Marktredwitzer Mediziner üben heftige Kritik Ärzte entsetzt über „Impfdrängelei“

Impfdosen sind derzeit ein gefragtes Gut. Daher werden Impfdrängler heftig kritisiert. Foto: dpa/Toby Zerna

Dr. Dr. Hermann Rühl und Dr. Thomas Geißendörfer kritisieren die zweite Bürgermeisterin aus Arzberg scharf. Sie sprechen auch von einer„Schande für das BRK“.

 
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Wunsiedel - Alles andere als gut zu sprechen ist der Marktredwitzer Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Dr. Hermann Rühl auf die lokalen Politiker. Zusammen mit dem Marktredwitzer Augenarzt Dr. Thomas Geißendörfer hat er einen offenen Brief an Landrat Peter Berek verfasst. Mit ihrer Kritik beziehen sich die Ärzte auf einen Artikel der Frankenpost. Darin wurde erwähnt, dass die Eigentümer des Seniorenheims Fichtelgebirge in Arzberg, die zweite Bürgermeisterin Marion Stowasser-Fürbringer und ihr Mann Bernd Fürbringer, bereits zwei Corona-Impfungen erhalten haben. Wie berichtet, argumentiert Marion Stowasser-Fürbringer, sie und ihr Mann hätten häufig nahen Kontakt zu den Bewohnern. Die Impfung sei deshalb allein schon zum Schutz der Bewohner notwendig. Die zweite Bürgermeisterin geht mit der Thematik übrigens offen um.

Menschen mit hochgradigem Egoismus

Für Herrmann Rühl und den Mitunterzeichner des offenen Briefes, Thomas Geißendörfer, zeigt sich hingegen, „dass die korruptive Vernetzung der Lokalpolitik Früchte trägt.“ „Das passt zum bekannten Gebaren der Lokalpolitiker“. Die beiden Mediziner sprechen von hochgradigem Egoismus, der den gesteigerten Überlebenswillen einer von sich überzeugten Persönlichkeit“ zeige. Beide fordern: „Eine strikte Sanktionierung muss sein: Rücktritt aus den öffentlichen Ämtern, Auflösung des betroffenen Impfteams inklusive Impfarzt.“ Sie kommen zu dem Schluss: „Eine Schande für das BRK“ und halten zudem „derartige Durchstechereien in lokalen Organisationen für geradezu typisch“. „Da glaubt doch niemand mehr an ein korrektes, neutrales Impfverfahren. Der Vertrauensverlust an BRK und dem Landkreis Wunsiedel ist kaum mehr zu reparieren.“

Landrat Peter Berek, an dem der offene Brief adressiert ist, hält die Anschuldigungen für deutlich unter der Gürtellinie. „Ich lege die Hand für die Arbeit des Impfzentrums ins Feuer. Dessen Mitarbeiter erhalten die Listen mit den Angemeldeten. Vor Ort in den Heimen prüfen sie nach Sicht- und Plausibilitätskriterien. Für lange Recherchen bleibt keine Zeit, sie müssen ja impfen.“ Dass Berek jede Vordrängelei verurteilt und für verwerflich hält, hat er der Frankenpost vor einigen Tagen gesagt.

Kein aufgeklärtes Weltbild

An dem offenen Brief ärgert Berek vor allem die pauschale Attacke. „Es gibt doch nicht ,die’ Politiker oder ,die’ Tschechen oder ,die’ Deutschen oder ,die’ Ärzte. Derartige Pauschalierungen, wie sie Dr. Dr. Rühl und Dr. Geißendörfer vorbringen, passen nicht ins aufgeklärte Weltbild des 21. Jahrhunderts.“ Dass die beiden Mediziner die Impfteams des BRK so stark kritisieren, stößt Landrat Berek übel auf. „Die leisten einen irre guten Job und sind permanent auf Abruf bereit. Das funktioniert wirklich klasse.“

BRK-Geschäftsführer Thomas Ulbrich sagt auf Nachfrage ebenfalls, dass sich die Impfteams strikt an die offiziellen Vorgaben hielten und sich nichts vorzuwerfen hätten. „Wir arbeiten die Listen ab, die uns vorgelegt werden.“ Er gehe übrigens davon aus, dass bis Ende März alle über 80-Jährigen im Landkreis geimpft seien. „Und ab April werden wir voraussichtlich täglich 685 Impfungen vornehmen können.“ Derzeit seien 6000 Landkreisbewohner geimpft. „Was unsere Teams leisten, ist wirklich großartig. Ich bin stolz auf die Mannschaft.“

Öffentlich Beschuldigte nennen hehre Motive

Marion Stowasser-Fürbringer und ihr Ehemann Bernd Fürbringer, an denen sich die Kritik entzündet, finden es schade, „dass man nun unser soziales Engagement pauschal infrage stellt“. „Wir haben uns in unserer Heimatstadt engagiert und das Heim gebaut, damit die älteren Bürger in der Heimat ihren Lebensabend verbringen können.“ Wie das übrige Personal seien auch sie geimpft worden. „Wir sind ja häufig vor Ort, um alles mögliche zu regeln.“

Um die älteren Bürger über 80 Jahren sorgt sich auch die Grünen-Kreisrätin Brigitte Artmann. Wie sie in einem Gespräch mit der Frankenpost sagte, hängen viele Frauen und Männer aus dem Personenkreis derzeit gewissermaßen in der Luft. „Sie haben sich zur Impfung angemeldet, warten und warten und wissen nicht, wann und ob sie an der Reihe sind.“ Artmann hat sich mit der Bitte an den Landrat gewandt, den älteren Bürgern zumindest mitzuteilen, dass sie registriert sind und wann sie in etwa mit einem Impftermin rechnen können. „Viele trauen sich nicht mehr raus, genau diese Gruppe benötigt jetzt eine Perspektive.“

Ältere Bürger sind verunsichert

Landrat Berek kennt die Problematik. „Ich führe selbst fast täglich Gespräche mit älteren Bürgern.“ Das Problem liege im zentralen System der Impfregistrierung. Außer einer Bestätigung, dass die Anmelde-E-Mail eingegangen sei, sei da nichts vorgesehen. „Ich werde mit BRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Ulbrich sprechen, ob eine weitere Benachrichtigung möglich ist.“ Auch einen ungefähren Zeitpunkt des Impftermins zu nennen, hält Berek für schwierig.

Thomas Ulbrich kennt das Problem. „Wir versuchen, in allen Orten präsent zu sein und so jeweils möglichst viele Menschen einer Altersklasse zu impfen, also zum Beispiel erst die über 90-Jährigen.“ In größeren Orten wie Marktredwitz seien dazu aber mehrere Impftage notwendig, was manche Menschen verunsichere. „Letztlich hängt alles von der Verfügbarkeit des Biontech-Impfstoffes ab.“ Dieser käme nach wie vor nicht in den Mengen, wie es wünschenswert wäre. Mit Astra-Zeneka würden die unter 65-Jährigen aus der Gruppe der Priorität eins geimpft. „Das sind Pflegekräfte, Ärzte oder auch Zahnärzte und deren Personal.“

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