Entscheidung Urteil im Prozess um Doppelmord von Mistelbach

Manfred Scherer
In diesem Haus im Wohngebiet Kirchröthe in Mistelbach wurde die Bluttat am 9. Januar 2022 begangen. Foto: Archiv/Manfred Scherer

Schuldig oder nicht? Maximal zehn Jahre Jugendstrafe oder mehr für den Haupttäter? An diesem 23. Januar um 11 Uhr will die Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth das Urteil in einem der spektakulärsten Fälle der vergangenen Jahre verkünden: dem Doppelmord von Mistelbach.

 
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Die Verkündung durch die Gerichtsvorsitzende Andrea Deyerling ist für 11 Uhr geplant. Angeklagte in dem Fall sind Felix S. und seine Freundin Hannah S. Hannah S. ist die älteste Tochter der Mordopfer eines Arztehepaares im Alter von 51 und 47 Jahren. Die Opfer waren am 9. Januar 2022 kurz nach Mitternacht in ihrem Schlafzimmer in ihrem Haus in der Kirchröthe in Mistelbach aufgefunden worden. Den Opfern war eine Vielzahl von Messerstichen versetzt worden.

Schon bald geriet der Freund der ältesten Tochter in Verdacht. Felix S. war von zuhause rausgeflogen und lebte mit seiner Freundin in dem Haus in Mistelbach – mit Erlaubnis der später Getöteten. Der 18-jährige Felix flüchtete zusammen mit seiner Freundin zu Fuß vom Tatort, stellte sich aber der Polizei. Vor seiner Vernehmung wurde er ins Klinikum gebracht, wo eine Wunde an seiner Hand versorgt wurde – diese hatte er sich offenbar bei der Bluttat versehentlich selbst zugefügt. Felix S. legte ein Geständnis ab, hielt aber seine Freundin heraus – obwohl die Kripo sie schon früh als Verdächtige führte.



Auch Hannah S. wurde nach einigen Wochen verhaftet. Den genauen Inhalt der Anklage gegen die zwei Teenager erfuhr die Öffentlichkeit erst am 19. Oktober 2022. Beim Prozessauftakt gab es einen riesigen Medienauflauf und dieses Ermittlungsergebnis: Gemeinsam, so die Anklage, sollen die jungen Leute die Ermordung der Opfer geplant haben – Triebfeder sei der Hass von Hannah S. auf ihre Eltern gewesen. Ausgeführt worden sei die Tat von Felix, der sich mit Skimaske und Stirnlampe in das Zimmer der Schlafenden schlich und auf sie einstach. Die Tat sollte als aus dem Ruder gelaufener Einbruch getarnt werden. Hannah soll ihren durch Schreie aufgeweckten Geschwistern das Telefon abgenommen haben, um zu verhindern, dass diese Polizei und Rettungsdienst alarmieren können.

Am ersten Prozesstag gab das Gericht den Anträgen der Verteidiger statt, die Öffentlichkeit – und damit auch die Presse – von dem Verfahren auszuschließen. Zwölf Tage wurde verhandelt, ehe am 11. Januar 2023 die Plädoyers gehalten wurden.

Oberstaatsanwalt Daniel Götz beantragte Schuldspruch wegen Mordes gegen beide Angeklagte und Jugendstrafen. Felix S. soll 13 Jahre und sechs Monate ins Gefängnis, Hannah. S für neuneinhalb Jahre.

Im Fall von Felix bejahte Götz das Mordmerkmal der Heimtücke, nicht aber das der sonstigen niederen Beweggründe, also das Hass-Motiv. Götz ist auch der Auffassung, dass Felix S. als Heranwachsender der Sonderregel unterliegt, wonach in schweren Fällen des Mordes nicht maximal zehn Jahre Jugendstrafe, sondern bis zu 15 Jahre verhängt werden können.

Der Verteidiger von Felix S,, Hilmar Lampert, hatte neuneinhalb Jahre Jugendstrafe beantragt. Der Verteidiger von Hannah S, Wolfgang Schwemmer, beantragte Freispruch. Seiner Mandantin sei die Tat nicht zweifelsfrei nachzuweisen.

