Die oft vergebliche Suche nach dem Kokain ist für die Polizei allerdings nur eine Aufgabe. Zum größeren Problem wird inzwischen, dass die Schmugglerbanden immer gewalttätiger werden und längst nicht mehr nur im Verborgenen handeln. Immer wieder berichten belgische Medien von einem regelrechten „Drogenkrieg“ in den Straßen von Antwerpen. Fast täglich kommt es zu Schießereien, Sprengsätze explodieren. Spektakulärer Höhepunkt der Entwicklung war, dass vor zwei Jahren von der Polizei in letzter Minute die Entführung des damaligen belgischen Justizministers Vincent Van Quickenborne vereitelt werden konnte. Der hatte der wuchernden Drogenkriminalität den Kampf angesagt und sollte offensichtlich zu Schweigen gebracht werden.
Die Dealer kämpfen um ihre „Territorien“
Aktuell große Sorge bereitet den belgischen Sicherheitskräften, dass die Welle der Gewalt inzwischen auch in die nur knapp 40 Kilometer entfernte Hauptstadt Brüssel schwappt. Dort geht die Zahl der registrierten Verbrechen im Zusammenhang mit Drogenkriminalität geradezu durch die Decke. Als Grund nennt die Polizei, dass der Kampf um die „Territorien“ schärfer geworden sei. In Brüssel hätten inzwischen albanische Clans die Führung übernommen, für die die Stadt eine Art logistischer Knotenpunkt geworden sei. Die importierten Drogen würden von dort nach Südosteuropa weitertransportiert.
Frustrierend für die Ermittler ist, dass die Täter mit ihnen oft Katz und Maus spielen. Die kriminellen Netzwerke von Belgien und den Niederlanden seien eng miteinander verzahnt, erklärte der niederländische Kriminologe Cyrille Fijnhout der Tageszeitung „De Volkskrant“. „Niederländische Kriminelle gehen nach Belgien und umgekehrt, sie missbrauchen die Grenze, um der eigenen Polizei und Justiz zu entgehen.“ Fijnhout erkennt mafiaähnliche Strukturen in beiden Ländern. „Wir sehen, dass die Grundzüge der Mafia übernommen werden bis zur höchsten Ebene, wie Gewalt gegen den Staat.“ Damit lege der Kokainhandel auch den Keim für andere Formen der Kriminalität wie Geldwäsche, Korruption und Immobilienbetrug.
Eine Europäische Hafenallianz soll helfen
Inzwischen wurde auch in der Politik erkannt, dass diesem Treiben nicht mehr tatenlos zugesehen werden kann. Auf Anregung der belgischen Innenministerin Annelies Verlinden wurde deshalb Anfang dieses Jahres in Antwerpen eine Europäische Hafenallianz ins Leben gerufen. Etwa 20 europäische Häfen sollen sich daran beteiligen, darunter die deutschen Häfen Hamburg und Bremerhaven. In Hamburg waren im vergangenen Oktober fünf Hafenarbeiter verhaftet worden, die sich am Kokainschmuggel in Schiffscontainern beteiligt haben sollen.
Die belgische Innenministerin mahnte in Antwerpen, im Kampf gegen die mächtigen und flexiblen Drogenbanden müssten die Behörden in Europa ihre Kräfte bündeln, mehr Informationen austauschen und sich besser miteinander abstimmen. An der Allianz beteiligt sind auch Europol und privatwirtschaftlichen Organisationen wie Schifffahrtsverbänden.
Fehlende Ausrüstung im Kampf gegen die Schmuggler
Doch damit nicht genug. Anfang Mai soll in Hamburg ein Ministertreffen stattfinden, bei dem Deutschland, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien und Italien die Koordinierung ihres gemeinsamen Kampfes gegen organisierte Kriminalität, insbesondere der Rauschgiftkriminalität, vorantreiben wollen. Kritiker verlangen das schon seit Jahren. In ihren Augen reicht es nicht aus, korrupten Hafenarbeitern das Handwerk zu legen oder Drogenlager auszuheben. Sinnvoller seien mehr Befugnisse für die Ermittler in Sachen Geldwäsche und Datenschutz und ein Blick nach Italien könne zeigen, wie scharfe Anti-Mafia-Gesetze aussehen sollten.
Die Zollbeamten in Antwerpen hören solche Diskussionen seit Jahren. Ihnen würde es im Moment allerdings schon reichen, wenn sie nach vielen leeren Versprechungen im Kampf gegen die Schmuggler technisch besser ausgerüstet würden. So verfügt der ganze Hafen derzeit über einen einzigen mobilen Scanner zum Aufspüren von in Containern versteckten Drogen. Dieses Jahr sollen fünf weitere Scanner geliefert werden. Statt derzeit ein bis zwei Prozent der Container sollen künftig zumindest alle Container gescannt werden, die aus sogenannten Risikoländern in Südamerika oder Westafrika kommen.