Gert Böhm hört auf Gery übernimmt „Gerch“-Gschichdla

Roland Rischawy

Stabwechsel bei Bayerns ältester Mundart-Kolumne in der Frankenpost: „Gerch“-Autor Gert Böhm zieht sich nach 57 Jahren als Autor ins Privatleben zurück. In seine Fußstapfen tritt der Rock’n’Roller, Radio-Moderator, Komiker und Entertainer Gery Gerspitzer.

 
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Der Meister der „Gerch“-Geschichten und sein Nachfahre: Gert Böhm (links) und Gery Gerspitzer, der dritte Autor in der „Hofer Spaziergänger“-Gilde, der die älteste Mundart-Glosse mindestens Bayern am Leben erhalten wird – und zwar auch in Form von Videos. Foto: Frank Wunderatsch

Eine Ära geht zu Ende: Gert Böhm, der Erfinder und geistige Vater der Mundart-Geschichte vom „Hofer Spaziergänger Gerch“ geht als Autor dieser beliebten Zeitungskolumne zum Jahreswechsel in den Ruhestand. Die gute Nachricht: Die beliebte Glosse, ein Markenzeichen der Frankenpost, wird nicht sterben. In Böhms Fußstapfen tritt ein Mann, der sich als Musiker, Sänger, Entertainer, Komiker und Kabarettist, kurz: als Tausendsassa, einen Namen gemacht hat: Gery Gerspitzer. Viele kennen den gebürtigen Rehauer vor allem als Gründer der Rock’n’Roll-Band Gery & The Johnboys, als Radio-Moderator (aktiv bei Radio Euroherz) sowie als Skihüttn-Wirt in seiner Heimatstadt Rehau und jetzt in seinem neuen Wohnort Hof.

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Als der 83 Jahre alte Gert Böhm in bester Laune und fit wie ein Turnschuh seinen 53 Jahre alten Nachfolger präsentiert, da bebt der Konferenzraum der Frankenpost vor dem überbordenden Humor des schelmischen Duos. Augenzwinkernd und mit geballter Selbstironie begründet der „Gerch“ den Abschied von der Glossen-Schreiberei mit den Worten: „Man muss wissen: Im Alter wird die Luft zwischen den Ohren aweng dünner“ – worauf Gery Gerspitzer einwirft: „Ich hob gedacht, sie (die Luft, Anm. d. Red.) werd fortna aweng mehrra!“ – was „na Gert“ zu der Klarstellung veranlasst: „Dinner oder mehrra – des iss chemisch des Gleicha!“

57 Jahre lang, von 1966 an, hat der gelernte Journalist Gert Böhm Samstag für Samstag die „Gerch“-Geschichten geschrieben, bis heute rund 3000 an der Zahl. Er hatte bei seinem Antritt als Mundart-Autor im damaligen Hofer Anzeiger die Nachfolge von Karl Roeder angetreten, der die Glosse als Chefredakteur der Zeitung im Jahr 1920 als wöchentliche Kolumne etablierte. Somit sind die „Hofer Spaziergänge“ die älteste aktive Mundart-Glosse in bayerischen Zeitungen, wahrscheinlich sogar in ganz Deutschland.

Fröhlich fränkische Philosophie

Dem „Gerch“ verdanken die Leser Erkenntnisse von „Volksfillosofn“ wie dem „Heiner aus Schnarchenreuth“, gegen den Denker wie Hegel, Heidecker und Nietzsche die reinsten Waisenknaben sind. Der Heiner stellt sich „vor san Seidla Bier Frong, die wos an jedn Menschen interessiern, zum Beispiel: Warum presst der Trompeter beim Spilln seina Backn zamm und der Mo an der Tuba bläst sa auf? Warum klingelt des Telefon ausgerechnet immer dann, wenn mer dahamm aufm Klo hoggt?“ Der „Gerch“ hat der Welt den Nachweis gebracht, dass ihre Bewohner nicht nur aus Einser-Schülern und schlauen Politikern bestehen, sondern auch aus „Schlangafänger, Schnerbfl und Sefdl“. Seine Leser wissen dank seiner tiefschürfenden Gedanken, dass „Bleed schaua“ die fränkische Medizin „geecher Stress, zu hoha Blutdrugg und geecher zuvill Cholesterin“ ist und dass ein „Gleeskobf“ eine fränkische Spezialität ist, „holt bloß aweng daab“.

