Gerade die Sachen mit Fett erheben einen großen Anspruch auf Theorie", meinte Joseph Beuys, dem es an Schmierstoffen ebenso wenig mangelte wie an fundierten Überlegungen über die Materialien seiner Kunst und ihre "Prozesse in Raum und Zeit". Indes sah die Praxis so mancher "Sache mit Fett" weniger durchdacht aus. Die berühmte "Fettecke" - zehn Pfund Butter, die der Künstler 1982 unter der Decke seines Düsseldorfer Ateliers platzierte - erlangte noch weit größere Berühmtheit, als ein Hausmeister, Unrat witternd, sie beseitigte. Neun Monate nach dem Tod des provokanten Künstlers geschah das: Am heutigen Samstag vor dreißig Jahren ist Beuys gestorben. In seiner Arbeit trachtete er Kunst und Wissenschaft, Kreativität und Gesellschaft, Kultur und Natur zu vereinen. Für ihn war jeder ein Künstler und jede Sphäre der Existenz ein Ort für Kunst, die er mittels Zeichnungen und Objekten, Installationen und Aktionen ins Werk setzte. Den Materialien, deren er sich bediente, sprach er mythisches Wesen zu. So steht Fett, flüssig oder starr, für Leben oder Tod, Filz für Wärme; und eine "Honigpumpe" ließ er auf der "documenta VI" in Kassel laufen. Tiere erhob er, Vorstellungen früher Kulturen und von Naturvölkern folgend, zu Allegorien; sogar ein toter Hase, postulierte er, wisse "viel mehr von den Wirklichkeitszusammenhängen als die Menschen in ihrem egoistischen Fehlverhalten gegenüber der Wirklichkeit". Als maßgeblichen Ideenlieferanten, wenn nicht gar als den Propheten und Pionier der neuen Kunst umschwärmten die einen den Umstrittenen. Anderen waren fünf Kilo Butter an der Wand als Kunstwerk zu wenig und bizarr; sie hielten den Seher für einen Scharlatan. Als er, grün friedensbewegt, 1982 singend nach "Sonne statt Reagan" verlangte, überschritt er den schmalen Grat zwischen dem Genialischen und der Lächerlichkeit. Sogar auf Schloss Moyland bei Kleve verdrängt man den Ausrutscher: Das Beuys-Archiv dort will davon nichts wissen.