Auf seiner Website beschreibt er die Gefühle, die ihn bewegten: Die unendliche Trauer, der Schmerz, die Hoffnungslosigkeit, das Weinen und nicht mehr Schlafen können. Und auch die Reaktionen der Menschen. Eine Email, die mit "du Mörder" begann. Der gebürtige Münchner lässt tief in sich hineinschauen, offenbart sein Innerstes und wird energisch, wenn man ihn fragt, ob er sich dadurch verletzlich oder verwundbar fühle: "Das ist ja genau das. In der Gesellschaft wird man oft ausgegrenzt und mit Schuld beworfen oder das Thema wird tabuisiert. Ich mache aus Wut, Empörung und Trotz den Mund auf. Ich möchte das Sprachrohr für Menschen sein, die sich nichts sagen trauen."
Die Idee mit dem Bäume pflanzen kam ihm sprichwörtlich unter der Dusche. Als "full-package-Gedanke", wie er es lachend ausdrückt, "der den abenteuerlustigen Mario ansprach. Ich war schon immer gerne alleine in der Natur unterwegs und habe abgefahrene Sachen gemacht und mir war klar, dass ich es tun musste." Vom Gedanken bis zur Ausführung dauerte es aber dann noch rund eineinhalb Jahre, bevor er am 31. März 2018 loslief.
Klar seien es auch gemischte Gefühle gewesen, die Wohnung aufzulösen, geliebte Dinge zu verschenken oder zu verleihen und ins Ungewisse zu gehen, "doch ich war alternativlos." Mittlerweile sei "Trees of Memory" wie das Benzin eines Motors für ihn. Das antreibt und gut tut. "Auch für mich ist es eine Art Therapie, doch das wusste ich vor zwei Jahren noch nicht", erklärt er, "im Vordergrund steht das, was die Gesellschaft den Hinterbliebenen antut".
Seine Route, die ihn durch 60 Länder führen soll, legt er anhand der Bäume fest, die es zu pflanzen gilt oder folgt dabei Einladungen zu Vorträgen und Gesprächen. Geschlafen wird im Zelt oder unter freiem Himmel, sein treuer Begleiter ist ein freundlich mit dem Schwanz wedelndes Etwas namens Tyrion. Der Hund stammt aus einem bulgarischen Tierheim und wurde ihm von Freunden geschenkt. Nun sitzt er, leicht verschlafen blinzelnd, neben seinem Herrchen auf dem Coburger Marktplatz. Im vergangenen Jahr war Mario Dieringer durch Ostdeutschland bis nach Coburg gewandert, am Sonntagvormittag nahm er von der Vestestadt aus seine Route wieder auf. "Das grüne Band darf nicht unterbrochen werden", erläutert er den Startpunkt der dritten Laufsaison.
Was ihn noch mit Coburg verbindet, ist die Bekanntschaft zu Katja Heußel. Beide lernten sich vor drei Jahren über das Gastfreundschaftsnetzwerk "Couchsurfing" kennen. Katja Heußel erfuhr dabei von dem Projekt "Trees of Memory" und war davon so begeistert, dass sie im November 2017 Gründungsmitglied des neuen Vereins wurde. Sie kennt zahlreiche Menschen, die von Depressionen und Suizidgedanken betroffen sind, möchte Angebote machen und nicht hilflos zusehen. "Wir müssen das thematisieren und miteinander reden", betont sie, nicht die Zeit heile alle Wunden, sondern sie verändere nur den Schmerz.
In Coburg kümmert sie sich für Mario Dieringer um die Pressetermine und managt Organisatorisches.