Energiepreis Wunsiedel sahnt schon wieder ab

Nicolas Lahovnik, Marco Krasser und Hubert Aiwanger (von links) im Gespräch. Foto: M. Bäu.

Zum zweiten Mal erhalten die Stadtwerke SWW den Bayerischen Energiepreis. Beim Festakt in München outet sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger als Fan des Wunsiedler Weges.

 
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Auf dem Weg zum Festsaal des Wirtschaftsministeriums in München hält der Wunsiedler Bürgermeister Nicolas Lahovnik kurz inne. „Die wievielte Auszeichnung für die SWW und Marco Krasser ist das eigentlich?“ In der Tat lassen sich die Preise kaum noch zählen. Allein in den vergangenen Wochen hat die SWW den dritten Platz beim bundesweit ausgeschriebenen Stadtwerke-Award erhalten – vor Jahren belegte das Kommunalunternehmen den ersten. Kurz darauf, Ende September, erhielt Marco Krasser die bayerische Staatsmedaille für herausragende Verdienste um die Umwelt. Und nun warten Lahovnik und Krasser darauf, aus den Händen von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger den Bayerischen Energiepreis in der Kategorie Sektorenkopplung in Empfang zu nehmen.

Aiwanger lässt nicht lange auf sich warten. Festen Schrittes marschiert er auf das Podium und legt sogleich los. Er fühlt sich bestätigt. „Die Ereignisse seit dem Ukrainekrieg zeigen, wie wichtig der Themenkomplex Energie ist. Früher ist die Energiefrage in der öffentlichen Debatte als fünftes Rad am Wagen mitgelaufen. Niemand wusste eigentlich, wie hoch seine Stromrechnung ist“, legt er los und verhehlt nicht seinen Stolz, schon immer ein Faible für die Thematik gehabt zu haben und jetzt mit seinem Ministerium auf einmal ganz anders wahrgenommen zu werden.

Auszeichnung für innovative Projekte

Seit 1999 verleiht das Wirtschaftsministerium im Zweijahresrhythmus den Bayerischen Energiepreis für innovative Projekte aus der Spitzentechnologie mit Nachahmungscharakter. Krasser steht auch hier bereits zum zweiten Mal auf dem Podium. Diesmal erhält die SWW zwar nicht den Hauptpreis, aber immerhin den in der Kategorie Sektorenkopplung. In der Laudatio beschreibt Aiwanger die SWW Wunsiedel als Stadtwerke mit einer weitsichtigen Strategie im Aufbau einer dezentralen Energieversorgung und der intelligenten Vernetzung von Strom, Wärme und Mobilität.

Mittlerweile gibt es mehrere Gemeinden, die mit regenerativer Energie unabhängig werden wollen. Das Besondere am sogenannten Wunsiedler Weg ist es, die Sektoren so zu koppeln, dass möglichst nicht ein Prozent der erzeugten Energie verloren geht. Genau dies ist die Krux der bisherigen Energieversorgung. Theoretisch könnte sich ein bevölkerungsreiches Industrieland wie Deutschland schon heute aus sauberen Quellen mit Energie versorgen. Allerdings verpufft ein Großteil durch Abwärme in der Luft oder kann nicht genutzt werden, da sie sonst die Leitungsnetze überlasten würde.

Krasser und seine Mitstreiter – seit einigen Jahren unter anderem auch der Siemens-Konzern – haben ein Konglomerat an Ideen so strukturiert, dass der 100-Prozent-Wirkungsgrad möglich erscheint. Während überschüssige Wärme für das Trocknen von Holz und Pellets im Energiepark sowie in Zukunft in ein großes Nahwärmenetz fließt, muss dank riesiger Batterien und neuerdings eines Elektrolyseurs zur Wasserstoffproduktion kein Windrad mehr abgeriegelt werden. Auch der Elektromobilität und im Grunde jedem Haushalt und jedem Betrieb im Versorgungsgebiet kommt in Zukunft eine Bedeutung als Speicher und Produzent innerhalb des Netzes zu. Aktuell wird in Wunsiedel die zehnfache Energiemenge der Netzkapazität produziert.

Soweit in groben Zügen das Konzept und der Stand des Wunsiedler Weges, der laut Krasser mittlerweile zu etwa 80 Prozent beschritten ist.

Aiwanger outet sich an jenem denkwürdigen Mittwochvormittag im Wirtschaftsministerium als großer Fan Wunsiedels. Klar, er lobt alle Preisträger und ist an allen Konzepten interessiert. Doch dann rutscht es ihm kurz hintereinander beim offiziellen Frage- und-Antwort-Gespräch auf der Bühne mit den Vertretern der übrigen Unternehmen oder Institute gleich zweimal heraus. „Dann müsst Ihr schauen, dass Ihr Euch mit Wunsiedel zusammentut“ und „Da wären die Wunsiedler die richtigen Partner für Euch“, sagt er im typischen niederbayerischen Aiwanger-Dialekt.

Für den Wirtschaftsminister ist Wunsiedel eine Art Schaufenster der Energiewende. „Es muss nicht jeder das Rad neu erfinden, wenn es in Wunsiedel ein gutes Modell für Kommunen, Energiegenossenschaften oder Stadtwerke gibt.“ Dem studierten Agraringenieur imponiert vor allem, dass sich die Wunsiedler nie beirren ließen. „Sie haben einfach gemacht, auch in einer Zeit, als es hieß, dies und das rechnet sich doch nicht.“

Wasserstoff-Thema nimmt Fahrt auf

Dass es sich rechnet, unabhängig von fossilen Brennstoffen und damit von anderen Ländern zu werden, zeigt sich angesichts der aktuellen Energiekrise immer deutlicher. Vor allem das Thema grüner Wasserstoff nimmt ungemein Fahrt auf. Damit haben selbst die Optimisten in Wunsiedel und bei Siemens nicht gerechnet, als sie vor Jahren auf das Edelgas als Energieträger der Zukunft setzten.

Das von Aiwanger angesprochene „Schaufenster Wunsiedel“ greift Bürgermeister Nicolas Lahovnik auf und erwähnt das Future-Energy-Lab mit einer interdisziplinären Forschung zu Fragen zur Energieversorgung, das in der Stadt entstehen wird. Parallel sei es das Ziel, bis in wenigen Jahren jedem Haushalt eine Alternative zum Gasanschluss in Form von Nahwärme oder Wasserstoff anbieten zu können. „Und in sechs Jahren könnten wir komplett unabhängig sein.“ Könnten deshalb, weil der Stadt unter anderem an der Netzstabilität gelegen ist.

Der Bayerische Energiepreis hat für die SWW vor allem einen symbolischen Wert, als Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Das Preisgeld in Höhe von 4000 Euro nimmt Krasser dennoch gerne für sein Unternehmen entgegen.

Erst vor wenigen Wochen war Krasser für die SWW einer der wenigen geladenen Gäste bei der 125-Jahr-Feier des Siemens-Konzerns in Berlin. Beim Festakt stand das Beispiel Wunsiedel mehrere Minuten im Mittelpunkt einer Präsentation. Da staunte sogar der Ehrengast: Bundeskanzler Olaf Scholz.

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