Diebstahl Diebe stehlen historischen Grenzstein

Helmut Regler an der Stelle, wo der Grenzstein noch bis zum Muttertag fest verankert in der Erde war. Foto:  

Die zweieinhalb Zentner schwere Markierung stand noch bis zum Muttertag. Der Stein steht unter Denkmalschutz. Der Diebstahl ist kein Kavaliersdelikt. Die Polizei ermittelt.

 
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Marktredwitz - Was macht man mit einem zweieinhalb Zentner schweren Grenzstein? Diese Frage stellen sich die Untere Denkmalschutzbehörde und die Polizei ebenso wie das Projekt „Historische Grenze“. Denn nach dem Muttertag ist der historische Preußenstein mit der Nummer 176 gestohlen worden. Fest verankert in der Erde, markierte dieser – wie einst einmal 183 solcher Steine – die Landesgrenze zwischen dem königlich-preußischen Markgraftum Bayreuth/Kulmbach und dem Fürstentum Pfalz/Baiern, auch Churpfalz genannt. Jetzt ist er weg, der denkmalgeschützte Stein. Er muss mit schwerem Gerät aus der Erde gewuchtet worden sein. Irgendwann zwischen dem 10. und 19. Mai.

Grenzstein im Wassergraben

Mit Helmut Regler aus Marktredwitz begibt sich die Frankenpost auf Spurensuche. Der pensionierte Polizist hat es sich zum Steckenpferd gemacht, die zum Teil überwucherten oder gar im Schlamm versunkenen alten Grenzsteine wieder sichtbar zu machen, an ihren angestammten Platz umzusetzen, zu fotografieren und zu katalogisieren. Und zwar für das Projekt „Historische Grenze“.

„Den Preußenstein 176 habe ich hier drüben in einem Wassergraben entdeckt“, erzählt Regler nach dem Abzweig der alten B 15 in Richtung Hilgarth Asphalt GmbH. Gleich ein Stück weiter um die Kurve klafft gleich neben der schmalen Straße nur noch ein Loch in der Erde. „Dahin wurde der Grenzstein 2018 versetzt“, sagt der Mitarbeiter des Projekts „Historische Grenze“. Erst vor einem halben Jahr habe der Landtag beschlossen, diese Grenzsteine unter Denkmalschutz zu setzen. Daher sei dieser Diebstahl weit mehr als nur ein Kavaliersdelikt, betont der ehemalige Polizist.

Erste echte Landesgrenze

Jürgen C. Nickel, der Projektleiter „Historische Grenze“, mit dem Helmut Regler zusammenarbeitet, gibt einen geschichtlichen Hintergrund zu den Grenzsteinen, erzählt, was es damit eigentlich auf sich hat: „Im Süden der Stadt Marktredwitz endet bei Reutlas eine historische Grenzsteinlinie, die ihren Ursprung am Buchbrunnen hat (Grenzen Oberfranken/Oberpfalz/Tschechien). An dieser Grenze wurde lange gestritten, wie sie verlaufen soll. In der Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nannte man das ,Irrungen und Wirrungen’.“ Auf der Grundlage des Hauptlandesvergleichs vom 30. Juni 1803 kam es laut Nickel dann zur „Versteinung“ einer der ersten echten Landesgrenzen auf dem Boden des fränkischen Reichskreises, die mit markanten und repräsentativen Grenzsteinen versehen worden sei. „183 sind es ursprünglich gewesen. Sie trennten das königlich-preußische Markgraftum Bayreuth/Kulmbach, weshalb auf den Steinen auf einer Seite ein ,Pr.’ für Preußen, auf der anderen ein ,P.B.’ für das Fürstentum Pfalz Baiern steht.“

Eine Revolution

„Diese echte Landesgrenze war im Jahr 1803 schon eine Revolution im Staatswesen! Bis dahin hatten die Herrscher nach Herrschaftsrechten regiert, die ihnen zuerkannt worden waren. Die Bereiche, in denen diese Rechte ausgeübt wurden, waren meist nicht deckungsgleich, sodass es immer wieder zu Streit kam. So strebte man nach festen Grenzen, wie wir sie heute kennen.“

Die Grenzsteinlinie verläuft nach Mitteilung von Jürgen C. Nickel vom Buchbrunnen, wo an der tschechischen Grenze die Bezirksgrenze zwischen der Oberpfalz und Oberfranken beginnt, im Wesentlichen entlang der heute gültigen Bezirksgrenze bis nach Reutlas. Das Projekt „Historische Grenze“ habe diese Grenzsteinlinie im Jahr 2017 erforscht und die Preußensteine, wie sie heute genannt werden, dem Denkmalschutz zugeführt. „Sie sind als Gesamtgrenzsteinlinie unter der Listennummer D-4-79-147-32 in der bayerischen Denkmalschutzliste eingetragen.“ Das bedeute, dass an den Preußensteinen keinerlei Veränderungen vorgenommen werden dürften. Ansonsten griffen die Bußgeldvorschriften des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes, das Bußgelder bis zu einer Viertelmillion Euro vorsehe, unterstreicht der Historiker. „Die Preußensteine befinden sich im Eigentum des Freistaates Bayern. Dessen Eigentumsrecht wird in diesem Fall durch die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Marktredwitz ausgeübt.“

Liebhaber als Dieb?

Und so sind bei der Inspektion durch Helmut Regler zufällig auch Vertreter der Stadt am Ort des Diebstahls, um die Gegend zu durchforsten, ob der Preußenstein 176 irgendwo in einem angrenzenden Gebüsch oder Feld liegt. Auch eine Polizeistreife ist gerade dabei, hier zu ermitteln, wer sich den gewichtigen Stein unter den Nagel gerissen hat. Helmut Regler, der noch immer mit der Erfassung der historischen Grenzsteine beschäftigt ist, glaubt, „dass da ein Liebhaber zugeschlagen hat“.

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