Luisenburg-Dach Es ist wieder da

Das Befestigen der Stahlseile an den Spezialhaken im Gelände ist eine kniffelige Aufgabe. Foto:  

Mit dem Aufbau des gigantischen Zeltdaches stehen die Zeichen in Wunsiedel auf Festspielzeit. Die bevorstehende Saison ist auch wegen der Technik eine besondere.

 
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Ronny Burgau ist nicht zum Plaudern zumute. Der Techniker im roten Overall gibt schnelle, direkte Kommandos. Alles klappt. Am Ende ist es ein Kampf gegen die Natur. Setzt der Regen zu früh ein, wird es gefährlich. Und das will Burgau auf jeden Fall vermeiden. Er ist der Verantwortliche für den Aufbau des Luisenburg-Zeltdaches. Seit zehn Jahren kümmert er sich um das Spektakel mit der 1600 Quadratmeter großen Plane aus PVC, die auch in der kommenden Festspielzeit die Zuschauer schützen wird.

Das Aufhängen des Zeltdaches ist so etwas wie der Startschuss in die neue Saison. Erst wenn die Plane über der Tribüne hängt, können die Techniker das Equipment für die Beleuchtung und den Ton aufbauen. Vier, maximal fünf Tage dauert es, bis das Dach gespannt ist, Für Ronny Burgau von der Zeltbaufirma Zimmermann aus Tengen im Allgäu ist der Einsatz auf der Luisenburg immer wieder spannend. Hier oben auf dem Berg schlägt das Wetter schnell um. Setzt Regen ein, wird nicht nur die Folie glatt. Auch die bemoosten Felsen sind dann rutschig. Keine guten Bedingungen für die Helfer, die die schweren Stahlseile mit den riesigen Karabinerhaken an die Verankerungspunkte hochwuchten müssen. Deshalb mahnt Burgau, Gas zu geben, so lange es noch trocken ist.

Erst einmal putzen

Jetzt, da die an sich weiße Zeltdachfolie an mehreren Stahlseilen hängend vor der Bühne baumelt, wirkt sie alles andere als erhaben. Vor allem an den Rändern ist sie schwarz vor Dreck. „Nach der Saison packen wir das Zeltdach so wie es ist in eine riesige Holzkiste, die auf der Bühne steht“, erklärt Michael Lindner, stellvertretender Leiter der Festspieltechnik. Geputzt werde es erst, bevor die neue Saison beginnt.

So erklärt sich auch der Sinn, warum die lose gespannte Folie nur etwa zwei Meter über dem Boden hängt: Mehrere Handwerker spritzen sie von unten mit einem Hochdruckreiniger ab, damit die Zuschauer einen blütenweißen Plastikstoff zu Gesicht bekommen, wenn sie nach oben blicken. „Wenn das Dach hängt, könnte man es von unten nicht mehr säubern.“ Anders verhält es sich mit der Oberseite. Am Freitag, wenn alle Stahlseile an den Ankerpunkten befestigt und gespannt sind, werden zwei Mitarbeiter der Spezialfirma, für die Ronny Burgau im Einsatz ist, hinaufklettern und sie vom Schmutz befreien.

Der besondere Effekt

Erst danach kommt es zu jenem Effekt, von dem der derzeit amtierende zweite Bürgermeister Manfred Söllner schwärmt. „Wenn das Dach aus der Ferne leuchtet und es schon von den Ortsteilen aus zu sehen ist, dann weiß man: Es geht wieder los.“

Tatsächlich geht es Schlag auf Schlag: Die Kostümschneider und Bühnenbildner haben bereits mit der Arbeit begonnen. Kommende Woche startet für das Ensemble des Stücks „Kalte Freiheit“ ein Workshop. „,Kalte Freiheit’ stammt aus unserer Fertigungs-und-Entwicklungs-Produktion. Nach dem Workshop mit den Künstlern steht eine erste Präsentation an. Deren Ergebnisse fließen mit in die Proben ein. So entwickelt sich das Stück in mehreren Stufen“, beschreibt der für die Pressearbeit der Festspiele zuständige Christof Kaldonek. Das Musical aus der Feder der künstlerischen Leiterin Birgit Simmler mit der Musik des tschechischen Komponisten Ondřej Soukup beruht auf historischen Begebenheiten, über die Václava Jandečková ein Buch geschrieben hat. Birgit Simmler erarbeitete daraus eine fiktive Handlung für die Luisenburg.

1,3 Tonnen an 15 Ankern

Zurück auf die Bühne. Um die 20 Mitarbeiter der Spezialfirma, der Bühnentechnik und des Bauhofs hängen buchstäblich in den Seilen, um das 1,3 Tonnen schwere Dach nach und nach in Form zu bringen. Letztlich wird es an zwei Gitterrohrmasten mit einer Höhe von 21,5 Metern aufgehängt, die das Zeltdach auf einer maximalen Höhe von 14 Metern über dem Zuschauerraum halten. Verankert werden die insgesamt 400 Meter langen Stahlseile an 15 Spezialankerpunkten, die im Gelände verteilt sind. „Totgehangen“ nennt der technischer Leiter Fabian Schröter die Art der Aufhängung in der Fachsprache.

Totgehangen hat sich die Plane auch im wörtlichen Sinne in wenigen Jahren. Der Stadtrat beschloss im Januar, ein neues Zeltdach anzuschaffen, das ab der Spielzeit 2025 oder 2026 den Zuschauern Schutz vor Regen gewährt. Durch das Lagern in der Kiste wirft die Zellmembran Falten, was auf Dauer zu Schäden führt. Noch macht das aktuelle Dach, das die Handwerker erstmals 2006 hochzogen, einen guten Eindruck, allerdings täuscht der. Einige Jahre sind kein Problem, aber auf Dauer muss eine neue Zeltbahn her. Fabian Schröter: „Es ist aber alles sicher, niemand muss sich Gedanken machen.“

Ein unglaublicher Aufwand

Wieder werfen die Handwerker die beiden motorisierten Winden an. Unter den Augen von zweitem Bürgermeister Manfred Söllner ziehen sie die Plane hoch. Auf einmal ertönt laut ein „Stopp!“. Die Drainage fehlt. Es dauert nicht lange, und alles passt. Erneut bewegt sich das mattweiße Ungetüm ein paar Meter in die Höhe. Auf der Tribünenseite ziehen die Zeltbauer derweil die Plane glatt. Eine Prozedur, die sich mehrmals wiederholt und einige Kraft erfordert.

„Man macht sich als Zuschauer sicher keine Gedanken, welcher Aufwand hier betrieben wird“, sagt Christof Kaldonek. Im Gegensatz zu einem „normalen“ Theater, das einfach auf- und zugesperrt werden müsse, seien auf der Luisenburg Jahr für Jahr langwierige Vorbereitungen notwendig, bis alles angerichtet sei. „Letztlich ist es auch dieses besondere Zeltdach, das dazu beiträgt, die Bühne in einen wahrhaft magischen Raum zu verwandeln.“

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