Gert Böhm, 1940 geboren in Wildstein im Egerland, war Anfang der Sechzigerjahre nach einer kurzen Karriere als Fußball-Profi (Vertragsspieler bei Bayern Hof und Tasmania Berlin), die wegen einer Sportverletzung endete, als Journalist bei der Frankenpost eingestiegen. Mit 26 Jahren wechselte er auf die Public-Relations-Seite: erst zu Rosenthal, später zur Hutschenreuther AG, dem damals größten europäischen Porzellankonzern, wo er mit 34 Jahren jüngster Direktor wurde.

Der „Gerch“ kam schon vom Amazonas

Im Jahr 1980 nahm Böhm eine zehnjährige Auszeit. Damals setzte er sich intensiv mit Lebens- und Glaubensfragen auseinander. Dabei rückte für ihn immer mehr die Frage nach Sinn und geistigen Ursachen von Krankheiten in den Vordergrund. Vor allem die alten Heilssysteme faszinierten ihn. Um sich dieser Thematik noch stärker widmen zu können, hängte Böhm seinen Direktorenposten an den Nagel, verdiente sich als Kommunikationsberater seinen Lebensunterhalt – und beschäftigte sich mit den spirituellen Zusammenhängen von Körper und Seele, von Gesundheit und Krankheit sowie mit den darauf beruhenden Heilmethoden. Deshalb reiste Böhm quer durch die Welt und lernte Schamanen, Medizinmänner und andere Heiler kennen – bei den Wunderheilern auf den Philippinen, bei thailändischen Bergvölkern und am Amazonas. Er lebte bei den Mayas in Guatemala, bei Sikhs in Indien und in vielen anderen Ländern. Einige Monate verbrachte er in den Ausläufern des Himalaya in Dharamsala, dem indischen Exil der Tibeter, wo er sich mit deren Medizinsystem auseinandersetzte und mehrmals mit dem Dalai Lama zu Gesprächen zusammentraf.

Die dabei gewonnenen Erfahrungen über die spirituellen Zusammenhänge von Gesundheit und Krankheit hat Böhm in einem Dutzend Bücher veröffentlicht. „Auf all meinen Reisen habe ich natürlich meinen Gerch nicht vergessen“, erzählt Böhm. „Ich habe sogar in einer Hängematte am Amazonas die Dialekt-Gschichdla von Hand aufs Papier geschrieben – und dieses im nächsten Ort per Luftpost nach Hof geschickt.“ Trotz der Wege des „Gerch“-Autors durch die halbe Welt: Nicht einmal fehlte am Samstag die Glosse.

Die kreative Auszeit des „Gerch“ endete mit einer neuen beruflichen Herausforderung: Von 1990 bis 2000 stand Gert Böhm als Geschäftsführer an der Spitze der Frankenpost. Für seine Verdienste als „Gerch“-Autor und als Unternehmenslenker hat er hohe Auszeichnungen erhalten, darunter das Bundesverdienstkreuz, den „Frankenwürfel“, den Kulturpreis der Stadt Rehau und den Kunstpreis des Landkreises Hof. Die höchste Ehrung allerdings wurde ihm aus der Oberpfalz zuteil: Norbert Neugirg, der Chef der berühmten Altneihauser Feierwehrkapell’n, rühmte Gert Böhm nach einem gemeinsamen Auftritt in Konradsreuth mit den Worten: Der „Gerch“ sei der einzige Franke, „vor dem man halbwegs den Hut ziehen kann“.

Gery und Gert sind Brüder im Humor

Gert Böhm und Gery Gerspitzer haben sich bei gemeinsamen Lesetouren unter dem Motto „Gerch & Gery“ kennengelernt. „Da konnte ich erstmals so richtig die Philosophie des Gerch studieren und schätzen lernen“, bekennt der „Gerch“-Nachfolger. „Wichtig: Der Gerch darf sich selber nicht zu ernst nehmen. Er muss die Menschen mögen.“ Gert Böhm pflichtet Gery bei: „Er darf nicht anmaßend sein, nicht überheblich. Bei unseren Auftritten spüren die Menschen: Der Gerch ist einer von uns. Der Gerch tut uns gut.“ Schmunzelnd fügt Böhm hinzu: „Die Besucher denken drei Stunden lang nicht an ihr Konto – auf dem eh nix drauf ist.“

