Seit das deutsche Schiff "Werra" im Juni Kiel verlassen hat, rettete es 1186 Flüchtlinge aus gebrechlichen Nussschalen vor dem Ertrinken; das meldete die Frankfurter Rundschau dieser Tage. Zahllosen Flüchtlingen auf dem Mittelmeer winkt solches Glück nicht. An den folgenschwersten Schiffsuntergang der Geschichte, die Katastrophe der am 30. Januar 1945 torpedierten "Wilhelm Gustloff", erinnert zurzeit das Lübecker Günter-Grass-Haus; der Literaturnobelpreisträger selbst hat die Ausstellung noch eröffnet. Sie beleuchtet sein 2002 erschienenes Buch "Im Krebsgang" und ruft der "Gustloff" stoisch nach: "War eigentlich ein schönes Schiff"; so heißt die Schau denn auch. Von den 10 300 deutschen Vertriebenen und Marineangehörigen an Bord blieben nur 1252 am Leben - so wurde Grass' grandiose Novelle auch zu einer großen Reflexion über den Tod. Sein letztes Werk, "Vonne Endlichkait", versammelt (wie berichtet) umso kleinere, dafür sehr persönliche Ideen darüber. Und nicht allein die abgeklärten Texte spiegeln die pessimistische prämortale Gedankenwelt des sprachbildmächtigen Zeitgeistverweigerers; ebenso eindringlich tun's seine akribischen Grafiken. Oft wird unterschätzt, dass der Dichter - und gelernte Bildhauer - zugleich ein hochbegabter Bildkünstler war. So hat der "wortvernarrte Augenzeuge" einen Haufen erdig-runzliger Dahlienknollen gezeichnet; Frau Grass lagerte sie zum Überwintern in einem der Särge ein, die sich das Ehepaar als "vorsorgliche Maßarbeit" bereits zu Lebzeiten hatte zimmern lassen. Etwas, das aussieht wie Gartenabfälle, gewinnt die Kraft eines Symbols für Vergänglichkeit wie für keimendes Leben. Immer wieder signalisieren Federn: "Vogelfrei" wollte der Dichter sein. Neben einem Elchschädel liegen seine eigenen, künstlichen Zähne,
irgendwie bissig - mithin kein Abbild des Todes: "eigentlich schön". Aber vier harmlose Pfeifen, zwei Seiten weiter, sind eines: Die raucht keiner mehr.