Es war eine Szene wie aus einem schlechten Horrorfilm: Ein junge Frau kniet gefesselt auf einem Dachboden. Vor ihr hat sich ihr Freund Sascha K. (Name geändert) aufgebaut, der rasend vor Eifersucht herausfinden will, ob die Frau etwas mit anderen Männern hat. Schließlich kündigt er ihr an, dass er sie nicht selbst umbringen will, weil das ein anderer für ihn tun werde. Er meint damit seine Boa Constrictor.

Aus der darunter liegenden Wohnung holt er das über zwei Meter große und fast 20 Kilogramm schwere Reptil und hält es der weinenden Ex-Freundin immer wieder dicht vor das Gesicht. Erst nach über einer Stunde ist die erniedrigende Szene vorüber und die junge Frau kann fliehen - nicht ohne mit einem Faustschlag auf das Auge noch eine blutende Wunde davongetragen zu haben.

Für diesen und weitere Vorfälle muss sich der 28-jähriger Rehauer seit Dienstag vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Hof verantworten. Die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwalt als Gruppenleiter Dietmar Burger, wirft ihm unter anderem Geiselnahme, Freiheitsberaubung und Körperverletzung vor. Sascha K. legt gleich zu Beginn der Verhandlung ein weitgehendes Geständnis ab. Der junge Handwerker erklärt seine Ausfälle mit seinem langjährigen Drogenmissbrauch. Vor seiner Inhaftierung spritzte er sich regelmäßig Crystal und nahm die Designerdroge MDPV.


Unter dem Einfluss dieses starken Aufputschmittels stand Sascha K. auch am 13. September 2014, als Polizeibeamte ihn abholen wollten, damit er eine zweijährige Haftstrafe wegen Drogendelikten antritt. Der 28-Jährige wollte dies mit allen Mitteln verhindern. Seit Tagen versteckte er sich schon bei Freunden, seinen gesamten Besitz hatte er in Drogen umgesetzt.

Vor den Polizeibeamten flüchtete Sascha K. auf das Dach eines Mehrfamilienhauses. Dort setzte er sich auf den Giebel und ließ sich auf keine Verhandlungen mit der Polizei ein. Auf einen Polizeibeamten legte er mit einer täuschend echten Handfeuerwaffe an. "Ich wollte sterben und habe mich nicht getraut zu springen", sagt er in der Verhandlung. "Ich wollte, dass die Polizei mich erschießt." Die Beamten warteten lieber darauf, dass die Wirkung der Drogen nachlässt. Nach elf Stunden auf dem Dach gab Sascha K. auf.

In seiner Heimatstadt war der damals 27-Jährige schon so etwas wie eine Berühmtheit. Im Juni 2008 gab es wegen ihm schon einmal einen SEK-Einsatz. Weil ihn die Freundin verlassen hatte, wollte sich der junge Mann umbringen. Er besorgte sich in einem Baumarkt eine Gasflasche und drehte in er Wohnung das Ventil auf. Über sechs Stunden hielt er Polizei und Rettungskräfte in Atem. Messungen hatten ergeben, dass ein einziger Funke den gesamten Wohnblock in die Luft gejagt hätte. Unter Lebensgefahr stürmten schließlich Sondereinsatzkräfte der Polizei die Wohnung und nahmen Sascha K. im Schlafzimmer fest.

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Seine Ausfälle erklärt Sascha K. den Richtern mit seinem langjährigen Drogenmissbrauch. Unter dem Einfluss von Crystal "schiebe ich Eifersuchtsfilme". Er gibt aber auch zu, dass er seine - ebenfalls drogenabhängige - Ex-Freundin auch deshalb immer wieder verprügelt habe, weil er sie verdächtigte, sich an seinem Drogenbestand bedient zu haben. Einmal brach sich die junge Frau, die Ferse, weil sie Sascha K. in der gemeinsamen Wohnung eingesperrt hatte und sie auf der Flucht aus dem dritten Stock auf den Balkon der Wohnung darunter sprang.

Als ihn das Opfer verließ, hatte Sascha K. nur wenig später eine neue Freundin. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, auch sie mehrfach geschlagen und ihr ein Messer an den Hals gehalten zu haben. Sie war es auch, die im September die Polizei auf die Spur des vor der Haft flüchtenden Sascha K. brachte.

Er hatte sie zuvor so geprügelt, dass sie sich bei Nachbarn in Sicherheit brachte. Vernehmungen zufolge hatte Sascha K. ihr zu Beginn der Beziehung die von den Prügeln noch gezeichnete Ex-Freundin gezeigt. Dazu habe er bemerkt, dass so Frauen aussehen, die "nicht ehrlich zu mir sind". Trotzdem hat ihn die junge Frau inzwischen in der Haft geheiratet.

Sascha K. sagt vor Gericht, dass er sich an etliche Details der ihm vorgeworfenen Taten nicht mehr erinnern könne. Nach den Monaten in Haft könne er sich gar nicht mehr vorstellen "so ein Mensch gewesen zu sein" . Er möchte sein Leben nun mit einer Therapie wieder ins Lot bringen.

Nach Rehau und den alten Freundeskreis will er keinesfalls mehr zurück. "Dort bin ich doch nur noch der Idiot vom Dach", ist er sich sicher. Aufmerksamer Zuhörer der Verhandlung ist der Erlanger Psychiater Dr. Thomas Wenske. Ihn hat das Gericht mit einem Gutachten darüber beauftragt, ob eine Unterbringung in einem geschlossenen Suchtkrankenhaus in Frage kommt.


Die Hauptverhandlung wird am morgigen Donnerstag fortgesetzt.