Krisendienst Oberfranken „Wir sind innerhalb einer Stunde vor Ort“

Wer sich in einer seelischen Notlage befindet, kann sich rund um die Uhr an den Krisendienst Oberfranken wenden. Die Spezialisten bieten verschiedene Hilfen an.

 
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Die Berater der Leitstelle vermitteln auch psychologisch geschulte Helfer, die ins Haus kommen. Foto: dpa/Uli Deck

Die Zahl des Robert-Koch-Instituts ist erschreckend: Jeder dritte Bürger in Deutschland gerät einmal im Leben in eine schwere seelische Krise. Manch einer findet keinen Ausweg, kommt mit dem Leben nicht mehr zurecht. Daher bietet zum Beispiel der Krisendienst Oberfranken rund um die Uhr Hilfe an. Wir sprachen mit Martin Schuster, Gebietskoordinator des Krisendienstes Oberfranken aus Hof.

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Was geschieht, wenn ich die Telefonnummer des Krisendienstes anrufe?

Sie kommen in unserer Leitstelle in Bayreuth heraus. Hier steht rund um die Uhr Fachpersonal zur Verfügung, es handelt sich um Psychologen und Sozialpädagogen. Diese beraten die Anrufer oder empfehlen geeignete Hilfsangebote. Häufig bringt dies den Hilfesuchenden bereits eine Entlastung. In dringenden Fällen leiten die Spezialisten aber auch einen Einsatz vor Ort in die Wege. Manchmal kommt es vor, dass uns die Polizei hinzuzieht, wenn es sich um gravierende Fälle handelt.

Die Hilfesuchenden sind manchmal in einer akuten Krisensituation, da nutzt es nichts, wenn irgendwann Hilfe kommt, sie benötigen diese sofort.

Die bekommen sie natürlich. Wir sind in Oberfranken so organisiert, dass unsere Mitarbeiter vor Ort immer innerhalb einer Stunde bei dem Hilfesuchenden sind. Zuvor haben die Kollegen in der Leitstelle den Fall bereits in eine Kategorie eingeordnet, damit das Krisenteam weiß, in welche Richtung es geht.

Welche Kategorien gibt es?

Grob gesagt zwei: So die psychiatrischen Fälle, bei denen es sich um eine diagnostiziert Erkrankung handelt, und um psychosoziale Fälle, etwa akute Belastungssituationen aufgrund von Problemen wie Überschuldung, einer Suchterkrankung oder eines traumatischen Erlebnisses wie den Unfalltod eines nahen Angehörigen.

Sie sprachen von Krisenteams. Wie viele Leute suchen den oder die Hilfesuchende(n) auf?

Es sind immer Zweierteams. Es geht darum, ein potenzielles Risiko für unsere Mitarbeiter zu minimieren. Außerdem kommen sie häufig in Familien mit vier, fünf Leuten. Da ist es hilfreich, wenn man die Menschen vor Ort mal sortieren kann – heißt, einer kümmert sich etwa um die Kinder, damit der andere in Ruhe mit den Eltern reden kann.

Den Krisendienst Oberfranken gibt es erst seit zwei Jahren. Hat er sich bereits etabliert?

Wir sind immer bestrebt, noch bekannter zu werden. Aktuell gehen in unserer Leitstelle in Bayreuth pro Monat 500 bis 700 Anrufe ein. Das zeigt, wie wichtig das Angebot ist. In 154 Fällen ist ein Einsatz vor Ort notwendig gewesen – davon 37 im Bereich Hof-Wunsiedel. Dabei ist es nicht zwingend notwendig, dass wir direkt ins Haus oder die Wohnung kommen. Unsere Mitarbeiter vereinbaren auch schon mal einen neutralen Treffpunkt, wenn der Anrufer anonym bleiben will.

Mit welchen Krisen werden Ihre Mitarbeiter konfrontiert?

Das Spektrum ist extrem breit. Bei den Fällen, bei denen es bei einem Telefongespräch bleibt, ist zum Beispiel das Thema Suizidalität eher untergeordnet. Anders bei jenen, zu denen ein Krisenteam ausrückt. Hier würde ich von Dreifünftel aller Fälle ausgehen, bei denen es um eine derartige Krise geht. Manchmal äußern die Anrufer auch einen passiven Todeswunsch. Eben da sich die Hilfesuchenden in einer akuten Krisensituation befinden, ist es für uns so ausgesprochen wichtig, dass unsere Helfer spätestens innerhalb einer Stunde in jedem Ort in Oberfranken sein können.

Wie können Ihre Mitarbeiter bei akuten Einsätzen helfen?

Im überwiegenden Teil der Fälle vermitteln wir die Hilfesuchenden an Fachstellen zur weiteren Betreuung. Einige wollen sich freiwillig in eine psychiatrische Einrichtung aufnehmen lassen. Es kommt aber auch vor, dass wir eine Einweisung vermeiden und anderweitig unterstützen können. Wir verfügen über ein sehr breites Netzwerk an Hilfsangeboten und kooperieren mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst. Manchmal hilft aber auch schon der Rat, den Hausarzt aufzusuchen und sich krankschreiben zu lassen, damit der- oder diejenige Zeit findet, wieder klar zu sehen.

Der Krisendienst Oberfranken bietet rund um die Uhr telefonische Hilfe für Menschen in seelischen und psychischen Notlagen unter der Nummer 0800/6553000. Täglich, auch an den Wochenenden und an Feiertagen, stehen von 9 bis 24 Uhr zudem in allen oberfränkischen Regionen Spezialisten (zum Beispiel Mitarbeiter aus Beratungsstellen, dem Jugendamt, der Bezirksklinik) für persönliche Besuche zur Verfügung.