Känguru-Comics Erika-Fuchs-Haus zeigt Schau zum beliebten Beuteltier

Ralf Sziegoleit
Museumsleiterin Joanna Straczowski mit einer Zeichnung zum Thema Corona-Varianten. Foto: azs

Der Kleinkünstler und das Beuteltier: In einer Sonderausstellung zeigt das Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach an der Saale die „Känguru-Comics“ von Marc-Uwe Kling und Bernd Kissel.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Am Anfang war ein Buch mit schrägen Geschichten um ein vorlautes Beuteltier. Es hieß „Die Känguru-Chroniken“ und hüpfte auf die Bestsellerlisten. Sein Autor Marc-Uwe Kling schrieb Folgebände und tourte mit Lesungen durchs Land. Als die Pandemie seine Auftritte stoppte, wurden die Chroniken unter Mithilfe des Zeichners Bernd Kissel neu geboren. Der Zeugungsakt fand im Jobcenter statt und ist dokumentiert: Auf Arbeitssuche erfahren der „Kleinkünstler“ und sein Känguru, dass man ihnen mangels Qualifikation und Berufserfahrung lediglich „die Arbeit als Comicfiguren“ anbieten könne. Seit Dezember 2020 sind sie – beziehungsweise Autor Kling und Zeichner Kissel – nun bei „Zeit online“ im Dienst.

Täglich fügen sie ihrer Chronik eine neue Episode in Form einer Bildergeschichte hinzu. Als Buch liegen „Die Känguru-Comics“ auch schon vor. Jetzt sind sie sogar museumsreif: Im Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach an der Saale, Deutschlands erstem Haus für Comic und Sprachkunst, ist ihnen eine Sonderausstellung gewidmet, die am Samstagnachmittag eröffnet wurde. Bürgermeister Hans-Peter Baumann freute sich über zahlreiche Besucher, und Museumsleiterin Joanna Straczowski war „heilfroh“, dass es mit viel Herzblut gelungen sei, diverse Widrigkeiten – die Ausstellung musste verschoben werden – zu überwinden.

Nur das Wetter spielte nicht mit. Deshalb fand die Eröffnung nicht im Freien, sondern im Saal statt. Draußen, hinter dem Haus, war zuvor schon der Zeichner Nils Oskamp mit einer Känguru-Graffiti-Performance aktiv geworden, wobei ihm „sechs bis acht Kinder“ der örtlichen Mittelschule geholfen hatten. Motto der vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderten Aktion: „Yes we käng“. Oskamp, der selbst schon im Erika-Fuchs-Haus ausgestellt hat, machte sich als Autor einer „Graphic Novel gegen Rechts“ mit dem Titel „Drei Steine“ einen Namen. In dem Buch schildert er, wie er in den Achtzigerjahren in Dortmund zwei von Neonazis verübte Mordanschläge überlebte.

Zur nun eröffneten „Känguru“-Ausstellung hat Oskamp den Anstoß gegeben. Die Comics von Kissel und Kling, sagt er, hätten ihm die Corona-Zeit versüßt, und als er beim Comicsalon Erlangen 2021 Joanna Straczowski traf, machte er sie mit dem Zeichner-Kollegen bekannt. Die Museumsleiterin besuchte den Künstler und suchte Zeichnungen für die Ausstellung aus. Kissel war entgegenkommend und packte immer noch ein paar Sachen dazu. „Es war wie bei einer Shopping-Tour“, erzählt die Chefin des Museums, die an den Bildern besonders die mimische Ausdruckskraft des Kängurus bewundert.

In den Comics präsentiert sich das Tier als Kämpfer für eine gerechte Weltordnung und schonungsloser Kritiker des Kapitalismus. Andererseits ist es faul und kindsköpfig und lässt es sich gut gehen bei Schnapspralinen und Schnitzelbrötchen. Charme und subversive Pointen zeichnen die Bildergeschichten aus, die Inhalte nehmen Bezug auf Politik und Gesellschaft. Es geht um Corona und die Klimakrise, um „Putins Krieg“ und das Geschäft des Regierens, um nervende Whatsapp-Gruppen und Kryptowährungen, um Affenpocken und die AfD. Um einen Spaß für Kinder handelt es sich nicht. Mindestens wissbegierig sollten sie sein, wenn sie sich an die Lektüre wagen. „Känguru“-Fan Oskamp berichtet, von seinem Sohn gefragt worden zu sein: „Was ist ein Anarchist?“

Das Programm zur Ausstellungseröffnung endete mit einer musikalischen Lesung aus den „Chroniken“, dargeboten von Marco Stickel, dem Leiter des „Jungen Theaters Hof“. Sie soll am 17. September wiederholt werden. Zur Finissage der Schau, die täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist, wird am 5. November um 18 Uhr der Zeichner Bernd Kissel anwesend sein: Ein Künstlergespräch geht seiner Signierstunde voraus.

Bilder