Neue Serie Die Zwangspause fürs Ehrenamt ist vorbei

Nachbarschaftshilfe, Feuerwehr oder Gartenbauverein: Allein im Landkreis Hof gibt es 2000 Vereine. Im Hofer Raum engagieren sich überdurchschnittlich viele Menschen im Ehrenamt. Einige von ihnen wollen wir in einer Serie vorstellen. Foto: Ermolaev Alexandr/Patrick Pleul/Robert Kneschke/dpa/Adobe Stock/

Viele Vereine leiden unter Corona – die Mitglieder steigen aus. Manche soziale Initiativen bekommen indes Zulauf, die Digitalisierung schreitet voran. Was hat Corona mit dem Ehrenamt gemacht und wie geht es weiter?

 
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Hof - In Stadt und Landkreis Hof leben zirka 140 000 Menschen. Etwa 45 Prozent von ihnen sind ehrenamtlich engagiert – bei der Feuerwehr, bei der DLRG, Wasserwacht, im Sport- oder Schützenverein, in Kultur- und Gartenbauvereinen. Das ist mehr als im deutschlandweiten Durchschnitt, der bei 40 Prozent liegt, sagt Heinrich Wolf, der beim Landkreis das Ehrenamt koordiniert. Die Corona-Pandemie hat das Ehrenamt an vielen Stellen zum Erliegen gebracht. Nun packen die Menschen wieder an. Einige dieser Menschen will die Frankenpost in einer Artikel-Serie vorstellen.

Wie entwickelt sich das Ehrenamt in der Region? Es gibt allein im Landkreis rund 2000 Vereine. Einen Überblick über die Vereinslandschaft im Landkreis hat Heinrich Wolf. Er arbeitet am Koordinierungszentrum Bürgerschaftliches Engagement (KoBE) am Landratsamt. Diese Anlaufstelle betreut, vernetzt und unterstützt Vereine und Initiativen. In der Stadt Hof gibt es keine derartige Anlaufstelle, auch die Anzahl der Vereine ist hier nicht bekannt.

Seit einigen Jahren beobachtet Wolf in vielen Ehrenamts-Bereichen einen leichten Mitgliederschwund, die Corona-Krise hat viele Vereine zusätzlich auf eine harte Probe gestellt: Viele haben Mitglieder verloren. Auf der anderen Seite gab es Initiativen, die Zulauf bekommen haben: Nachbarschaftshilfe etwa. Hier gab es sogar zeitweise mehr Hilfsangebote als nachgefragt wurden.

Doch wie schaffen es Vereine, ihre Mitglieder zu halten und neue zu gewinnen? Sie müssen sympathisch sein, ein reiches gesellschaftliches Leben pflegen und innovativ bleiben – auch in der Krise.

Innovativ kann vieles bedeuten. Dazu gehört, Trendsportarten einzuführen. Als Beispiele nennt Wolf den BSC Tauperlitz, der „Jumping“ anbietet und so viele neue Mitglieder gewonnen hat. Oder die Bürger- und Schützengesellschaft Naila, die Bogenschießen auch als Inklusionsprojekt zusammen mit den Hochfränkischen Werkstätten im Angebot hat.

Intensive Jugendarbeit ist ein weiterer Baustein der Mitgliedergewinnung: Als Beispiele nennt Wolf den FSV Naila, der auf seinem neuen Kunstrasenplatz vor allem die Kinder- und Jugendarbeit forciert; den FC Wüstenselbitz, der eine lebendige Mountainbike-Abteilung hat und schon viele Talente hervorgebracht hat; oder den FC Martinsreuth, der ein „tolles Sportheim“ hat. Eine gute Infrastruktur, gepflegte Anlagen seien essenziell, um die Mitglieder zu halten.

Auch das junge Alter der Vereinsvorsitzenden kann eine Rolle spielen: „Ein junger Mensch hat die Themen der Jugend besser im Blick und kann so Mitgliedergruppen für die Zukunft erschließen“, erläutert Wolf.

Frauen an der Spitze sind nach wie vor selten, weil für Frauen oft Beruf und Familie an erste Stelle stehen. Wenn aber eine Frau dieses Amt ausübt, dann tut sie es mit viel Engagement, Interesse, Kompetenz und Genauigkeit, meint Wolf. Der ATSV Oberkotzau hat etwa die „Vorständin“ Anka Neudert. Marianne Herpich leitet den Vitalsportverein in Rehau.

Das Amt frisst viel Zeit und Kraft, deshalb haben manche Vereine Schwierigkeiten, einen neuen Chef zu finden, wenn der alte nicht mehr kann oder will. „Der Vorteil eines solchen Amts ist: Man lernt unheimlich viel dazu – in Personalmanagement, Steuerrecht oder Finanzen.“

Weiteres wichtiges Kriterium ist: Die Vereine sollten sich medial zeitgemäß aufstellen und neben der Homepage etwa ein Facebook- oder Tiktok-Profil besitzen, um bekannt zu sein. Die Corona-Pandemie hat hier bei vielen Vereinen zu einem Umdenken geführt: Es gab einen Fortschritt bei der Digitalisierung. Zum Beispiel haben viele Vereine online Kontakt zu ihren Mitgliedern gehalten und etwa Sportkurse angeboten. Vereins- oder Vorstandssitzungen, Workshops oder Fortbildungen wurden online realisiert – das spart Zeit und Geld. „Deshalb behalten viele Vereine in manchen Bereichen diese Praxis auch bei.“ Der persönliche Kontakt sei aber nach wie vor das Wichtigste.

