"Nie tiefer fallen als in Gottes Hand"
Es folgten am Mittwoch AfD-Krisensitzungen. Erst besprach sich der Bundesvorstand telefonisch, dann wurden auch die Landesvorsitzenden einbezogen. Schon während der Sitzung des Bundesvorstands meldete "Bild", die Parteispitze habe gegen Krah ein Auftrittsverbot im Wahlkampf verhängt. Krah konterte kurz darauf auf der Plattform X mit seiner eigenen Lesart: Er verzichte selbst auf weitere Wahlkampfauftritte und trete als Mitglied des Bundesvorstands zurück.
Der 47-jährige Sachse verpackte das in die poetische Botschaft: "Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Ich nehme zur Kenntnis, dass sachliche und differenzierte Aussagen von mir als Vorwand missbraucht werden, um unserer Partei zu schaden. Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist eine Debatte um mich." Die Parteispitze formulierte dürrer, aber eindeutig: "Im Ergebnis wurde ein massiver Schaden für die Partei im laufenden Wahlkampf festgestellt, für den der Spitzenkandidat den Vorwand geliefert hat." Krahs "konsequenter Rückzug aus der Öffentlichkeit wurde mehrheitlich begrüßt".
Von Anfang an umstritten
Die Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel bringt der ganze Vorgang in eine heikle Lage. Krah galt schon bei seiner Nominierung in Magdeburg im vergangenen Jahr eher als Wunschkandidat des Thüringer Landeschefs Björn Höcke. Chrupalla und Weidel arrangierten sich. Kritik an Krahs Russland- und China-Nähe gab es von Anfang an, Streit mit dem RN in Straßburg und Brüssel ebenfalls. Krah machte Furore mit krawalligen Tiktok-Videos nach dem Motto "echte Männer sind rechts" und Werbung für die traditionelle Rolle der Frau. Er bekannte sich zum Begriff "Remigration", den andere in der Partei inzwischen meiden.
Zunehmend eng wurde es für Krah in den vergangenen Wochen: Erst Vorwürfe, er und Bystron hätten Geld vom prorussischen Portal "Voice of Europe" genommen - was beide bestreiten. Dazu die Verhaftung eines Mitarbeiters von Krah als mutmaßlicher chinesischer Spion. Bei Krah überprüfen Staatsanwaltschaften laut Medienberichten, ob es Ermittlungen wegen möglicher chinesischer Zahlungen geben soll. Nach einem Krisengespräch mit Weidel und Chrupalla hatte Krah bereits seine Teilnahme am Wahlkampfauftakt der AfD am 27. April in Donaueschingen abgesagt. Später nahm er die Auftritte aber wieder auf.
Gegen Bystron laufen inzwischen Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche. Der AfD-Bundestagsabgeordnete bestätigte am Mittwoch, dass auch er nun nicht mehr im Wahlkampf auftreten will, aus familiären Gründen, wie er sagte. "Meine engsten Familienmitglieder sind zum wiederholten Mal Opfer einer Hausdurchsuchung und medialer Hetze geworden", sagte Bystron der Deutschen Presse-Agentur. "Wer nicht versteht, dass ich mich zuerst um die kümmern muss, hat kein Herz."
Bundesparteitag im Juni
Für die AfD könnte der Eklat mit dem Rassemblement National einen Machtverlust auf europäischer Ebene bedeuten. Auch der italienische Partner Lega scheint auf Distanz. Die ultrarechten Fratelli d'Italia von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sind auf die AfD ohnehin nicht gut zu sprechen. Die österreichische FPÖ ließ mitteilen, die Frage nach Kooperationen stelle sich erst nach der Wahl. Doch wo die AfD künftig Partner findet, ist unklar.
Auch innerhalb der AfD könnte der Streit über Krah ein Nachspiel haben - auf dem Bundesparteitag Ende Juni in Essen. Wie kommt das Krisenmanagement von Weidel und Chrupalla an? Schon aus den Sitzungen am Mittwoch drang einiges nach außen. So wurde kolportiert, dass einigen Funktionären das Vorgehen gegen Krah nicht ausreiche. Die "Welt" berichtete von einem Antrag an den Bundesvorstand, wonach Krah und Bystron Mitgliedsrechte entzogen werden sollten. Auch das Wort Parteiausschluss machte die Runde. Eine Mehrheit gab es dafür vorerst nicht. Doch der Streit ist mit Sicherheit nicht zu Ende.