Seine Doktorarbeit schrieb er in Leipzig über die Phonologie des Ostvogtländischen, also darüber, durch welche Laute unter welchen Bedingungen sich in dieser Mundart Wörter voneinander unterscheiden. Mit dem Vogtländischen ist der Schriftsteller Hans-Joachim Schädlich aufgewachsen, denn in Reichenbach nahe Plauen wurde er - heute vor 75 Jahren - geboren. Nach dem Germanistikstudium betrieb er sprachwissenschaftliche Forschungen an der Ostberliner Akademie der Wissenschaften. Seine Versuche, als Schriftsteller Fuß zu fassen, scheiterten zunächst an den Zensurbehörden der DDR, die befanden, der Inhalt seiner Arbeiten sei zu negativ. 1977 wurden 25 Kurzgeschichten, die in zum Teil starker Verfremdung die gesellschaftlichen Verhältnisse im SED-Staat beschrieben, unter dem Titel "Versuchte Nähe" vom Rowohlt Verlag in Hamburg veröffentlicht. Daraufhin sah sich Schädlich "gezwungen, die DDR freiwillig zu verlassen". Im Westen veröffentlichte er unter anderem 1986 den Roman "Tallhover", dessen fiktive Titelfigur bei wechselnden Regimes - vom Preußen des Vormärz bis zur DDR - im Dienst der politischen Polizei steht und damit die Kontinuität des deutschen Polizeistaats verdeutlicht. Bald nach der deutschen Vereinigung erfuhr Schädlich aus Stasi-Unterlagen, dass sein älterer Bruder ihn und auch Günter Grass bespitzelt hatte; darüber schrieb er 1992 den Text "Die Sache mit B." In dem Roman "Anders" (2003) beschäftigte er sich kritisch und zugleich unterhaltsam mit Menschen, die als "Wendehälse" ihre Persönlichkeit verändern und hinter Masken verbergen. Der in Berlin lebende Autor, zu dessen Stilmitteln eine eigenwillige Syntax und manchmal komplizierte Verschlüsselungen gehören, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln, den Berliner Literaturpreis und zuletzt, im Frühjahr 2010, den Literaturpreis Corine für sein Buch "Kokoschkins Reise".