Zulauf hat unter anderem die Nachbarschaftshilfe bekommen: Diesen Bereich, der schon vorher aktiv war, hat das Koordinierungszentrum zusammen mit den Kommunen , die die Infrastruktur zur Verfügung stellen – beispielsweise Räume für die Büros –, strukturiert und mit Know-how begleitet.

Die Nachbarschaftshilfe ist angesichts der demografischen Entwicklung bedeutsam. „Die Hilfstätigkeiten haben auch gesellschaftliche Komponenten: Es werden Spieleabende veranstaltet, Medienkurse für Senioren oder die Taschengeldbörse für Jugendliche, die durch ihre Mitarbeit auch an das Ehrenamt herangeführt werden.“ Hier haben sich nicht nur Privatpersonen, sondern auch Vereine engagiert und Empathie mit Menschen in der Krisensituation gezeigt. Ähnlich verhält es sich, wenn Vereine Aktionen starten, um Menschen in extremen Problemlagen über Spenden schnell zu helfen.

Ob ein Mensch überhaupt ein Ehrenamt ausübt, hänge mit seiner Grundhaltung zusammen, sagt Wolf. „Wer in jungen Jahren etwa über die Eltern Kontakt zum Ehrenamt bekommt, für den ist das selbstverständlich.“

Mit der Einrichtung des Koordinierungszentrums hat der Landkreis Hof eine zentrale Anlaufstelle geschaffen, um das ehrenamtliche Engagement zu unterstützen. Hier wird zwischen Vereinen und neuen Ehrenamtlichen vermittelt und vernetzt; es gibt Schulungen und Antworten auf rechtliche Fragen. „Ehrenamtliche brauchen eine lokale Anlaufstelle für ihre Probleme und Fragen“, sagt Wolf. Es helfe wenig, in „Sonntagsreden“ das Ehrenamt hochzuhalten und es dann mit den Problemen allein zu lassen. Vor sieben Jahren wurde in Stadt und Landkreis Hof zudem die Ehrenamtskarte ins Leben gerufen, die Anerkennung für den Einsatz gibt.

Eine große Anzahl an Ehrenamtlichen ist bei dem größten Arbeitgeber in der Region aktiv, der Diakonie Hochfranken: 300 Ehrenamtliche arbeiten in der stationären Altenhilfe, wo sie den Alltag älterer Menschen mitgestalten, Besuche abstatten oder ein Café betreuen. In der ambulanten Pflege leisten sie Angehörigenarbeit, im Mehrgenerationenhaus betreuen sie Kinder bei den Hausaufgaben oder übernehmen die Abend- oder Wochenendarbeit beim Frauennotruf.

„Die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen hat eine lange Tradition und eine große Bedeutung“, sagt Werner Schrepfer, Bezirksstellenleiter und Koordinator des Ehrenamts bei der Diakonie. „Die Ehrenamtlichen bereichern und erweitern auf vielfältige Art unsere Arbeit.“ Es wäre ohne sie schwierig, manche Dienste oder Freizeitgruppen aufrechtzuerhalten.

Um das Engagement anzuerkennen, lässt sich die Diakonie einiges einfallen: Einmal im Jahr finden ein Theaterbesuch, ein Grillfest, ein Kabarett- oder Musikabend statt, es gibt Treffen und Schulungen. Für manche Ehrenämter gibt es eine Aufwandsentschädigung, Auslagen wie Fahrtkosten werden übernommen. Allerdings sei die Aufwandsentschädigung nicht die Motivation. „Der Antrieb ist, helfen zu wollen.“ Die meisten Ehrenamtlichen seien älter, sie hätten vor allem als Rentner mehr Zeit. Junge engagierten sich etwa im Migrationsbereich.

Über Internet und Zeitung versuchen die Einrichtungen, an neue Ehrenamtliche zu kommen. In allen Bereichen gibt es Bedarf. „Man merkt, dass das Engagement allgemein zurückgeht“, sagt Schrepfer. Dass ein Mensch über Jahre einem Verein oder einer Organisation treu bleibt, sei selten. Vermehrt seien die Ehrenamtlichen an einzelnen Projekten interessiert. „Sie wollen sich nicht lange binden.“

Das könne zum einen daran liegen, dass Menschen heute später in Rente gehen, mobiler sind und ihren Lebensabend lieber mit Ausflügen und Urlaub verbringen. Die häufigeren Arbeitsplatz- und Wohnortwechsel könnten auch ein Grund sein.

Die Pandemie habe fast alle Arbeitsbereiche für das Ehrenamt zum Erliegen gebracht. Nun laufen die Angebote wieder an, sagt Schrepfer. Nach der Corona-Pause hätten nur zwei Ehrenamtliche ihr Engagement beendet – und das eher aus Altersgründen. „Der Rest ist wieder da, jetzt starten wir wieder durch.“

Wir suchen Ehrenamtliche, die Spannendes über ihr Ehrenamt zu erzählen haben – und wollen sie in einer Artikelserie vorstellen. Üben Sie ein besonderes Ehrenamt aus, in dem Sie interessante Dinge erleben? Oder kennen Sie jemanden, der sich besonders engagiert? Dann melden Sie sich bitte bei uns unter hof-lokal@frankenpost.de. .

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