Deportation Kulmbacher Juden Vom Güterbahnhof ins Vernichtungslager

Wolfgang Schoberth

In Kürze wird im Kulmbacher Stadtarchiv die städteübergreifende Ausstellung „Da49, Da512 - Züge in den Tod“ eröffnet. Sie erinnert an die Deportation der letzten fränkischen Juden vor 80 Jahren – unter ihnen zwei Kulmbacher Familien mit drei Kindern.

 
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Am Kulmbacher Güterbahnhof wird bald der Campus der Bayreuther Universität entstehen, junge Leute werden hier für die Zukunft arbeiten. Vor 80 Jahren, am 24. April 1942, hat sich hier der traurige Endpunkt von Verfolgung und Menschenverachtung ereignet. Die letzten sieben der in Kulmbacher verbliebenen Juden werden in einen wartenden Zug verfrachtet und ins Vernichtungslager deportiert. Früh am Morgen hat ein Kommando der Kulmbacher Polizei den Viehhändler Nathan Flörsheim mit seiner Frau Selma aus seiner Wohnung in der Pörbitsch geholt, sowie Berta und Georg Davidsohn mit ihren drei Kindern Georg, Albert und Inge aus ihrer Baracke beim Priemershof in Ziegelhütten. Dass die als „Evakuierung“ getarnte Maßnahme, bei der als Gepäckstück ein Koffer, ein Rucksack und eine Deckenrolle mitzunehmen sind, eine Fahrt ohne Wiederkehr sein werde, haben sie gewusst.

Schaurige Perfektion

Der Zugriff war minutiös geplant. Wenige Wochen vorher, im Januar 1942, wurde bei der Wannsee-Konferenz die Vernichtung der europäischen Juden beschlossen. Der Reichsführer der SS Heinrich Himmler und der Chef des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, wurden mit der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt. Die regionalen Gestapo-Stellen, im fränkischen Raum die Gestapo-Leitstelle Nürnberg-Fürth, waren für die Detailplanung vor Ort zuständig. Für die Durchführung bedienten sie sich der Mithilfe der Landratsämter, örtlicher Meldeämter und der örtlichen Polizei. Die Deportationslisten wurden im Vorfeld erstellt, die Vermögensverhältnisse der Opfer geprüft - offen blieb nur noch der genaue Zeitpunkt des „Zuschlagens“. „Der Transport wurde vollständig übergeben, Zwischenfälle haben sich nicht ereignet“, notierte die Würzburger Gestapo.

Über Bamberg ins Ghetto

Der Zug führte zunächst nach Bamberg. An Haltepunkten mussten weitere Deportationsopfer zusteigen - zehn aus Burgkunstadt, dreizehn aus Altenkunstadt, acht aus Kronach, fünf aus Coburg, neun aus Lichtenfels, 103 insgesamt. Nach ihrer Ankunft wurden sie im jüdischen Gemeindezentrum „Weiße Taube“ interniert bis zum Weitertransport mit dem aus Würzburg kommenden Sonderzug Da49 am nächsten Tag.

In Würzburg waren am Morgen des 25. April 852 jüdische Menschen aus der Stadt und den umliegenden Orten, Männer, Frauen und Kinder, zusammengetrieben worden. Die Menschen hatten sich bei der „Evakuierungsstelle“ am Platz’schen Garten einzufinden.

Durch SS und Polizei waren sie zum Güterbahnhof Aumühle kommandiert und vor dem Einstieg in den Zug nach versteckten Wertgegenständen, Waffen, Devisen, Geld, Schmuck durchsucht worden. Nachdem in Bamberg die dort zusammengezwungenen Menschen in den Zug aus Würzburg getrieben worden waren, waren die Waggons, für je 35 Personen vorgesehen, mit 50 Personen überbelegt. Vier Tage dauerte die Fahrt, über Lichtenfels, Saalfeld, Schlesien, das polnische Lublin und von dort nach Krasnystaw. Die Abteile blieben die ganze Fahrzeit geschlossen. Nach der Ankunft am Morgen des 28. April mussten die entkräfteten Menschen mit ihrem Gepäck 16 Kilometer Fuß weiter, in das Transitghetto Kraśniczyn, wo unsäglichen Bedingungen herrschten.

Zu dem Zynismus der Gewalttäter gehört, dass die Reichsbahn der SS, die den Zug gemietet hatte, den normalen Fahrpreis von 4 Pfennig pro Person und Kilometer verrechnete. Die Gestapo holte sich das Geld von den Deportierten wieder, die für die Fahrt in den Tod auch noch 60 RM zu bezahlen hatten. Am 6. Juni 1942 wurden sie ins Vernichtungslager Sobibór verfrachtet und vermutlich Anfang Juni 1942 in den Gaskammern ermordet. Keiner der 955 überlebte.

In einem weiteren Transport am 9. und 10. September 1942 wurden die letzten zwölf Juden aus Oberfranken verschleppt. Es waren im Ersten Weltkrieg schwer Kriegsbeschädigte oder Dekorierte. Sie hatten sich auf Anordnung der Gestapo an der „Fäkalienverladestation“ der Stadt Nürnberg einzufinden und wurden mit einigen Hunderte weiteren Opfern aus Franken mit dem Sonderzug „Da 512“ in das vorgebliche „Altersghetto“ Theresienstadt nördlich von Prag gebracht.

Städteübergreifendes Projekt

Um an die 64 oberfränkische Opfer der Deportationen des Jahres 1942 zu erinnern, hat eine fachkundige Gruppe von Engagierten in Kooperation mit dem Stadtarchiv Lichtenfels Christine Wittenbauer, Manfred Brösamle-Lambrecht), der Stadt Coburg (Gaby Schuller, Hubertus Habel) und der Stadt Kulmbach (Wolfgang Schoberth) eine Ausstellung mit großformatigen Rollups erarbeitet. Sie wird zunächst im Stadtarchiv Kulmbach und in der Synagoge Lichtenfels gezeigt. Neben allgemeinen Aspekten wie der Verschärfung der Verfolgung, dem von SS und Gestapo gesteuerten Täter-Netzwerk und der Durchführung der Deportationen werden vor allem auch die Biografien der örtlichen Opfer dokumentiert. Ergänzt wird die Ausstellung durch die Lebensgeschichten weiterer Verfolgter und schließlich Ermordeter: das Schicksal des Kulmbacher Schuhhändler-Ehepaar Max und Emma Michaelis. Max kommt 1942 in Theresienstadt um, Emma wird 1944 in Auschwitz ermordet.

Ein weiteres Opfer des Holocaust ist der Kulmbacher Viehhändler Karl Strauß. Man unterstellt ihm ein „Verhältnis“ zu seiner verheirateten Wohnungsvermieterin und verurteilt ihn wegen „Rassevergehens“ zu acht Jahren Zuchthaus. Nach Jahren der Haft wird er 1942 Auschwitz ermordet.

Ausstellungseröffnung

Die Ausstellung im Foyer des Kulmbacher Stadtarchivs wird am kommenden Donnerstag um 10 Uhr vom Kulmbacher Oberbürgermeister Ingo Lehmann eröffnet. Bis zum 13. Mai kann die Ausstellung von Montag bis Freitag 9 -17 Uhr besucht werden. Danach steht sie den Kulmbacher Schulen zur Verfügung. Ergänzend zur Ausstellung zeigt das Stadtarchiv lokale Veröffentlichungen zum Thema Nationalsozialismus.

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