Oper am Theater Hof Liebe im KZ

„Nichts ist so horrorhaft wie die Realität“: Komponist Somtow Sucharitkul (links) und Regisseur Lothar Krause. Foto: Harald Dietz

An diesem Samstag feiert die Oper „Helena Citrónová“ Premiere am Theater Hof. Komponist Somtow Sucharitkul erzählt darin die Geschichte einer Auschwitz-Liebe. Eine Geschichte, die die Schauspieler an emotionale Grenzen führt.

 
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Da steht in Thailand der Pappkamerad in Uniform und wirbt für den schnellen Snack. In Nazi-Uniform. „Hitler fried chicken“ wird serviert. „Die deutsche Geschichte ist in Thailand nicht so präsent“, erzählt Somtow Sucharitkul. Nicht, dass er seinen Landsleuten pauschal Geschichtsvergessenheit unterstellen möchte; aber etwas lax sei der Umgang mit dem Holocaust und dem Dritten Reich bisweilen. Der 69-jährige Komponist, Dirigent und Autor von Horror-Romanen sitzt in Hof und besieht sein Werk. Am Theater Hof geht „Helena Citrónová“ am Samstag in die Premiere. Eine Oper aus Auschwitz. Eine Geschichte der Liebe, der sich der Verstand sperrt. Ein SS-Aufseher und eine Jüdin. Eine blasse Blüte auf einem Mörderacker.

Weinende Sänger

„Sehr angetan“ ist Sucharitkul von der Inszenierung von Lothar Krause. Er flog ein für die Europapremiere der Oper, in Deutsch hat sie noch niemand gehört. Er sah die Generalprobe, und je länger er über die Hofer Version redet, umso besser wird sie. Am Ende ist sie „brillant“. Das macht Krause verlegen. Denn was er auf die Bühne bringt, das schimmert nicht. „Sänger haben geweint“, erzählt er. Manche von ihnen kündigten an, sich am Ende gewiss nicht in SS-Uniform vor dem Publikum verneigen zu wollen. „Sie fühlen sich zu schmutzig.“ Nach der Probe wandert die SS-Kluft mit Totenkopf in den Schrank, der verschlossen wird. Ein Giftschrank.

Liebe und Mord

„Als Schauspiel wäre es nicht zu ertragen“, meint Krause. Aber Somtow Sucharitkul habe mit seiner Musik eine emotionale Ebene geschaffen, die einen umarmt – nicht zu zärtlich, aber freundlich. Aber eine Oper aus Auschwitz? „Ja“, sagt ihr Verfasser. Eben drum. „Sie ist artifiziell. Niemand singt in der Realität, um eine Geschichte zu erzählen. Sie schafft Distanz – und darum geht es in ‚Helena Citrónová’.“ Es ist die wahre Geschichte einer jungen Jüdin, in die sich der ebenso junge SS-Unterscharführer Franz Wunsch verliebt. Es ist die Geschichte von millionenfachem Mord, von unsagbarer Unmenschlichkeit und dem Aufflackern von Gefühl in einer Todesmaschine. Widerspenstig ist das. Sucharitkul will exakt das mit seiner Musik transportieren.

Distanz zu Deutschland

Es kommt ihm zupass, kein Deutscher zu sein. Denn auch er hat Distanz und kann emotional ohne Bandagen ein Schubert-Lied mit dem Horst-Wessel-Lied verquicken – Romantik versus in Klang gegossener Größenwahn. Inszenierer Krause bezweifelt, dass das sich ein Deutscher getraut hätte. Sucharitkul interessiert aus der Ferne, wie diese große deutsche Kulturnation in den Morast sinken konnte. Das Ensemble muss auch versinken, sich identifizieren mit Widerwärtigkeit. Es ist, erzählt Lothar Krause, nicht leicht gewesen, Schauspieler das Wort „Juden“ so abfällig sprechen zu lassen, dass es so ankommt, wie es gemeint ist. Da steckt in jedem Mimen der Mensch, der sich dieser Realität stellen muss.

Horror-Schreiber Somtow Sucharitkul ist es gewohnt zu schocken. Aber mit seinen Romanen habe die Oper nichts gemein. „Horror-Romane mag man, weil man sich selbst in Sicherheit weiß. Das ist wie Achterbahnfahren. Diese Geschichte aber ist real – und nichts ist so horrorhaft wie die Realität.“

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