Unter Klassik-CDs umgehört

Europäische Chormusik, - Leitung: Eric Ericson. Warner Classics, 6 CDs, Nr. 825646261505

Er habe, sagt man, ein "Chorwunder" vollbracht: Als Eric Ericson 2013 mit 94 Jahren starb, führte er den Ehrentitel, eine Legende zu sein, mit Fug und Recht. Europäische Vokalkunst aus fünf Jahrhunderten unter der Leitung des Schweden versammeln die ersten drei CDs der Edition, die anderen drei "Virtuose Chormusik". Stimmtechnisch erstklassig, vollendet in der künstlerischen Tiefensicht klingen die A-cappella-Darbietungen des Rundfunkchors Stockholm und des Stockholmer Kammerchors durchweg. Brahms und Bartók, Gesualdo und Penderecki, Monteverdi und Messiaen stehen einträchtig in ihrem Wohllaut beieinander. Faszinierend die Interpretation der doppelchörigen Messe von Frank Martin (dessen Tristan-und-Isolde-Version "Der Zaubertrank" am 6. März im Theater Hof Premiere hat) und der "Deutschen Mottete" von Richard Strauss. Ihren Ruf, fast unaufführbar schwierig zu sein, zerstreut Ericson mit Genauigkeit und lichter Transparenz.

Hildegard von Bingen: Vox Cosmica. - Carpe Diem Records, 1 CD, Nr. 16304

Abaelard - der Theologe, der einen christlichen Glauben mit menschlicher Vernunft propagierte; Hildegard - die Heilige und Gelehrte aus dem Kloster Rupertsberg bei Bingen am Rhein: zwei Protagonisten des Mittelalters. Beider meditative Weisen - von Abaelard erhielten sich sechs "Planctus", Klagelieder - verknüpfen die katalanische Sängerin Arianna Savall und der Norweger Petter Udland Johansen mit stimmlicher Gedankenverlorenheit. Hinzu tritt sparsam das Instrumentalensemble "Hirundo maris", zu dem zwei Musiker der "Capella Antiqua Bambergensis" gehören. Rhythmisch, durch exotische Klanglichkeit und vier Eigenkompositionen Johansens schlagen sie in gemeinsamer mystischer Sammlung über bald 900 Jahre hinweg die Brücke in die ruhebedürftige Gegenwart.

Claudio Monteverdi: Marienvesper. -
Carus, 1 CD, Nr. 83.394

Als "Bewerbungsmappe", schreibt im Beiheft Uwe Wolf, habe der Komponist dies Werk und weitere nach Rom mitgenommen, wo er sich 1610 dem Papst andienen wollte; was ihm missriet. Umso gelungener die Vesper, eine der bedeutenden Sakralmusiken des Barocks. Beide ausführende Ensembles machten sich auch in der Region bereits bekannt: Für die Aufnahme haben sich die glänzenden Herren des doppelt Echo-preisgekrönten Gesangssextetts Amarcord mit nur fünf weiteren Männern und Frauen verstärkt und bewältigen die Vokalpartien mithin so gut wie solistisch; Wolfgang Katschner leitet die "Lautten Companey" aus Berlin, die er seit ihrer Gründung 1984 auf alle Feinheiten der historisch informierten Aufführung Alter Musik einschwört.

Renée Fleming: Christmas in New York. - DECCA, 1 CD, Nr. 478 6770

Am hektischsten, heißt es, heize die aufgeregte Vorweihnachtszeit sich in New York auf. Einigermaßen zur Ruhe kommt, wer sich da der gefeierten US-Sängerin Renée Fleming anvertraut. "Still, still, still ...", singt die 55-Jährige mit farbsattem Sopran, den sie im Mezzoregister einquartiert, und macht sich auch sonst viele feine, kleine Regungen des Sentiments zu eigen. Bereitwillig folgen ihr Partner wie der begnadete Wynton Marsalis mit der Trompete und Brad Mehldau als exquisiter Pianist. Die Diva als Diseuse: na denn, schon mal frohes Fest! Michael Thumser