Spata

Um diese Frage drehte sich der zweite Kulmbacher Bierrechtstag mit 60 Vertretern aus der Forschung, der Brauerei-Branche, den Ministerien und des Rechtswesens. Trotz vieler Meinungen zum Abhängigkeitspotential von Bier, Wein und Schnapps blieben sich die Experten bei einer Sache einig.

 
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Alkohol und Gesundheit“ – das Motto des diesjährigen Bierrechtstags – geht für die EU-Kommission wohl überhaupt nicht zusammen. Ihr „Europe’s beating cancer plan“ sieht vor, den Alkoholkonsum europaweit spürbar zu reduzieren. Im Plan steht, wie Krebserkrankungen in der EU eingedämmt oder verhindert werden sollen. Und das wird Konsequenzen für alle Branchen haben, die alkoholhaltige Getränke herstellen, verbreiten oder vermarkten.

Deshalb hatten der Lehrstuhl für Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth gemeinsam mit den Museen im Mönchshof ihren zweiten Kulmbacher Bierrechtstag unter das Motto „Alkohol und Gesundheit“ gestellt. Rund 60 Experten, darunter Forschende, Vertreter der Brauerbünde, der Weinakademie, des Weinbauernverbands und von Ministerien, der Wirtschaft, des Handels sowie Rechtsanwälte, folgten der Einladung und kamen in die Alte Spinnerei und in den Kulmbacher Mönchshof.

Ehrgeizige Ziele

Was die EU konkret plant, erläuterte Kai Purnhagen, Inhaber des Lehrstuhls für Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth. Er initiierte den Bierrechtstag. Der „Europe’s beating cancer plan“ habe ehrgeizige Ziele: Alkohol-Warnungen auf Etiketten, striktere Regeln bei der Online-Werbung für alkoholische Getränke, vor allem im Hinblick auf Jugendliche, sowie eine Überprüfung der Besteuerung und des Handels mit alkoholhaltigen Getränken. Die EU darf all dies regulieren, so Purnhagen. Unklar sei, ab wann es sich um schädlichen Alkoholkonsum handle.

Die Dekanin des Campus Kulmbach, Janin Henkel-Oberländer, beleuchtete die gesundheitlichen Auswirkungen von alkoholischen Getränken: „Rein biochemisch betrachtet, steht es außer Frage, dass Alkohol ein Zellgift und damit gesundheitsschädlich ist. Aber eben nicht für jeden im selben Maße.“ Alter, Geschlecht, Gewicht oder Ernährung seien wichtige Faktoren, die die Schäden des Alkoholkonsums beeinflussen. Dies mache es sehr schwer zu entscheiden, wie viel „zu viel“ Alkohol ist. Wer regelmäßig und massenhaft zur Flasche greift, könne jedoch mit schweren Langzeitfolgen rechnen.

Hoher Alkoholkonsum in Deutschland

Deutschland ist immer noch eins der Länder mit dem höchsten Alkoholkonsum weltweit. Laut des Alkoholatlas Deutschland konsumieren zwei Drittel der Erwachsenen hierzulande regelmäßig alkoholische Getränke. Jugendliche trinken jedoch weniger als früher: Heute sind es 8,7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen. 1979 waren es laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung noch 25 Prozent der Befragten.

Trotzdem gibt es in Deutschland jährlich 75.000 Todesfälle, die mit Alkohol in Verbindung stehen. Allerdings sei diese Zahl mit Vorsicht zu genießen, denn sie stamme aus dem Jahr 1991, wie Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, ergänzte.

Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, betonte, es sei schwer zu bewerten, ob Verbote das einzig Zielführende sind: „Weil Menschen sich ungern Dinge wegnehmen lassen, die ihnen Spaß machen.“ Eher sollten bewusste Entscheidungen gefördert werden. Hensel plädierte für eine genauere„Risikokommunikation“. Gerade in den Medien sei einiges „überdramatisiert“ – bei Alkohol ebenso wie bei manchen Lebensmitteln.

„Die Mehrheit der Menschen ist in der Lage, selbst zu entscheiden, Verbote führen nicht weiter“, ist auch Kristine Lütkes (FDP) Meinung. Sie ist Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag und plädierte dafür, die Bürger besser über ihre Gesundheit aufzuklären, damit diese selbstbestimmt entscheiden, wie sie mit Alkohol umgehen. Christine Röger, Leiterin des Kompetenzzentrums für Ernährung, widersprach strickt: Aus ihrer täglichen Arbeit der Ernährungserziehung an Schulen weiß sie, dass solche Präventionsbotschaften nur schwer ankommen.

Brauer-Verband gegen weitere Regulierungen

Die Verbandsvertreter hingegen lehnte weitere Regulieren klar ab. Julia Busse, Geschäftsführerin für Politik und Recht des Deutschen Brauer-Bunds meinte, Erwachsene in den Jugendschutz einzubeziehen, ginge zu weit. „Was wir brauchen, ist vor allem gute Aufklärung, um die Menschen zu überzeugen. Alkohol und Gesundheit, das ist kein Feld für noch mehr Regulierung.“

Der zweite Kulmbacher Bierrechtstag habe gezeigt, welcher enorme Handlungsdruck auf die Branche zukommt, fasste Lebensmittelrechtler Kai Purnhagen die Veranstaltung zusammen. „Umso wichtiger ist es, dass sich Wissenschaft, Politik und Praxis konstruktiv austauschen und in den Gesetzgebungsprozess einbringen. Nur so können sinnvolle Regeln geschaffen werden.“

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