Marktredwitz Schlafplatz für Rabauken und Betrunkene

Hannes Hörath zeigt die Ausnüchterungszelle. Foto: Matthias Bäumler Quelle: Unbekannt

Die zwei Zellen in der Marktredwitzer Polizeiinspektion sind häufig belegt. Manch einer will sie gar nicht mehr verlassen.

 
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Marktredwitz - Gemütlich sieht anders aus: grünbeige Wandfliesen, ein Bettgestell aus Beton, eine Toilette aus Edelstahl und nicht zu vergessen die Tür aus stählernen Gitterstäben. Die Arrestzelle in der Marktredwitzer Polizeiinspektion ist alles andere als einladend. Dennoch scheint sie für manch einen attraktiver als die Freiheit zu sein. Gleich zwei Männer wollten die Zelle am Wochenende nicht mehr verlassen und mussten von den Beamten eigenhändig vor die Tür befördert werden.

"So etwas habe ich noch nicht erlebt. Normalerweise ist das nicht gerade ein attraktiver Raum", sagt Dienstgruppenleiter Hannes Hörath. Wer hier nächtigt, der hat so einiges angestellt und einen kräftigen Rausch. So auch die beiden Männer, die am Wochenende die zwei Zellen im Keller der Polizeiinspektion belegt haben. "Wenn Menschen für andere eine Gefahr darstellen, müssen wir sie in Schutz- oder Sicherheitsgewahrsam nehmen", sagt Hörath.

Das Prozedere sei im Polizeiaufgabengesetz genau geregelt. In der Regel blieben die - überwiegend - Männer so lange in der Zelle, bis ihr Alkoholpegel wieder ein erträgliches Maß erreicht hat. Das sollte am besten vor 6 Uhr am Morgen sein. "Denn wir können nur zwischen 21 und 6 Uhr Menschen zu ihrem oder anderer Schutz in die Zelle sperren, anschließend gilt der Richtervorbehalt. Das bedeutet, wenn jemand länger als bis 6 Uhr ausnüchtert, muss dem ein Richter zugestimmt haben, sonst macht sich die Polizei der Freiheitsberaubung strafbar. "Wir prüfen daher am frühen Morgen, ob der Insasse wieder in der Lage ist, nach Hause zu gehen", sagt Hörath. Sollte er es nicht sein, entscheidet ein Richter über das weitere Vorgehen. "Es ist natürlich nicht möglich, dass wir einen Sturzbetrunkenen einfach so auf die Straße torkeln lassen. Im Zweifelsfall bleibt er zu seinem eigenen Schutz da."

Warum die beiden Männer aus Marktredwitz und Mitterteich nicht nach Haus wollten und sich mit Händen und Füßen dagegen wehrten, weiß der Dienstgruppenleiter nicht. "Die sagen uns so etwas nicht. Ich vermute, dass beide Männer daheim Probleme haben." In der Zelle durften sie jedenfalls nicht bleiben. "Wir hätten sonst die Tür offen lassen müssen, aber dann schwirren die Leute womöglich bei uns in der Inspektion herum. Das können wir nicht verantworten."

Daher haben die Beamten von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und die beiden Männer jeweils vor die Tür befördert. "Beide leisteten dabei erheblichen Widerstand, letztlich haben wir sie aber vor die Tür befördern können." Dass sich die Polizisten dabei übelste Beschimpfungen, unter anderem "Hurensöhne", anhören mussten, ist für Hörath eigentlich nicht erwähnenswert. "Leider verrohen die Sitten immer mehr. Man muss sich schon so einiges gefallen lassen, viele haben keinerlei Respekt mehr."

Ohne Folgen bleiben die Beleidigungen nicht, da die Übeltäter mit einer Anzeige rechnen müssen. Ein "Bullenschwein" kann unter Umständen schon mal 1400 Euro kosten - je nachdem, ob es sich um einen Wiederholungstäter handelt. Auch dessen Verdienst spielt bei der Bemessung der Strafe eine Rolle.

Die Ausnüchterungs- oder Arrestzellen sind keine Orte für Zartbesaitete. Wer die Nacht hier verbringt, dem haben die Beamten zuvor alle Gegenstände abgenommen, mit denen sich der Betrunkene oder Randalierer selbst verletzen könnte. "Ketten oder sonstiger Schmuck, Feuerzeuge, Geldbeutel, Stifte, Schlüssel und was sie noch so alles dabeihaben, registrieren wir und verschließen alles in einem Fach, damit nichts wegkommt." Doch auch ohne "Werkzeuge" halten die Insassen die Beamten der Nachtschicht meist auf Trab. "Viele schreien und schimpfen stundenlang, bis sie ruhig werden."

Manch einer kotet mitten in den Raum oder übergibt sich auf die Fliesen und die abwaschbare Gummi-Matratze. Damit die Beamten nicht auch noch die übelsten Gerüche aushalten müssen, ist in den Zellen ein Ventilator eingebaut, der die abscheulich stinkende Luft nach außen befördert. Der Einschaltknopf befindet sich vor der Tür gleich oberhalb des Lichtschalters. Arm dran ist am Morgen die Putzfrau, die die Sauerei wegwischen muss.

Mindestens jede Stunde vergewissern sich die Beamten, ob es den Insassen gut geht. "Es gibt zudem einen Notfallknopf in der Zelle", sagt Hörath. Allerdings macht sich manch einer einen Spaß draus und drückt ihn alle paar Minuten. Für die Beamten heißt das jedesmal, dass sie in den Keller sprinten müssen. "Da hilft nur ein ernstes Wort."

Gerade diejenigen, die in der Nacht den Mund nicht zubringen, sind meist am frühen Morgen regelrecht am Hund und kommen nicht aus dem Bett. "Es kommt schon vor, dass mal einer sagt, er wolle sich noch ausschlafen. Aber wir sind hier ja kein Hotel." Dennoch kommt es auch in der Polizeiinspektion Marktredwitz vor, dass sich ein Insasse über ein mehr oder weniger gepflegtes Frühstück freuen darf. "Wir bringen hier nicht nur Betrunkene oder Randalierer unter, sondern auch mal Menschen, bei denen ein Haftbefehl vorliegt. In derartigen Fällen gibt es einen genau geregelten Verpflegungssatz." In der Praxis bedeutet das, dass die Beamten dem Häftling eine Käsebreze oder ein Nusshörnchen mitbringen, wenn sie sich selbst eine Brotzeit holen.

Der Polizeialltag ist hart und häufig frustrierend. Auch in Marktredwitz und Selb gibt es nach Einschätzung von Hannes Hörath immer mehr "Berufsklienten", also Täter, die wiederholt Ärger bereiten. "Die Bandbreite reicht vom zwölfjährigen Bürschchen bis zur 70 Jahre alten Oma, die kratzt, beißt und uns verflucht."

Ob nach den meist alkoholbedingten Taten auch mal eine Entschuldigung zu hören ist? "Wer das erste Mal über die Stränge geschlagen hat und uns beleidigt oder angreift, entschuldigt sich am Morgen danach schon mal. Den meisten ist es egal."

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