Um welch elementare Fragen es in puncto „Gerch-Gschichdla schreim“ und Dialekt-Philosophie geht, wird an einem Experten-Dialog zwischen Böhm und Gerspitzer deutlich: „ln unnerm Dialekt fehlt ja zwischen dem A und dem O noch ein Zwischenlaut“, sagt Gert B., worauf Gery G. sinnierend bekräftigt: „Ho, do fällt was! ,Hoa‘ kost ja aa ned schreim und ,ho‘ allans reicht net.“ „Genau“, pflichtet Gert B. bei und bilanziert mit Blick auf den musikalisch bewanderten Schreiberling gegenüber: „Zwischen die zwaa Buchstaam fehlt im Hofer Dialekt quasi a schwarza Tast’n – wie mer sa vom Klavier kennt.“

Der „Gerch“-Nachfahre Gery hat, wie er gesteht, schon eifrig trainiert für die Gschichdla-Produktion, unter den kritischen Augen des Meisters. Er werde den „Gerch“ nicht mehr – wie es bisher war – alleine zu Wort kommen lassen, sondern wie der „Spaziergänger“-Gründervater Röder verschiedene Figuren in führender Stellung einbauen. „Der Heiner aber bleibt“, verspricht Gerspitzer, „der Schnarchenreuther Stammtisch-Fillosof gibbd aa kinfdich sann Senfd dazu.“

Der Dritte in der „Hofer Spaziergänger“-Gilde wird die Geschichten nicht nur fürs Druckmedium schreiben, sondern auch dem digitalisierten Publikum die Ehre erweisen und seine „Gerch“-Glossen in Videos auf der Frankenpost-Internetseite vorlesen – womit, wie der Heiner aus Schnarchenreuth urteilen würde, „aa die Gleeskebf wos zer lachn hamm, die weder lesn noch schreim kenna“. Und während sich Gert B. jetzt als „Gerch“-Privatmann der in allen Weisheitslehren gepriesenen „heiteren Gelassenheit“ widmen will, könnte es sein, dass Gery G. die „Spaziergänger“-Gags dereinst auch vor Fernsehpublikum ausbreitet. Für die Sendung „Franken Helau“ (Ausstrahlung am 19. Januar 2024 um 20.15 Uhr im BR-Fernsehen) ist er bereits spontan gebucht worden, und jetzt steuert er „frondol auf Fastnacht in Franken“ zu, damit Waltraud und Mariechen endlich Beistand aus der Humor-Hochburg Hochfranken bekommen.

Aber vorerst steht die Abschieds-Tournee von „Gerch & Gery“ an, die im Frühjahr 2024 Auftritte in zwölf Orten vorsieht. Der „Gerch“ wird Gschichdla vorlesen, Gery wird zur Gitarre Liedla singen. Gert B. fordert seinen Nachfolger auf: „Sing uns doch amoll des Lied ohne Tisch vor.“ Gery G. wiegt den Kopf und singt dann in schönstem Howard-Carpendale-Duktus: „Uuuuhh – Isch kann nischt leben ohne Disch!“

Abschieds-Tournee

Nach der erfolgreichen Tournee mit ausverkauften Vorstellungen vor zwei Jahren gehen „Gery & Gerch“ mit ihren Gschichdla und Mundart-Liedern im Frühjahr 2024 ein zweites und letztes Mal gemeinsam auf die Bühne – mit dem neuem Programm „Wenn‘s leffd, dann leffd‘s“. Eintrittskarten gibt es im Vorverkauf für 15 Euro bei der Frankenpost in Hof und am jeweiligen Veranstaltungsort sowie an der Abendkasse (17 Euro).

5. April in Marktredwitz, 19.30 Uhr, Leopoldhaus.

6. April in Hof, 19.30 Uhr, Bürgergesellschaft.

7. April in Döbra, 18 Uhr, Gasthaus Synderhauf.

12. April in Rehau, 19.30 Uhr, Altes Rathaus.

13. April in Hallerstein, 18 Uhr, Festhalle.

14. April in Helmbrechts, 17 Uhr, Textilmuseum.

26. April in Weißenstadt, 20 Uhr, Bürgerhaus.

27. April in Oberkotzau, 19.30 Uhr, Waldgaststätte Friedrichsruh.

28. April in Lichtenberg, 17 Uhr, Turnhalle.

7. Mai in Selb, 19 Uhr, Rosenthal-Theater.

8. Mai in Schödlas, 19.30 Uhr, Gasthaus Zur guten Quelle.

9. Mai in Hof, 17 Uhr, Kunstkaufhaus.