Im Fall des Doppelmordes von Mistelbach sind am Mittwochvormittag die Plädoyers gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft sieht gemeinschaftlichen Mord bewiesen und beantragte gegen Felix S. 13 Jahre und sechs Monate Jugendstrafe, gegen Hannah S. neuneinhalb Jahre Jugendstrafe. Das Urteil soll am 23. Januar verkündet werden.

Es war der 12. Verhandlungstag in dem nicht öffentlichen Prozess und er dauerte von 9 Uhr bis 12.23 Uhr. Dann gingen die Türen auf, die Vorführbeamten der Polizei brachten die zwei Angeklagten hinunter in den Hof. Dort rauchten Felix S. und Hannah S. noch eine Zigarette, ehe sie ins Gefängnis zurückgebracht wurden. Beim Rauchen standen sie nur wenige Meter voneinander entfernt, gezwungenermaßen unter einem Vordach: Es regnete ein Bayreuth. Während Hannah mit Blickrichtung zu ihrem Freund stand, war er von ihr abgewandt, die Kapuze seiner Jacke über den Kopf gezogen.

Felix und Hannah sollen laut Anklage der Staatsanwaltschaft den Mord an Hannahs Eltern in der Nacht zum 9. Januar vor einem Jahr gemeinsam und aus Hass geplant haben. Felix soll die Tat selbst begangen und das Arztehepaar Stefan und Antje S. mit einer Vielzahl von Messerstichen getötet haben.

Nach Informationen unserer Zeitung bedeuteten die zwölf Verhandlungstages gegen das junge Paar wohl auch das Ende ihrer Liebe. Denn: Der Verteidiger von Hannah beantragte Freispruch für seine Mandantin. Der Verteidiger von Felix beantragte neuneinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes. Diese weit auseinandergehenden Anträge legen nahe: Hannah S. hat eine Tatbeteiligung bis zuletzt abgestritten. Felix S. dagegen hatte, wie berichtet, ein Geständnis abgelegt. Ein Geständnis mit relevantem Wert wäre eines, in dem er seine damalige Freundin mitbelastet. Nach seiner Festnahme am Tag nach der Tat hatte Felix in einem ersten Geständnis bei der Polizei seine Freundin geschützt und noch nichts von ihrer möglichen Beteiligung gesagt. Für die Ermittler galt die älteste Tochter der Getöteten aber sehr bald als verdächtig.

Einer Pressemitteilung des Landgerichts zufolge beantragte Oberstaatsanwalt Daniel Götz Schuldsprüche wegen Mordes gegen beide Angeklagte. Für Felix eine Jugendstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten und für Hannah eine Jugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Götz sah im Fall von Felix das Mordmerkmale der Heimtücke als erwiesen an, nicht aber das der niederen Beweggründe. Im Fall von Hannah bejahte Götz beide Mordmerkmale.

Im Fall von Felix kommt in dem Fall eine spezielle Vorschrift in Betracht. Der junge Mann ist Heranwachsender. Die Vorschrift besagt, dass Heranwachsende, auf die im Fall von Mord Jugendstrafrecht angewendet wird, in besonders schweren Fällen mit bis zu 15 Jahren Freiheitsentzug bestraft werden können. An den Anträgen ist abzulesen: Oberstaatsanwalt Götz sah diese besondere Schwere der Schuld als erwiesen an, Verteidiger Hilmar Lampert offenbar nicht. Lampert könnte durch eine solche Überlegung dazu gekommen sein: Felix S. beging die Tat seiner Freundin zuliebe, nicht aus niederen Beweggründen. Damit fiele das zweite Mordmerkmal weg. Das erste, die heimtückische Begehungsweise dürfte nicht wegzudiskutieren sein: Da Felix ein anklagegemäßes Geständnis abgelegt hat, dürfte er auch eingeräumt haben, sich nachts mit Skimaske und Messer in das Schlafzimmer der Opfer geschlichen und diese im Schlaf getötet zu haben.

Wie Hannahs Verteidiger seinen Antrag auf Freispruch begründete, war am Mittwoch nicht zu erfahren. Von dem Antrag ausgehend ist klar, dass seine Mandantin nicht gestanden hat. Weitere Indizien reichen dem Verteidiger offenbar nicht für den Beweis eines gemeinsamen Mordplans.

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