Kleinschwarzenbach Hier kommt der Eiermann

Der Herr im Hühnerhaufen: Sebastian Münch hält seine Tiere in mobilen Ställen (rechts und hinten im Bild). Vier- bis fünfmal im Jahr versetzt er die Häuser. Gegen den Habicht als Gefahr Nummer eins setzt er Ziegen ein. Foto: cs

Sebastian Münch betreibt in Kleinschwarzenbach mobile Hühnerställe. Weil die Tiere bei Schnee nicht raus wollen, muss er "den Damen" etwas gegen Langeweile anbieten.

 
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Helmbrechts/Kleinschwarzenbach - Weiter zappen und die Bilder schnell vergessen? Für Sebastian Münch keine Option. Vor zehn Jahren hat er einen Film über Legebatterien gesehen und sich geschworen, nie wieder Supermarkt-Eier zu essen. Am Tag darauf hat er einen Stall gezimmert, eine Woche später war er stolzer Besitzer von fünf Hennen. Heute will der Nebenerwerbslandwirt die Tiere nicht mehr missen. "Sie sind mein Ausgleich zum Job, meine Erholung", sagt der selbstständige Bauunternehmer, der einen Betrieb mit 40 Angestellten leitet.

Aus fünf sind 500 Hühner geworden. Sebastian Münch hält sie auf eine ganz besondere Weise: In mobilen Ställen, die er auf seinem drei Hektar großen Grund im Helmbrechtser Ortsteil Kleinschwarzenbach immer wieder an den Traktor anhängt und umsetzt. Dadurch picken und scharren die Hühner stets auf frischem Boden und nehmen weniger Kot mit Bakterien auf, das Gras hat Zeit, nachzuwachsen. Das Freigehege ändert sich immer wieder mit fünf Stationen im Kreis, bis die Tiere zur ersten Station zurückkehren. Das schafft Abwechselung und reduziert Krankheiten, weiß Münch. "Die Hühner sind gesünder, ich brauche keine Antibiotika", erklärt der 36-Jährige.

Doch was machen seine Hühner jetzt - im Winter? "Sobald sie Schnee sehen, ist es vorbei." Soll heißen, kein Huhn verlässt mehr den mobilen Stall. Münch räumt dann zwar mit dem Frontlader eine größere Fläche frei, doch nur wenige nutzen den Auslauf im Schnee. Das stellt den Mann aus Kleinschwarzenbach vor eine besondere Herausforderung: Er muss das Federvieh bei Laune halten, Langeweile kann im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein. Haben die Hühner nichts zu tun, fangen sie an, sich gegenseitig Federn auszupicken, rupfen sich sogar bis aufs Blut. Das will der Tierhalter verhindern und gibt ihnen etwas zu tun. "Sie sollen sich ihr Futter verdienen müssen, dann sind sie gut beschäftigt." Dafür verstreut Münch Weizenkörner im Mobil, nach denen die gefiederten Bewohner dann suchen.

Der zehn Meter lange und 3,5 Meter breite Raum ist gut durchdacht. Im oberen Teil sitzen die Hühner auf Stangen, unten können sie scharren. Ihre Eier legen sie in Nester, gefüllt mit Dinkelspelz. Das Ei sinkt dort ein und wird nicht dreckig. Mittags öffnet Sebastian Münch die Klappen am Stall und sucht die Eier im Dinkelspelz. Der Kot der Tiere gelangt auf ein Förderband, das Münch mit einer Kurbel in Bewegung setzen kann. So befördert er den Dreck ganz einfach in die Schaufel des Traktors. "Der Stall ist in fünf Minuten ausgemistet." Und das, obwohl sich hier wöchentlich ein zehn Zentimeter hoher "Teppich" aus Kot bildet.

Aber das kleine Mobil kann noch mehr: Es öffnet und schließt selbstständig seine Türen, sodass die Tiere morgens ins Freie können und abends vor dem Fuchs geschützt sind. Die Energie für die Technik produziert der Stall selbst über ein kleines Solarmodul auf dem Dach. Sogar im strengsten Winter braucht das gut isolierte Häuschen keine Heizung, die Körperwärme der Tiere genügt, um es über 0 Grad zu halten, damit das Wasser nicht einfriert. "Hühner können Kälte besser ab als Hitze", sagt Münch. Die LED-Lampen im Stall simulieren einen Tag mit 14 Stunden Licht, das heißt, um 5 Uhr morgens geht im Hühnermobil "die Sonne" auf. "Hähne krähen auch bei LED-Licht." Setzt draußen die Dämmerung ein, ziehen sich die Tiere ins Haus zurück und sogar die, die zuvor durch den Zaun entwischt sind - sie folgen dem Herdentrieb.

Für seine Hühner hat Münch viel investiert. Ein mobiler Stall kostet 45 000 Euro. Der Tierhalter ist froh, dass er nicht auf die Einnahmen aus dem Eierverkauf angewiesen ist, sonst müsste er anders wirtschaften, sagt er. Die Eier verkauft er über einen Automaten im Dorf, der rund um die Uhr offen steht, und liefert sie - wie im bekannten Lied vom Eiermann - tatsächlich alle zwei Wochen selbst aus, bis an die Haustür.

Trotz seiner tierfreundlichen Haltung will er die großen Hühnerhöfe nicht verteufeln und betont: "Der Bedarf an Eiern lässt sich mit mobilen Ställen allein nicht decken." Er versteht auch, dass die Betreiber der Großbetriebe es lieber sehen, wenn die Tiere sich drinnen aufhalten. So sei die Legeleistung kalkulierbarer.

Ihm jedoch liegt die artgerechte Haltung am Herzen, mit viel Auslauf in einem Gehege, das Ziegen bewachen. "Sonst würde der Habicht hier täglich ein Huhn holen." Wenn das passiert, schmerzt es Sebastian Münch sehr - nicht wegen des wirtschaftlichen Schadens, sondern weil er an den Tieren hängt. Er sei eben mittlerweile Hühner-verrückt, sagt er: "Mit ihnen wird’s nie langweilig."

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